Anhörung drei Tage vor Wahlen? Nächste Klage gegen Erdogan-Gegner Imamoglu
11.01.2023, 20:48 Uhr Artikel anhören
Imamoglu lässt sich nach seiner Wahl ins Amt des Istanbuler Oberbürgermeisters im Juni 2019 im Stadtteil Beylikdüzü feiern.
(Foto: picture alliance / AA)
In der Türkei häufen sich vor den im Juni anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen Gerichtsentscheidungen sowie Klagen gegen die Opposition. Ein zweites Mal trifft es einem Bericht zufolge nun Istanbuls Oberbürgermeister Imamoglu.
Rund fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei droht einem Medienbericht zufolge dem aussichtsreichsten Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Prozess wegen angeblichen Betrugs. Türkische Behörden haben gegen den Bürgermeister von Istanbul und CHP-Politiker Ekrem Imamoglu eine Klage eingereicht, wie der TV-Sender Habertürk berichtet. Sie werfen dem Politiker vor, zu seiner Zeit als Bürgermeister des Bezirks Beylikdüzü bei einer öffentlichen Ausschreibung im Jahr 2015 betrogen zu haben. Bei einer Verurteilung drohen Imamoglu bis zu sieben Jahre Haft.
Imamoglu erklärte auf Twitter, dass die Angelegenheit bereits vor Jahren untersucht und die Überprüfung abgeschlossen worden sei, ohne dass es irgendein Problem gegeben hätte. Diejenigen, die "unbedingt eine Schuld an uns finden wollen", hätten die Angelegenheit nun an die Justiz weitergeleitet, so Imamoglu.
Gerichtsanhörung wohl drei Tage vor Wahlen
Die Anhörung vor Gericht ist dem Bericht zufolge für den 15. Juni vorgesehen, also drei Tage vor dem vermutlichen Termin der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 18. Juni, für die Imamoglu als aussichtsreicher Kandidat der Opposition gehandelt wird. Die Opposition hat bisher keinen offiziellen Spitzenkandidaten für die Wahlen.
Neben Imamoglu wird der Chef der sozialdemokratischen CHP, Kemal Kilicdaroglu, noch als ein möglicher Herausforderer gehandelt, sowie der Parteikollege Mansur Yavas, der Oberbürgermeister in Ankara ist. Imamoglu kommt zugute, dass er sowohl junge, urbane Schichten als auch religiöse Menschen bisher ansprechen konnte.
Erst im Dezember hatte ein Gericht Imamoglu zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Die Richter untersagten ihm zudem politische Tätigkeiten. Das Urteil erging wegen Beleidigung von Amtsträgern, er hatte die Wahlleiter bei der Istanbuler Kommunalwahl 2019 als "Narren" bezeichnet. Das Urteil eines Berufungsgerichts steht noch aus.
Es hagelt Prozesse und Urteile
Es ist nicht das einzige Urteil, das der Opposition derzeit die Vorbereitung auf die Wahlen schwer macht. So war der CHP-Vorsitzende Kilicdaroglu erst im November wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen ein umstrittenes "Desinformations"-Gesetz angeklagt worden. Vor etwa einer Woche schloss ein Gericht zudem die oppositionelle pro-kurdische Partei HDP wegen des Vorwurfs der "Verbindungen zum Terrorismus" vorerst von der staatlichen Parteienfinanzierung aus.
Der Ausgang der Präsidentenwahl in diesem Jahr hängt davon ab, ob es der CHP und anderen Oppositionsparteien gelingt, sich auf einen gemeinsamen und dann auch chancenreichen Kandidaten zu einigen. Erdogan regiert mit seiner konservativen AKP die Türkei seit zwei Jahrzehnten. Kritiker werfen dem Präsidenten einen zunehmend autoritären Kurs vor. Tausende Regierungsgegner sind in Haft oder haben ihren Arbeitsplatz verloren. Zudem gilt die türkische Justiz als parteiisch.
Quelle: ntv.de, mpe/rts