24 Jahre nach Angriff Neonazi-Opfer Noel Martin gestorben
15.07.2020, 14:16 Uhr
Noel Martin kehrte 2001 noch einmal nach Mahlow, zum Ort des Anschlags, zurück.
(Foto: imago images/Peter Homann)
Im Juni 1996 werfen Rechtsradikale Steine auf seinen Wagen und drängen ihn von der Straße ab. Noel Martin prallt gegen einen Baum und überlebt, doch sein Körper bleibt querschnittgelähmt. Fortan kämpft der Brite gegen Rassismus und für Toleranz. Nun ist er im Alter von 60 Jahren gestorben.
Der Brite Noel Martin ist 24 Jahre nach einem Neonazi-Überfall gestorben. Der Mann, der seit dem Angriff in Brandenburg querschnittsgelähmt war, starb am Dienstag im Alter von 60 Jahren in seiner britischen Heimatstadt Birmingham in einem Krankenhaus, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg unter Berufung auf seine Pflegerin berichtet.
Der gebürtige Jamaikaner und frühere Bauunternehmer Martin war am 16. Juni 1996 in der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow gemeinsam mit Arbeitskollegen von jungen Rechtsradikalen angegriffen worden. Nach einem Steinwurf auf seinen Wagen kam der damals 36-Jährige von der Straße ab und prallte gegen einen Baum. Seitdem war Martin vom Hals ab querschnittsgelähmt und saß im Rollstuhl.
"Nenn es: mein Leben" überschrieb Martin 2007 seine Biografie. Darin schilderte er sein Leben: vom Kind armer Eltern in Jamaika über das Migrantendasein in Großbritannien, auch mit rassistischen Anfeindungen. Er arbeitete sich bis zum erfolgreichen Bauunternehmer hoch. In Mahlow baute er dann bis zu dem Anschlag Wohnhäuser mit. "Ich habe meine Würde verloren", bezeichnete er in dem Buch seine Situation. Der kräftige Mann musste fortan rund um die Uhr von Pflegerinnen umsorgt werden. Viele offene Wunden quälten ihn. Mit einer Hebevorrichtung musste er in den Rollstuhl gehoben werden, wo er aber wegen Schmerzen kaum sitzen konnte.
2007 kündigte er an, sich an seinem 48. Geburtstag selbst zu töten. Er wollte damals in die Schweiz fahren und mit einem Strohhalm ein Gift zu sich nehmen. Freunde konnten ihn dann davon abhalten. 2012 wurde er in seinem Haus in Birmingham von drei bewaffneten Männern überfallen. Sie zwangen die Pfleger, den Safe zu öffnen. Das erbeutete Geld war für die Wartung seines Rollstuhls gedacht.
Täter inzwischen auf freiem Fuß
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigt sich bestürzt über Martins Tod. Er habe "nach dieser schrecklichen Tat die Kraft gefunden, vor allem Jugendliche vor Rassismus und Rechtsextremismus zu warnen", erklärt Woidke. Der SPD-Politiker erinnert daran, dass Martin im Sommer 2001 nach Mahlow zurückgekehrt war, "um eine Demonstration gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anzuführen". "Die jüngsten Ereignisse etwa in Halle oder Hanau zeigen eindrücklich, wie wichtig und notwendig dieses Engagement ist", betont Woidke.
"Dieser Tod macht betroffen und zornig", erklärt auch der brandenburgische Linken-Fraktionschef Sebastian Walter. Martins Tod zeige, dass Rassismus schon immer zu Taten führte, mahnte Walter.
Die beiden Täter waren damals vom Landgericht Potsdam wegen gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr und schwerer Körperverletzung zu Haftstrafen von acht und zwölf Jahren verurteilt worden. Sie sind inzwischen wieder auf freiem Fuß.
Auf Martins Initiative hin und mit Mitteln der Landesregierung wurde 2003 der Noel-und-Jacqueline-Martin-Fonds gegründet, der auch den Namen seiner im Jahr 2000 an Krebs gestorbenen Frau trägt. Sie hatte ihn bis zu ihrem Tod gepflegt. Der Fonds wurde 2008 in eine Stiftung umgewandelt, die die interkulturelle und antirassistische Begegnung von Jugendlichen aus Deutschland und England fördert.
Quelle: ntv.de, chf/dpa/AFP