Koalition will Wahlrecht ändern Niedrigere Hürden für Kleinparteien geplant
27.04.2021, 19:28 Uhr
Bevor die Wählerinnen und Wähler im September ihr Kreuz machen können, soll das Wahlrecht zugunsten von Kleinparteien geändert werden.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im September stehen nicht nur die etablierten Parteien zur Wahl: Es buhlen auch Kleinparteien um Stimmen. Trotz Pandemie müssen sie Hürden wie die notwendige Zahl an Unterschriften nehmen. Das hat das Verfassungsgericht entschieden. Doch die GroKo arbeitet wohl bereits an Erleichterungen.
Die Große Koalition will nach Angaben der Union angesichts der Corona-Pandemie das Wahlrecht zugunsten von Kleinparteien ändern. "Die Koalitionsfraktionen haben miteinander vereinbart, alsbald einen eigenen Gesetzentwurf zur Herabsetzung der Unterschriftenquoren einzubringen", sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Heveling von der CDU, dem "Spiegel". "Die Einzelheiten dazu werden derzeit abgestimmt." Heveling äußerte sich dem Magazin zufolge unabhängig von der heute veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die Klage zweier Kleinparteien zum gleichen Thema verworfen hatte.
Wenn sich Parteien zur Wahl stellen, die aktuell keine fünf Abgeordneten im Bundestag oder einem Landtag haben, müssen sie dafür bis zu 2000 Unterschriften von wahlberechtigten Unterstützern pro Landesliste und je 200 pro Direktkandidat einreichen. Solche Unterschriften werden üblicherweise vor allem in Fußgängerzonen gesammelt. Wegen der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, etwa Geschäftsschließungen, ist dies enorm erschwert.
Kleinparteien haben mit den Grünen große Unterstützer
Den "vagen Ankündigungen von Union und SPD, jetzt doch noch aktiv werden zu wollen, müssen jetzt Taten folgen", sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, dem "Spiegel". Es sei "eine Frage der Fairness, dass für kleinere Parteien die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Bundestagswahl auch während der Corona-Pandemie erfüllbar sein müssen".
Haßelmann verwies auf einen eigenen Gesetzentwurf ihrer Fraktion, der vergangene Woche in den Bundestag eingebracht worden war. Er sieht eine Absenkung der Unterschriftenquoren auf 30 Prozent des bisher geltenden Wertes vor.
Auch die FDP zeigte sich offen für eine Änderung des Wahlgesetzes. Der Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte dem "Spiegel", "um einen rechtssicheren Ablauf der Bundestagswahl zu gewährleisten, sollte der Bundestag nun eine moderate Absenkung der erforderlichen Anzahl an Unterstützungsunterschriften prüfen". Gleichzeitig aber sollten die betroffenen Parteien "im Rahmen der Möglichkeiten" weiterhin Unterschriften sammeln.
Karlsruhe kippt Klage von Kleinparteien
Das Bundesverfassungsgericht wies Klagen der Bayernpartei und der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) gegen die zur Zulassung zur Bundestagswahl notwendige Zahl an Unterstützungsunterschriften zwar zurück, da die Anträge der beiden Parteien nicht ausreichend begründet seien, teilte das Gericht in Karlsruhe mit. Es wies aber auch in seiner Entscheidung bereits darauf hin, dass die Unterschriftenquoren wegen der Pandemie überprüft werden müssen.
Die beiden klagenden Parteien hätten hinreichend erläutert, dass die geltenden Kontaktbeschränkungen die Rahmenbedingungen veränderten, erklärte das Verfassungsgericht. Es sei offenkundig, dass das Sammeln von Unterschriften erheblich erschwert sei. Die Klägerinnen hätten jedoch nicht ausreichend begründet, dass die notwendige Unterschriftenzahl darum verpflichtend ausgesetzt oder abgesenkt werden müsse. Allerdings sei der Gesetzgeber gehalten zu prüfen, ob die unveränderte Beibehaltung dieser Quoren weiterhin erforderlich sei.
Vor anderen Wahlen in der Pandemie wurden die Zugangsvoraussetzungen für kleine Parteien bereits erleichtert. Vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März beschloss der Landtag, das Quorum zu senken. Der Verfassungsgerichtshof in Koblenz wies die Klage einer kleinen Partei zur noch stärkeren Absenkung zurück.
Anders in Baden-Württemberg: Dort verpflichtete erst der Verfassungsgerichtshof in Stuttgart den Landtag dazu, das Quorum zu senken. Das Berliner Abgeordnetenhaus beschloss von selbst niedrigere Hürden für kleine Parteien vor der im September anstehenden Wahl. Der Verfassungsgerichtshof entschied jedoch in diesem Fall, dass das Quorum noch weiter abgesenkt werden müsse.
Quelle: ntv.de, joh/AFP