Politik

Umstrittener US-Botschafter Plötzlich ist Richard Grenell ganz zahm

Schwieriger Start: Der neue US-Botschafter Richard Grenell ist erst seit Mai im Amt.

Schwieriger Start: Der neue US-Botschafter Richard Grenell ist erst seit Mai im Amt.

(Foto: AP)

Der neue US-Botschafter Richard Grenell ist kaum im Amt, da überrascht er mit forschen Aussagen. Die deutsche Politik reagiert empört, daraufhin signalisiert der Amerikaner Reue. Ein Ausrutscher?

Richard Grenell ist noch keine vier Wochen US-Botschafter in Berlin und schon knirscht es mächtig im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Völlig überraschend ist das nicht. Der 51-Jährige stand in den USA vor seiner Nominierung wegen verschiedener Aussagen in der Kritik. Sein Auftreten als Diplomat ist mehr als ungewöhnlich. Grenell sieht sich offensichtlich nicht nur als Vertreter seines Landes, sondern als Repräsentant einer noch zu gründenden rechtspopulistischen Internationale. Er löste in dieser Woche einen mittelschweren diplomatischen Eklat aus. Auslöser war ein Interview, das Grenell am Wochenende ausgerechnet der rechten US-Internetplattform Breitbart gegeben hatte. "Es gibt viele Konservative in ganz Europa, die mich kontaktiert und mir gesagt haben, dass sie das Gefühl haben, derzeit laufe eine Wiederauferstehung", sagte Grenell darin. "Ich will auf jeden Fall andere Konservative überall in Europa unterstützen, andere Führer", so der Botschafter. "Ich glaube, es gibt ein Anschwellen konservativer Politik wegen der gescheiterten Politik der Linken."

Regierungssprecher Steffen Seibert weigerte sich am Montag, Grenells Äußerungen zu kommentieren. Ein Journalist wies darauf hin, es sei doch gut für die Kanzlerin, wenn der US-Botschafter "Konservative pushen will". Seibert sagte dazu nur: "Wie vieles andere haben wir auch diese Aussagen zur Kenntnis genommen und kommentieren sie ansonsten nicht." Trotz der einsilbigen Antwort war die Frage klug gestellt. "Konservativ" meint in den USA mittlerweile etwas völlig anderes als in Europa. Ein Sprecher von Außenminister Heiko Maas erklärte: "Wir haben die US-Seite um Aufklärung gebeten, ob die Äußerungen tatsächlich in der Form so gefallen sind, wie sie wiedergegeben wurden."

Andere Reaktionen fielen weniger diplomatisch aus. Der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz, der fast Bundesaußenminister geworden wäre, schrieb auf Twitter, Grenell verhalte sich "wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier". Er forderte die Ablösung Grenells. "Wenn der deutsche Botschafter in Washington sagen würde, ich bin hier, um die Demokraten zu stärken, dann würde er sofort rausgeschmissen." Jürgen Chrobog, zwischen 1995 und 2001 deutscher Botschafter in den USA, warf Grenell schweres Fehlverhalten vor. Er habe "den schlechtesten Start" gehabt, den je ein US-Botschafter in Deutschland hatte, sagte Chrobog im ZDF. Den Grundsatz, sich im Gastland nicht in die inneren Angelegenheiten einzumischen, habe Grenell mit seiner Parteinahme für rechte Kräfte "sträflich vernachlässigt", kritisierte Chrobog. "Ich glaube, er wird eine schwierige Zeit haben in Deutschland."

"Schlimmste Befürchtungen übertroffen"

Auch Roderich Kiesewetter, Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, zeigte sich "erschrocken", die Aussagen des US-Botschafters passten jedoch in Trumps Narrativ. Der Posten sei ein Jahr verwaist gewesen, so Kiesewetter, dementsprechend groß seien die Erwartungen. Als Botschafter habe Grenell vor allem drei Aufgaben: die Stimmung in Deutschland aufzunehmen, Verständnis für die amerikanische Politik zu vermitteln und sich für Verbesserung des transatlantischen Verhältnisses einzusetzen. In der Diplomatie gibt es verschiedene Instrumente, um Unmut über das Verhalten eines ausländischen Repräsentanten zum Ausdruck zu bringen. Ein Botschafter kann förmlich einbestellt werden, in drastischen Situationen sogar seine Abberufung oder Ausweisung angeordnet werden. Für die Bundesregierung dürfte dies im Fall Grenell keine Option gewesen sein. Nach der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran und dem Streit um Strafzölle für die EU will die Bundesregierung das Verhältnis nicht weiter erschüttern.

