Geldsorgen in Pjöngjang? Nordkorea macht ein Dutzend Botschaften dicht
26.11.2023, 14:33 Uhr Artikel anhören
Die nordkoreanische Botschaft in Berlin ist von der Schließungswelle nicht betroffen.
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Nordkorea betreibt mehr als 50 Botschaften in aller Welt. Mehrere Auslandsvertretungen werden geschlossen. Das Regime verkauft es als Neuausrichtung, tatsächlich aber geht dem Land das Geld aus. Die gute Nachricht für Pjöngjang: Die wichtigen Partner sind ohnehin China und Russland.
In 53 Ländern hat Nordkorea eigene Botschaften - wenig überraschend in China und Russland, wichtige Partnerländer Nordkoreas, und auch in Syrien, Kuba oder dem Iran. Aber in Deutschland hat Nordkorea ebenfalls eine Repräsentanz. Auf dem Botschaftsgelände in Berlin-Mitte betrieb das Regime jahrelang außerdem ein Hostel. Ein Jahr später - 2018 - wurde dem Betrieb das Licht ausgeknipst. Eine Klage der Betreiber dagegen hatte das Berliner Verwaltungsgericht zwei Jahre später abgewiesen.
Die Botschaft als solche gibt es in Berlin immer noch, viele andere auf der Welt werden jetzt aber geschlossen. Nordkorea will bis zu zwölf Botschaften in aller Welt dicht machen. Das wäre fast jede vierte Repräsentanz im Ausland - selbst bei guten Verbündeten der Vergangenheit schließt das Regime die Botschaftstüren, zum Beispiel in Angola und Uganda.
Das Regime verkauft den Exodus als einen "Veränderungsprozess". Ziel sei es, "diplomatische Kapazitäten effizienter" zu gestalten, teilte das nordkoreanische Außenministerium Anfang dieses Monats mit.
Tatsächlich scheinen aber massive Geldprobleme die Ursache zu sein. Zwar werden die Auslandsbotschaften nicht direkt aus Pjöngjang bezahlt, sondern finanzieren sich durch Devisengeschäfte im Bau- und IT-Sektor, auch durch Schmuggel, Geldwäsche oder sonstige illegale Geschäfte. Die westlichen Sanktionen erschweren es dem Regime von Führer Kim Jong Un immer mehr, sich finanziell über Wasser zu halten. Dadurch seien "die Devisengeschäfte ins Stocken geraten", behauptet das südkoreanische Verteidigungsministerium.
"Außenpolitische Umwälzung"
In einem Briefwechsel mit der Kommunistischen Partei Spaniens hat Pjöngjang die finanziellen Schwierigkeiten indirekt bestätigt. Sanktionen von EU und USA seien jedenfalls der Grund für die Schließung der nordkoreanischen Vertretung in Madrid, teilte das Regime mit.
Ansonsten sollen von der nordkoreanischen Schließungswelle vor allem Botschaften in Afrika und die Repräsentanz in Hongkong betroffen sein. Das hat unter anderem die japanische Zeitung "Yomiuri Shimbun" berichtet. Die auf Nordkorea spezialisierte Plattform "NK Pro" erwartet "eine der größten außenpolitischen Umwälzungen des Landes seit Jahrzehnten".
Welchen Einfluss die Sanktionen haben können, zeigt sich gut am Beispiel Angola. Die Regierung in Luanda hatte 2017 die Zusammenarbeit mit einem nordkoreanischen Bauunternehmen gestoppt und die Bauarbeiter wurden zurück nach Hause geschickt.
Angolas Regierung wollte damit offenbar verhindern, die Sanktionen zu brechen. Hätte sie trotzdem weiter mit Nordkorea eng zusammengearbeitet, wäre sie möglicherweise international isoliert worden.
Nordkorea selbst spielt die Schließungen herunter. Es sei das Recht eines jeden souveränen Landes, seine diplomatischen Prioritäten neu zu bewerten. Das Aus für die Botschaften diene der "Förderung nationaler Interessen in den Außenbeziehungen", verkündete das nordkoreanische Außenministerium.
Im Klartext bedeutet das mutmaßlich, dass Nordkorea auf seine wenigen großen Verbündeten setzen möchte. Das Kim-Regime werde seine sogenannte "neue Kalter-Krieg-Diplomatie" stärken, erwartet etwa der südkoreanische Politologe Cho Han-Bum im "Guardian". Nordkorea setze den Fokus darauf, die Zusammenarbeit mit Ländern wie China, Russland, Syrien, Iran und Kuba weiter zu intensivieren.
Treffen mit Putin, Geschäfte mit Peking
Vor allem zu Moskau hat Nordkorea zuletzt seine Fühler ausgestreckt. Im September traf sich Staatschef Kim auf dem Weltraumbahnhof Wostotschny persönlich mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Sie vereinbarten, dass Nordkorea den Russen Munition für den Krieg in der Ukraine liefert und der Kreml im Gegenzug Hilfe beim Raumfahrtprogramm der Kim-Diktatur leistet.
Auch zu China wurden in den vergangenen Monaten die Beziehungen verstärkt. "In dem Moment, wo die Chinesen für sich entscheiden, dass sie vor einem Konflikt mit den USA nicht mehr weglaufen, würde es Nordkorea eigentlich reichen, wenn die Chinesen ihnen ihren Markt und ihr Finanzsystem öffnen würden", sagte Nordkorea-Experte Rüdiger Frank von der Universität Wien im ntv-Podcast "Wieder was gelernt" bereits vor drei Jahren. "Das Land ist klein genug. Und China ist groß genug, um alles zu liefern, was die Nordkoreaner an Nachfrage und Importen für einen Wirtschaftsaufschwung brauchen."
Die Strategie von Pjöngjang ist es, die wirtschaftlichen Beziehungen mit Peking und Moskau weiter zu verbessern, um auf diesem Weg zu überleben. Die Weltlage kann Kim Jong Un bei diesem Vorhaben helfen. Weil vor allem Russland durch den Ukraine-Krieg wichtige westliche Handelspartner verloren hat, steigt die Bedeutung verbleibender Partnerländer wie Nordkorea automatisch.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de