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"Mission Silberlocke" der Linken Gysi bringt die Band wieder zusammen

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Die Rentner-Gang der Linken, bestehend aus Ramelow, Gysi und Bartsch,  soll für die Partei drei Direktmandate holen. Das ist das Ziel der "Mission Silberlocke".

Die Rentner-Gang der Linken, bestehend aus Ramelow, Gysi und Bartsch, soll für die Partei drei Direktmandate holen. Das ist das Ziel der "Mission Silberlocke".

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

So etwas gibt es selten in der Politik: Drei Männer tun sich unter einem selbstironischen Slogan zusammen, um gemeinsam Wahlkampf zu machen. Die "Mission Silberlocke" der Linken-Urgesteine Gysi, Bartsch und Ramelow hat Witz. Aber auch Chancen?

Jugendwahn? Das kann man der Linken in diesen Tagen nicht gerade vorwerfen. An diesem Mittwoch machen drei ältere Herren aus der Partei von sich reden: Gregor Gysi, 76, Bodo Ramelow, 68 und Dietmar Bartsch, 66, wollen es noch einmal wissen. In der Bundespressekonferenz stellen sie sich vor. Wobei, nötig hätten das diese Urgesteine eigentlich nicht. Zusammengenommen saßen sie fast 60 Jahre im Bundestag, Ramelow war zehn Jahre Ministerpräsident von Thüringen - und ist es kommissarisch noch immer.

"Mission Silberlocke" nennen sie das, was sie vorhaben. Und ja, das ist selbstironisch gemeint. Nicht nur, weil allenfalls Bartsch tatsächlich über so etwas wie eine Silberlocke verfügt. Vielleicht auch, weil sie alle so viele Jahre auf dem Buckel haben und eigentlich Platz für Neue machen wollten. Mehrmals. Ramelow wurde abgewählt, Bartsch gab den Fraktionsvorsitz auf und Gysi wollte nicht mehr in der ersten Reihe mitmischen. Aber die Linke ohne Gysi - geht das überhaupt? Einen erfahrenen Mann wie Bartsch, den muss man doch noch verwenden können? Und so ein beliebter Typ wie Ramelow, kann man auf den verzichten?

Die Antwort ist offenbar ein dreifaches "Nein". Die lässigen Alten sollen also noch einmal die Kohlen aus dem Feuer holen. Das ist eine gute Geschichte, jedenfalls besser als die andere Variante: Sie haben einfach niemand anderen. Aber was soll das eigentlich sein, diese "Mission Silberlocke"? Ist das mehr als ein amüsantes Etikett für das, was ohnehin seit Jahrzehnten von den Linken zu hören ist?

Drei Direktmandate müssen her

Die Kurzfassung: Gysi, Ramelow und Bartsch wollen bei der Bundestagswahl drei Direktmandate gewinnen und so der Linken den Wiedereinzug in den Bundestag sichern. Das ermöglicht die sogenannte Grundmandatsklausel. Holt eine Partei drei Direktmandate, darf sie in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen. Insofern ist die Sache mit der Silberlocke nichts Neues. Drei Direktmandate sind schon lange die Lebensversicherung der Linken. Auch im aktuellen Bundestag zog sie nur deshalb mit 39 Abgeordneten ein, weil genau das gelang. Mittlerweile hat die Linke den Fraktionsstatus verloren, weil zehn Abgeordnete Sahra Wagenknecht zum BSW folgten.

2021 holte die Linke immerhin 4,9 Prozent - davon ist sie jetzt noch ein gutes Stück entfernt. Es ist keineswegs gesagt, dass die Partei die Fünfprozenthürde überspringt. Die BSW-Abspaltung hat die Partei in eine Krise gestürzt. Ihr drohte der Sturz in die Bedeutungslosigkeit. "Sollte die Linke ausscheiden aus dem Bundestag, bedeutete das, dass es im Bundestag keine linken Argumente mehr gibt", sagt Gysi. Die Linke käme dann auch nicht mehr in den Medien vor und damit würden ihre Argumente auch nicht mehr in der Gesellschaft stattfinden.

Aktuell sieht es im Trendbarometer von RTL und ntv aber gar nicht so schlecht aus für die Partei. Der Erzfeind BSW ist plötzlich wieder unter die fünf Prozent gerutscht, Wagenknecht hat an Beliebtheit bei den eigenen Anhängern eingebüßt. Die Linke steht zwar auch nur bei vier Prozent. Aber für sie ist das Glas halb voll, nicht halb leer. Sie tritt wieder geschlossener auf. "Wir haben die Streitlaterne an die SPD weitergereicht", sagt Bartsch. Beim Parteitag neulich in Halle wählten die Delegierten eine neue Spitze. Jan van Aken und Ines Schwerdtner sollen die Partei in den Wahlkampf führen.

