Linke schlägt Premier vor Macron will sich mit Regierungsbildung Zeit lassen
23.07.2024, 21:35 Uhr Artikel anhören
"Es geht jetzt nicht um Namen, es geht darum, welche Mehrheit sich in der Nationalversammlung bildet", sagte Macron.
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Frankreich ist nach der Neuwahl politisch gelähmt. Noch gibt es keine Mehrheiten, um eine neue Regierung zu bilden. Die Linken schlagen Finanzexpertin Lucie Castets für das Amt der Premierministerin vor. Doch Präsident Macron will erst seine Entscheidung vertagen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will vor dem Ende der Olympischen Spiele keinen neuen Premierminister ernennen. "Bis Mitte August müssen wir uns auf die Olympischen Spiele konzentrieren. Danach ist es meine Aufgabe, je nach Stand der Diskussionen einen Premierminister oder eine Premierministerin zu ernennen", sagte Macron dem Sender France 2.
Auf die kurz zuvor vorgeschlagene Kandidatin des Linksbündnisses, die 37 Jahre alte Finanzexpertin Lucie Castets, ging er zunächst nicht ein. "Es geht jetzt nicht um Namen, es geht darum, welche Mehrheit sich in der Nationalversammlung bildet", sagte Macron. Der Präsident appellierte an alle Parteien, sich anzupassen. "Es ist ihrer Verantwortung, etwas zu tun, was in allen europäischen Demokratien geschieht, und was bislang nicht in unserer Tradition ist (...), nämlich Kompromisse einzugehen", betonte er.
"Versprechen gehalten"
Nach gut zweiwöchigen Verhandlungen hatte die französische Linke sich auf eine in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Wirtschaftsexpertin als Kandidatin für das Amt der Premierministerin geeinigt. Das Wahlbündnis Neue Volksfront schlug die bisherige Finanzchefin der Stadt Paris, Lucie Castets, für den Posten vor. "Die Neue Volksfront hat nun eine Kandidatin. Versprechen gehalten", schrieb Sozialistenchef Olivier Faure im Onlinedienst X.
Das Wahlbündnis stellte die 37-Jährige als eine Verfechterin des öffentlichen Dienstes und eine Gegnerin der Rente mit 64 vor. Sie sei eine hochrangige Staatsbeamtin, die sich für die Bekämpfung von Steuerbetrug eingesetzt habe. Die Klimaexpertin Laurence Tubiana, die für das Amt der Premierministerin ebenfalls im Gespräch gewesen war, hatte am Vortag ihren Verzicht auf die Kandidatur erklärt. Die linkspopulistische Partei La France Insoumise (Unbeugsames Frankreich), die innerhalb der Neuen Volksfront die größte Gruppe bildet, hatte sich gegen sie ausgesprochen und ihr eine zu große Nähe zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgeworfen.
Politische Unruhen verhindern
Das Wahlbündnis war bei der von Macron vorgezogenen Parlamentswahl Anfang Juli überraschend auf den ersten Platz gekommen. Traditionell schlägt das größte Lager in der Nationalversammlung einen Kandidaten für das Amt des Premierministers vor. Der Präsident kann ernennen, wen er möchte, ist aber darauf angewiesen, dass der Premierminister oder die Premierministerin für die Gesetzesvorhaben der Regierung in der Nationalversammlung eine Mehrheit bekommt. Die vorgezogenen Neuwahlen haben jedoch zu einer Blockadesituation geführt, in der keines der drei Lager über eine Mehrheit verfügt.
Der amtierende Premierminister Gabriel Attal und seine Regierung sind noch geschäftsführend im Amt. Macron wollte dadurch politische Unruhen während der Olympischen Sommerspiele verhindern, die am Freitag beginnen. Die frisch gewählte Nationalversammlung ist mittlerweile konstituiert und hat sich in elf Fraktionen aufgeteilt. Sie ist jedoch faktisch arbeitslos, da die Regierung auf Abruf keine Gesetzesvorhaben mehr einbringen kann. Macron hofft auf eine Art Koalition mit der gemäßigten Rechten und den Sozialisten, die sich jedoch beide nicht darauf einlassen wollen. Er hatte die Neuwahlen nach dem Triumph des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) bei der Europawahl angesetzt.
Quelle: ntv.de, lve/AFP