Politik

Kanzlerin zur Corona-Krise Merkel sieht "Herz füreinander auf Probe"

Merkel bedankte sich bei den Mitarbeitern des deutschen Gesundheitssystems.

Merkel bedankte sich bei den Mitarbeitern des deutschen Gesundheitssystems.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bundeskanzlerin Merkel appelliert an die Bevölkerung, sich in der Corona-Krise solidarisch zu verhalten. "Es geht um den Schutz gerade auch älterer Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen." Die Bundesregierung wolle noch diese Woche Liquiditätshilfen für Unternehmen auf den Weg bringen.

Erstmals wendet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen der Corona-Krise an die Bevölkerung. "Es geht um den Schutz gerade auch älterer Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen", sagte Merkel in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. "Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen können." Es handle sich um ein Virus, "das wir nicht ausreichend kennen, für das wir keine Impfung haben, für das wir keine Therapie haben".

"Alle Maßnahmen, die wir machen, sind von allergrößter Bedeutung, weil sie uns eben Zeit geben", sagte Merkel. "Es geht also um das Gewinnen von Zeit." Merkel berichtete von den Ergebnissen einer gemeinsamen Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs der EU sowie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EZB-Chefin Christine Lagarde. "Jedes europäische Land ist betroffen." Den italienischen Freunden wünsche die Bundesregierung "von Herzen, dass die harten Maßnahmen, die sie dort ergriffen haben, eine Wende zum Guten bringen". Merkel kündigte ein Gespräch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Antonio Conte an, in dem es auch um Hilfen für das Nachbarland gehen soll. "Was wir tun und verantworten können, werden wir tun."

"Ich vertraue auf die Solidarität der Fußballfans"

Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen können.

Merkel kündigte an, dass die Bundesregierung Unternehmen noch in dieser Woche "Liquiditätshilfen zur Verfügung stellen" wolle in Zusammenarbeit mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die EU wolle den Stabilitäts- und Wachstumspakt flexibel handhaben, genauso die Regelungen zu staatlichen Beihilfen. "Deutschland ist relativ robust aufgestellt. Die Bundesagentur für Arbeit hat Rücklagen", sagte Merkel mit Blick auf Kurzarbeitergeld und Lohnfortzahlungen. Am Freitag werde es eine Bekanntgabe von Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz geben zu den geplanten Maßnahmen. Es gehe darum, "dass wir das wirtschaftliche Leben einigermaßen aufrechterhalten können".

Merkel rief alle Beteiligten in Ländern und Kommunen auf, den Empfehlungen von Wissenschaftlern und Experten nachzukommen. "Föderalismus ist nicht dafür da, dass jeder an seiner Stelle Verantwortung wegschiebt. Föderalismus ist dafür da, dass jeder an seiner Stelle Verantwortung wahrnimmt", sagte Merkel. "Deswegen ist es eben nicht das zentrale Problem, wenn ich es so hart sagen kann, ob ein Fußballspiel mit oder ohne Publikum stattfinden kann." Spahn begrüßte ebenfalls, "dass auch Berlin sich entschlossen hat, das Fußballspiel ohne Zuschauer stattfinden zu lassen". Spahn sagte: "Ich vertraue auf die Solidarität der Fußballfans."

Auch Spahn dringt auf Solidarität

Dafür eine Sekunde länger in die Augen schauen und lächeln, und nicht schon mit der Hand beim Nächsten sein, ist auch gut.

Merkel und Spahn empfahlen auch auf Begrüßung mit Handschlag zu verzichten. "Dafür eine Sekunde länger in die Augen schauen und lächeln, und nicht schon mit der Hand beim Nächsten sein, ist auch gut", sagte Merkel. Spahn sagte, es gehe nicht nur darum, Veranstaltungen mit mehr als tausend Teilnehmern abzusagen. "Auch unterhalb dieser Schwelle kann man etwas tun und damit einen guten Beitrag leisten", betonte er.

Spahn sagte, man dürfe sich nicht irreführen lassen davon, dass 80 Prozent der Infizierten milde oder gar keine Symptome zeigten. "Ich finde wichtig, dass wir das in die Gesellschaft und die Familien tragen müssen, dass es hier um den Schutz der anderen geht." Deshalb müssten alle bereit sein, "auf ein Stück Alltag zu verzichten, um andere zu schützen". Spahn zählte auch wiederholt Clubs auf als Beispiel für Einrichtungen, die Jüngere meiden könnten. "Das eine ist, die Dinge zu untersagen. Das andere ist, die Bundesbürger zu fragen, muss ein Clubbesuch in den kommenden drei Monaten unbedingt sein?"

CDU-Parteitag wird wohl so nicht stattfinden

Mit Blick auf den Sonderparteitag der CDU zur Wahl eines neuen Parteivorsitzenden Ende April erwartete Merkel bei gleichbleibender Lage, dass dieser so nicht stattfindet. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die CDU sich nicht an die Regeln, die wir uns im gesellschaftlichen Leben auferlegen, halten wird." Allerdings sei auch noch etwas Zeit bis zum 25. April.

Merkel bestritt auf Nachfrage, sich erst jetzt um die Corona-Krise zu kümmern. Das wisse der Bundesgesundheitsminister. Die Videokonferenz mit den EU-Staats- und Regierungschefs sei nur der Anlass, dass auch sie sich jetzt an die Öffentlichkeit wende. Merkel bestritt Reibungen zwischen ihr und Spahn. "Aus der Tatsache, dass wir vielleicht in manchen Fragen unterschiedliche Einschätzungen haben, was in einer Volkspartei per se vorkommen muss, zu schließen, dass wir nicht gut zusammenarbeiten könnten, finde ich relativ kühn und meinem Wesen fremd", sagte Merkel. "Wir arbeiten im Kabinett immer super zusammen und jetzt natürlich noch sehr viel intensiver." Jens Spahn mache einen "tollen Job in einer schwierigen Situation".

Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, bereitete die Bürger auf weitere schwere Fälle vor. "Natürlich werden bei uns mehr Menschen noch sterben", sagte Wieler. Insgesamt sei die Verbreitung in Deutschland bislang glimpflich. Dabei profitiere das Land von seinen großen Laborkapazitäten für Tests und den frühzeitig ausgegebenen Empfehlungen an die Arztpraxen und Kliniken, systematisch zu testen.

Quelle: ntv.de

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