Egal, wer unter ihnen Parteichef ist

Wobei die drei Fast-Rentner Gysi, Ramelow und Bartsch ihren weitgehend unbekannten Vorsitzenden zumindest an diesem Mittwoch gnadenlos die Show stehlen. Es kann den Dreien auch egal sein, wer unter ihnen Parteichef ist. Was van Aken und Schwerdtner vermutlich nicht einmal bedauern. Wer mit dem Rücken zur Wand steht, muss alles versuchen. Also sollen es die Alten noch einmal richten. Wie die drei da so sitzen, hat das etwas von einer alten Band, die noch einmal auf Tour gehen will - auf Wahlkampftour. Gewissermaßen hat Gysi sie wieder zusammengebracht. Seit Jahren arbeite er mit Ramelow und Bartsch zusammen, viele Krisen habe man überstanden, meint er. Mit seinen Brüdern im Geiste will er nun also den Linken-Blues vertreiben. Im Programm haben sie die Greatest Hits der Linken.

Auf sechs Themen wollten sie sich beschränken, sagt Gysi, die da wären: Steuergerechtigkeit, Frieden, Migration, ökologische Nachhaltigkeit, Gleichstellung von Frau und Mann sowie von Ost und West. Die Kurzfassung: Die Steuern für Reiche rauf, Bürgerversicherung statt privater Krankenversicherung, keine Aufrüstung der Bundeswehr, in der Migrationspolitik den Ball flach halten und sie nicht zum Hauptproblem erklären. Bartsch sagt einen typischen Linken-Satz: "Es kann nicht sein, dass die Kinderarmut und zugleich die Zahl der Milliardäre in Deutschland steigt."

Ramelow sagt, er wolle das Thema innere Sicherheit ansprechen. Für ihn gehe es dabei aber nicht um Militär, Polizei oder andere Sicherheitsorgane. Sondern um die Frage von Arm und Reich, konkret um die Angst davor, Kinder zu bekommen oder vor Altersarmut. Ein Schlüssel für ihn: kostenlose Bildung und Betreuung. In Thüringen seien 96 Prozent der Kinder im Kindergarten, und die Kitas seien zehn Stunden am Tag geöffnet. "Das soll gesamtdeutsche Wirklichkeit werden", fordert er.

Mit Ostdeutschland ist es so eine Sache. Geht es nach den Wahlergebnissen, hat die AfD die Linke als Stimme des Ostens längst abgelöst. Gysi widerspricht dem allerdings: "Die Alternative für Deutschland ist nicht die Stimme des Ostens. Das sind Rassisten. Die benutzen den Osten für ihre Zwecke. Die wirklichen ostdeutschen Interessen vertreten wir." Dies den Ostdeutschen klarzumachen, wird noch harte Arbeit. Bei den Landtagswahlen verlor die Linke in Sachsen 5,9 Prozent, in Brandenburg 7,7 und in Thüringen 17,9 Prozent.

Der Seniorenexpress macht sich auf

Aber zum Glück, aus Linken-Sicht, gibt es ja die Grundmandatsklausel. Die drei Wahlkreise, in denen Gysi, Ramelow und Bartsch kandidieren, sind jedoch keineswegs Selbstläufer. Die besten Chancen hat Gysi im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick. Seit der Wahl 2005 gewann er dort jedes Mal das Direktmandat. Ramelow hat es im Wahlkreis Erfurt-Weimar schon schwerer. Dort gewann 2021 die SPD-Kandidatin mit großem Vorsprung. Der Ministerpräsident setzt auf seine Beliebtheit. Dass er sein Landtagsmandat zuletzt direkt gewann, nimmt er als Ermutigung. "Es gibt die Botschaft, dass sich der Seniorenexpress aufmacht und wir uns einmischen", sagt Ramelow.

Bartsch wurde 2021 in seinem Wahlkreis in Rostock nur Zweiter, mit 18,2 Prozent. Die SPD-Kandidatin holte 27 Prozent. Beim letzten Mal sei er ja Spitzenkandidat der Linken gewesen, sagt Bartsch. Da habe er in ganz Deutschland Wahlkampf gemacht. Jetzt könne er sich viel stärker auf seinen Wahlkampf konzentrieren. Ob das für einen Direktsieg reicht, ist die Frage. Immerhin ruhen nicht alle Hoffnungen auf den drei Alten. In Leipzig gewann Sören Pellmann, 47, das Direktmandat und will es nun verteidigen. Den Wahlkreis Berlin-Lichtenberg gewann 2021 Gesine Lötzsch für die Linke. Für sie tritt nun die neue Parteichefin Ines Schwerdtner an. Die 35-Jährige dürfte ebenfalls gute Chancen haben.

Ob nun aus der "Mission Silberlocke" mehr wird als eine teilweise launige Pressekonferenz? Sehen wir diese Rentner-Gang jetzt öfter? Machen sie nur Politik für andere Silberlocken? "Den optischen Teil können wir nicht aus der Welt schaffen", sagt Bartsch. Aber für Ökologie und Feminismus wollen sie sich auch einsetzen. Mit jungen Leuten an ihrer Seite. "Wir werden getrennte Wohnungen behalten", bemerkt Gysi trocken. Dann sagen er und Bartsch, wie schwer es sei, einen gemeinsamen Termin zu finden. Mal werde man schon gemeinsam auftreten, aber auch viel allein. Schade eigentlich.

Quelle: ntv.de

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