Kritik an "verschlossenen Türen" Papst wendet sich bei Messe erneut gegen Orbans Politik
30.04.2023, 13:24 Uhr Artikel anhören
"Füreinander offen und integrierend sein, um Ungarn zu helfen, in der Geschwisterlichkeit zu wachsen, die der Weg des Friedens ist", sei das Gebot der Stunde.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Der Besuch des Papstes in Ungarn dürfte für Regierungschef Orban eine Zeit des Missvergnügens sein. Bei beinahe jeder sich bietenden Gelegenheit mahnt das Kirchenoberhaupt Nächstenliebe und Hilfe für Flüchtlinge und Fremde an. Dies sei der Weg des Friedens, sagt er vor 50.000 Menschen.
Papst Franziskus hat bei einer Heiligen Messe in der ungarischen Hauptstadt Budapest die Gläubigen zur Offenheit aufgefordert. Es sei traurig und tue weh, "verschlossene Türen gegenüber Menschen zu sehen", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Morgen während der Messe auf dem Kossuth-Platz. Er kritisierte vor allem die "verschlossenen Türen gegenüber Fremden, den Anderen, den Migranten, den Armen". "Bitte: Öffnen wir die Türen", sagte er vor Tausenden Gläubigen. Er erinnerte auch an diejenigen, die in Leid und in Armut leben oder "aus der Reihe tanzen". Rund 50.000 Menschen verfolgten offiziellen Angaben zufolge die Messe.
"Füreinander offen und integrierend sein, um Ungarn zu helfen, in der Geschwisterlichkeit zu wachsen, die der Weg des Friedens ist", sei das Gebot der Stunde, sagte er. Seine Äußerungen in Ungarn waren mit Spannung erwartet worden. Die Worte des 86-jährigen Papstes können als Kritik am ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban verstanden werden, der die Einwanderung von Migranten ablehnt und deswegen Zäune an der Grenze zu Serbien errichten ließ.
Nach dem Gebet erwähnte Franziskus erneut den Frieden und erinnerte an das "gepeinigte ukrainische Nachbarvolk und das russische Volk". Er plädierte für eine "Zukunft der Hoffnung und nicht des Krieges" und eine "Welt der Geschwisterlichkeit und nicht der Mauern".
Treffen mit ukrainischen Flüchtlingen
Auf dem Platz vorm ungarischen Parlament fanden rund 25.000 Menschen Platz. Tausende Gläubige verfolgten die Messe auch außerhalb des Areals auf Großbild-Leinwänden. An der Messe nahm zudem die ungarische Staatsspitze teil - Staatspräsidentin Katalin Novak sowie Ministerpräsident Orban saßen im Publikum. Anwesend war ebenso der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karacsony, den der Papst am Vortag noch empfangen hatte. Der grün-liberale Karacsony ist ein wichtiger politischer Gegenspieler des rechtspopulistischen Orban.
Unter Jubel und Applaus wurde Franziskus in seinem berühmten Papamobil zuvor durch die Reihen der Besucher und Gläubigen gefahren. Er begrüßte die Anwesenden und küsste und segnete auf dem Weg einige Babys, die ihm in das Papamobil gereicht wurden. Die Messe bildete den feierlichen Abschluss seines Ungarn-Besuchs. Am Nachmittag wird der Papst seinen Besuch mit einer Rede in einer privaten katholischen Universität in Budapest vor Vertretern aus Kultur und Wissenschaft beenden.
Der zweite Besuch des Papstes in Budapest war geprägt vom Krieg in der benachbarten Ukraine. An der Begegnung mit dem Papst in der St.-Elisabeth-Kirche nahmen rund 600 Flüchtlinge - hauptsächlich aus der Ukraine - sowie arme Menschen teil, während draußen etwa 1000 weitere versammelt waren. Bei einem Treffen dankte der Pontifex Ungarn für die Aufnahme der Menschen und warnte vor den "Übeln der Gleichgültigkeit". Bereits am Freitag hatte Franziskus in einer Rede im Beisein Orbans vor einem zunehmenden Nationalismus gewarnt und zur Rückbesinnung auf den "europäischen Geist" aufgerufen. Europa müsse "sichere und legale" Wege bei der Aufnahme von Flüchtlingen finden und "Offenheit gegenüber Anderen zeigen".
Es ist die 41. Auslandsreise des Papstes seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 und sein erster Auslandsbesuch nach einem dreitägigen Krankenhausaufenthalt wegen einer Bronchitis.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa