Ukraine-Talk bei Maischberger "Die Welt hat den Atem angehalten"
18.11.2022, 11:03 Uhr (aktualisiert)
Welcher Weg führt aus dem Ukraine-Krieg? Diese Frage diskutierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen.
Ihre Parteien gehören zur Ampelkoalition, doch ihre Meinungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Am Mittwochabend streiten sich Außenpolitiker Ralf Stegner von der SPD- und FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der ARD-Talkshow "Maischberger" über die Lehren aus dem Raketeneinschlag in Polen.
Am Dienstag ist in einem kleinen Dorf in Ostpolen eine Rakete eingeschlagen. Zwei Menschen werden getroffen, sterben. Viele fragen sich: Was nun? Droht der Dritte Weltkrieg? Am Mittwoch stellt sich heraus: Die Luftabwehrrakete ist offenbar in der Ukraine abgefeuert worden, als Verteidigung gegen einen russischen Angriff, der zivile Infrastruktur zerstört hatte. Der Beschuss des Dorfes - ein Versehen. Wie es nun in der Ukraine weitergehen und welche Rolle Deutschland spielen sollte, ist am Mittwochabend das Thema in der Sendung "Maischberger" im Ersten. Dabei kommen zwei Menschen ins Gespräch, deren Meinungen kaum unterschiedlicher sein können.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht aktuell keine Möglichkeit für Verhandlungen mit Moskau.
(Foto: IMAGO/Horst Galuschka)
Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages. Sie fordert schon seit Monaten, Deutschland müsse mehr Waffen an die Ukraine liefern. Nun hat sie ein Buch geschrieben, in dem sie verlangt, Deutschland solle endlich eine militärische Führungsrolle übernehmen. Darum wird es dann zum Streit kommen, wie nicht anders zu erwarten war. Denn ihr Kontrahent ist Ralf Stegner von der SPD, der zwar Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützt, dennoch auf diplomatische Lösungen setzt, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.
"Das sind Kollateralschäden"
Zunächst geht es aber um die Rakete, die versehentlich in Ostpolen eingeschlagen ist. Das seien Kollateralschäden, damit müsse man immer rechnen, sagt Strack-Zimmermann dazu. Hier hätte Moderatorin Sandra Maischberger nachhaken können, ob man bei zwei Toten wirklich von Kollateralschäden sprechen könne. Die hält sich aber bei der Diskussion der beiden Gäste eher zurück.
"Die Welt hat gestern den Atem angehalten", sagt Ralf Stegner. Nur der Besonnenheit der NATO-Staaten sei es zu verdanken, dass es nicht zu einer Katastrophe gekommen sei. "Der Krieg ist gefährlich und muss beendet werden, auch weil dabei Dinge vorkommen, die möglicherweise nicht mehr in den Griff bekommen werden können", so Stegners Fazit.

Setzt eher auf Diplomatie als Ausweg aus dem Krieg: Ralf Stegner von der SPD.
(Foto: IMAGO/Klaus W. Schmidt)
"Die Reaktion der NATO war richtig", sagt Strack-Zimmermann. Sie weist aber darauf hin, dass es am Ende nicht die NATO sei, die entscheide, was passiere. Das sei die Sache Putins, den beide einen "Massenmörder" nennen. Der deutsche Einfluss auf den russischen Präsidenten gehe gegen Null, sagt die FDP-Politikerin. Was Putin berühre sei die Tatsache, dass sich China von ihm abzuwenden beginne. "Das ist schon eine andere Qualität, mit der Putin nicht gerechnet hat."
"Fenster für Diplomatie ist offener"
Nachdem in dieser Woche die meisten G20-Staaten den Krieg in der Ukraine verurteilt haben, sieht Stegner das Fenster für diplomatische Verhandlungen weiter geöffnet. Auch die veränderte Haltung Chinas führt er auf die Gespräche zurück, die Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden mit Chinas Staatschef Xi Jinping geführt haben.
"Putin versteht aber nur Stärke", analysiert Strack-Zimmermann. Stärke hieße vor allem: in militärischer Hinsicht. "Und da ist noch Luft nach oben", kritisiert die FDP-Politikerin das deutsche Engagement. Deutschland habe 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges gelernt, eine Demokratie zu sein, so die Verteidigungsexpertin, und sei nun soweit, eine militärische Führungsrolle zu übernehmen. Damit könne man auch den Ländern danken, die Deutschland bei seiner Entwicklung unterstützt hätten.
Gerade weil noch Menschen lebten, die sich an die deutschen Gräueltaten während des Zweiten Weltkrieges erinnern könnten, sei es eben nicht an Deutschland, militärisch zu führen. Etwas anderes sei dies bei wirtschaftlicher Unterstützung oder bei humanitärer Hilfe. Doch militärisch sei es an Deutschland, gemeinsam mit den anderen europäischen Ländern ein Team zu bilden und die Ukraine zu unterstützen.
Wie zu erwarten, wird der Streit nicht geklärt. Die Moderatorin, die am Ende ein wenig Harmonie schaffen will, bekommt sie. Strack-Zimmermann sei ihm zumindest lieber als ein Verteidigungsexperte der Union, sagt Stegner - für einen Norddeutschen ein gewaltiges Lob. Und dann erzählen beide noch, dass sie sich gegenseitig Songs für ihre Playlists empfehlen. Der letzte Tipp Stegners für Strack-Zimmermann sei "Universal Soldier" von Donovan gewesen.
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 17. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de