Grenells Verhalten ist kein Einzelfall. In den Niederlanden hat der dortige US-Botschafter verlangt, die niederländische Regierung müsse eine aggressivere Haltung gegen Russland einnehmen. Er forderte härtere Sanktionen der EU gegen Russland und verwies dabei ausdrücklich auf die Gaspipeline Nord Stream 2. "Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass Grenell ein Diplomat ist. Trump gestaltet den Staat nach innen und außen radikal um", sagte der US-Experte Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Interview mit n-tv.de. Der US-Präsident setze seine Weltsicht in Strukturen um. "Meine schlimmsten Befürchtungen werden noch übertroffen. Mich beeindruckt allerdings die Geschwindigkeit, mit der das jetzt passiert", sagt Braml.

Die amerikanische Seite reagierte zunächst wenig verständnisvoll auf die Empörung. Grenell widersprach der Kritik bei Twitter: "Legt mir keine Worte in den Mund." Er stehe zu seiner Äußerung, wonach es ein Aufwachen der schweigenden Mehrheit gebe, die die Eliten und ihre Blase ablehnten. "Angeführt von Trump." Das US-Außenministerium stellte sich schützend vor ihn. Botschafter seien "Vertreter des Weißen Hauses, ob es nun diese Regierung oder eine andere ist", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Heather Nauert, am Dienstag, und verwies auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. "Manchmal sind es Ansichten, die die Leute vielleicht mögen oder nicht mögen." Die "New York Times" sah das jedoch anders. Sie kommentierte "Mr. Grenell does not, and should not, represent the United States" und sprach ihm die Fähigkeit zum Botschafter ab.

Grenell "muss erstmal in der Rolle ankommen"

Angela Merkel wollte Grenells Äußerungen in der Regierungsbefragung am Mittwoch nicht kommentieren. Während die Kanzlerin im Bundestag noch Rede und Antwort stand, meldete sich der US-Botschafter erneut zu Wort. Im Interview mit der Illustrierten "Bunte" war er spürbar um Deeskalation bemüht. Grenell bekräftigte darin die transatlantische Freundschaft. Beide Länder spielten im selben Team. "Wir glauben an Demokratie und Menschenrechte. Auch wenn wir mal nicht übereinstimmen, sind wir uns im Grunde sehr nah." Die Kanzlerin lobte er für "ihre Herangehensweise an politische Dinge". Sie erwarte Resultate "und nicht Prunk oder Glamour". Auf einer Doppelseite zeigt die "Bunte" Grenell mit seinem Partner Matt Lashey im Garten seiner Residenz im Berliner Stadtteil Dahlem. Das Hauptstadtbüro der Zeitschrift leitet Daniel Funke, der Ehemann des CDU-Gesundheitsministers Jens Spahn. Die Paare sind gut befreundet, trafen sich zuletzt mehrfach und twitterten gemeinsame Selfies.

Die Entspannungssignale kamen womöglich nicht zufällig. Am Mittwochnachmittag machte Grenells seinen Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt. Dies dient in der Regel dazu, dass die Regierung eines Gastlandes ihre Erwartungen an einen neuen Botschafter formuliert. Nach dem Gespräch mit Staatssekretär Andreas Michaelis hieß es aus dem deutschen Außenamt, der US-Botschafter sei unglücklich über die Reaktionen auf sein Interview. Er wolle "nicht als Parteigänger rechtsgerichteter Kräfte in Deutschland wahrgenommen werden" und bemühe sich um eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern". Das Gespräch habe in einer "offenen Atmosphäre" stattgefunden. Ein Foto, das das Auswärtige Amt nach dem Treffen verbreitete, spricht Bände: Grenell hat ein breites Grinsen aufgesetzt, der deutsche Staatssekretär Michaelis schaut etwas gequält.

War das Ganze ein Vorgeschmack für einen neuen Stil der US-Außenpolitik oder doch nur ein Ausrutscher? Der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter sieht durchaus so etwas wie Reue bei Grenell. "Es klang einsichtig. Ich bin sicher, dass er sich auch intern einiges anhören musste für seine Äußerungen", sagte er n-tv.de. Grenell sei kein gelernter Diplomat. "Er muss erstmal in der Rolle ankommen. Die Zeit sollte man ihm zugestehen."

Quelle: ntv.de

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