Gefahr durch China und Russland Pistorius will 35 Milliarden für Sicherheit und Abschreckung im All
25.09.2025, 14:23 Uhr Artikel anhören
"Sie können Satelliten stören, blenden, manipulieren oder kinetisch zerstören", sagt Pistorius über Chinas und Russlands Fähigkeiten im All.
(Foto: dpa/Annette Riedl)
Verteidigungsminister Pistorius warnt vor einer wachsenden Bedrohung durch Russland und China im All. Schon heute seien Systeme der Bundeswehr von Störangriffen betroffen. Mit einem milliardenschweren Sicherheitspaket soll Deutschlands Infrastruktur im Weltraum geschützt werden.
Die Bundesregierung will nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius bis 2030 insgesamt 35 Milliarden Euro für Weltraumprojekte und eine Sicherheitsarchitektur im All bereitstellen. Als Ziel des Programms nannte der SPD-Politiker in Berlin eine belastbare Struktur aus Satellitenkonstellationen, Bodenstationen, gesicherten Startfähigkeiten ins All und den nötigen Services. Er kündigte ein Gesamtpaket an, "das Schutz und Wirkung gleichermaßen gewährleistet".
Diese Architektur werde eine ganze Reihe von Maßnahmen umfassen, sagte Pistorius beim Weltraumkongress des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). "Wir härten unsere Systeme gegen Störungen und Angriffe. Das schließt ganz ausdrücklich die Cybersicherheit für alle Weltraumsysteme ein." Zudem werde die Lageerfassung im Orbit durch Radare, Teleskope und den zukünftigen Einsatz von Wächtersatelliten verbessert. Zusätzlich müssten Redundanzen durch mehrere, vernetzte Satellitenkonstellationen geschaffen werden.
"Auch im Weltraum müssen wir abschrecken können"
Pistorius sprach sich dafür aus, dass auch über Offensivfähigkeiten gesprochen werden müsse - also darüber, im Weltall notfalls auch militärisch wirksam zu sein oder gar angreifen zu können. "Auch im Weltraum müssen wir abschrecken können, um verteidigungsfähig zu sein", sagte Pistorius. Deutschland brauche außerdem gesicherte, verfügbare Transportkapazitäten ins All: "Hier setzen wir auf einen Mix: kleine Trägerraketen für flexible Starts, mittelfristig aber auch europäische Schwerlastträger, die im Wettbewerb entstehen - und vor allem bestehen müssen."
Im Weltraumkommando der Bundeswehr werde ein eigenes militärisches Satelliten-Betriebszentrum nötig sein. Pistorius sagte: "Nur so behalten wir die Kontrolle über unsere Systeme und können im Ernstfall schnell reagieren."
Pistorius warnte vor einer Bedrohung durch Russland und China. "Sie können Satelliten stören, blenden, manipulieren oder kinetisch zerstören", so der SPD-Politiker. "Im Weltraum gibt es keine Grenzen oder Kontinente. Dort sind Russland und China unsere direkten Nachbarn." Die Konflikte der Zukunft beschränkten sich nicht mehr allein auf den Erdball, sondern würden auch im Orbit offen ausgetragen. Russland und China besetzten bereits "wichtige strategische Hügel und Berge im All".
Pistorius: Russische Satelliten verfolgen Bundeswehr-Systeme
Bereits heute seien Systeme der Bundeswehr von Störangriffen betroffen, erklärte Pistorius. Aktuell würden zwei auch von der Bundeswehr genutzte IntelSat-Satelliten durch zwei russische Aufklärungssatelliten verfolgt. Pistorius zufolge führt China zudem mit seinen Weltraumsystemen "hochagile und dynamische Annäherungsmanöver" durch.
"Würden wir diese taktischen Verfahren auf die Luftwaffe übertragen, könnten wir von Luftkampfübungen sprechen", sagte der Minister. Allein während seiner Rede würden 39 chinesische und russische Aufklärungssatelliten Deutschland überfliegen. Schon vor dem Angriff auf die Ukraine habe ein russischer Cyberangriff auf das Satellitennetzwerk "ViaSat" auch in Deutschland die Steuerung von knapp 6000 Windrädern massiv eingeschränkt.
BDI warnt vor Abhängigkeiten
Wie Pistorius dringt auch der BDI auf eine Aufholjagd Deutschlands und Europas im All. "Raumfahrt ist in einer geopolitisch unsicheren Welt weit mehr als Technologie - sie ist notwendige sicherheitsrelevante Infrastruktur. Wer keine eigenen Weltraumfähigkeiten besitzt, ist abhängig und verwundbar", betonte BDI-Präsident Peter Leibinger vor dem Weltraumkongress des Verbandes.
Laut einer vom BDI in Auftrag gegebenen Studie der Unternehmensberatung Roland Berger "Aufholjagd im All" ist der Rückstand mittlerweile sehr groß. Deutschland betreibe derzeit nur etwas mehr als 80 eigene Satelliten, die USA dagegen mehr als 10.000 und China mehr als 900. Bei beiden Ländern sei die Tendenz stark steigend. Dadurch entstünden problematische Abhängigkeiten, etwa bei der Satellitenkommunikation. Dabei seien Satelliten heute für die Volkswirtschaften, Logistik, Mobilität und die Verteidigungsfähigkeit entscheidend. Der globale Markt für weltraumgestützte Infrastruktur und Dienste wird sich laut Roland-Berger-Studie bis 2040 vervierfachen, auf ein Volumen von zwei Billionen Euro.
Um den aktuellen europäischen Marktanteil von rund 17 Prozent im wachsenden Weltraum-Markt zu halten, wären bis 2040 zusätzliche Investitionen in Höhe von etwa 237 Milliarden Euro notwendig. Der BDI fordert deshalb nicht nur, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von Raumfahrt in Deutschland deutlich wachsen müsse. Die Industrie brauche zudem Staatsaufträge und Investitionen.
Quelle: ntv.de, jpe/gri/dpa/rts