Geflüchtete kämen trotzdem Migrationsexperte: CDU-Vorschlag hätte schwerwiegende Folgen
19.07.2023, 06:30 Uhr Artikel anhören
Auch ohne ein Recht auf Asyl würden Menschen nach Deutschland flüchten, sagt der Migrationsexperte Thym.
(Foto: dpa)
Keine individuellen Asylanträge mehr, dafür eine Aufnahme von Flüchtlingen über Kontingente: Der Vorschlag des CDU-Politikers Frei stößt vor allem in der Union auf offene Ohren. Ein Migrationsforscher warnt vor schwerwiegenden Folgen, die diese Lösung haben könnte.
Der Unionspolitiker Thorsten Frei löst mit seinem Vorschlag für eine neue Systematik im Asylrecht kontroverse Debatten aus. Der Migrationsexperte Daniel Thym warnte in der "Welt", Freis Vorstoß hätte bei einer Umsetzung schwerwiegende Folgen. Es kämen dann weiter Menschen nach Deutschland, die kein Asyl beantragen und nicht arbeiten könnten und bestimmte Leistungen nicht erhielten. "Droht ihnen Gefahr in den Herkunftsländern, dürfen wir sie nicht abschieben. Im Ergebnis würde Herr Freis Vorschlag also bedeuten, eine große Schicht prekär lebender Personen in Deutschland zu schaffen", sagte der Konstanzer Ausländerrechtsexperte.
Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, hatte in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gefordert, das Recht des einzelnen Menschen, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen, solle abgeschafft und durch Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa ersetzt werden. Diese 300.000 bis 400.000 Flüchtlinge pro Jahr sollten direkt im Ausland ausgewählt und dann in Europa verteilt werden. "Eine Antragstellung auf europäischem Boden wäre nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten umfassend ausgeschlossen", schrieb der CDU-Politiker.
Politiker der Ampel-Fraktionen lehnten die Vorschläge ab. Auch von AfD und Linken kam Kritik. Positiv äußerten sich dagegen der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Auch der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm, unterstützt Freis Vorschlag. Frei habe zu Recht darauf hingewiesen, "dass unser Migrationssystem derzeit völlig falsche Zustände verursacht", so Throm. Menschen lieferten sich Schleppern aus und wagten eine gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Sie durchquerten manchmal die halbe Welt "und dabei viele sichere Länder", um sich Europa als "Wunschort" auszusuchen. Dabei gelte leider das Prinzip: "Die Starken kommen an, die Schwachen bleiben auf der Strecke." Throm sagte, dieser Effekt sei nie beabsichtigt gewesen, weder von den Vereinten Nationen noch vom deutschen Grundgesetz. Besser wäre nach seiner Ansicht eine Auswahl allein nach humanitären Kriterien in den Herkunftsländern.
Bundesverfassungsgericht verlangt rudimentäre Versorgung
Der Migrationsexperte Thym erklärte, Pull-Faktoren würden bei Freis Vorschlag "nur gering" geschmälert, da "die Menschenwürde nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts verlangt, jedenfalls eine rudimentäre Versorgung bereitzustellen". Thym kritisierte: "Was ist mit denen, denen Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen drohen, die aber trotzdem hier ankommen und nicht in den "Kontingenten" sind? Werden auch die abgeschoben?" Wenn Frei das meine, dann wäre das nicht mit den Menschenrechten machbar, sagte Thym.
Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte merkt an, dass der individuelle Zugang zu einem fairen Asylverfahren in Deutschland und der EU nicht dadurch ersetzt werden könne, dass Schutzbedürftige direkt aus dem Ausland aufgenommen werden. Es verwies darauf, dass diese Möglichkeit ohnehin bereits bestehe, "im Rahmen humanitärer Aufnahmeprogramme und von Resettlement".
Quelle: ntv.de, ino/dpa