Politik

"Diktat aus Berlin" Polen will EU-Gipfel blockieren

Beata Szydlo legt sich quer: Dieser EU-Gipfel wird keine Beschlüsse verabschieden.

Beata Szydlo legt sich quer: Dieser EU-Gipfel wird keine Beschlüsse verabschieden.

(Foto: dpa)

Die Wiederwahl von Ratspräsident Tusk konnte die polnische Regierung nicht verhindern - alle anderen Länder stimmten für ihn. Dafür will Polen nun alle Beschlüsse des laufenden EU-Gipfels verhindern. Die Kanzlerin kritisiert die Blockadehaltung.

Nach dem Scheitern ihres Widerstands gegen die Wiederwahl von EU-Ratspräsident Donald Tusk will Polen die einstimmige Verabschiedung der Gipfel-Ergebnisse verhindern. Das sagte die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo am Rande des Treffens in Brüssel.

Die Nachrichtenagentur AFP hatte zuvor bereits gemeldet, der maltesische EU-Vorsitz wolle nun anstatt der Gipfelschlussfolgerungen aller Staats- und Regierungschefs eine eigene Schlusserklärung veröffentlichen. Ein EU-Vertreter sagte der Agentur zufolge, ein solches Vorgehen wäre seines Wissens "ohne Beispiel" bei einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs.

Allerdings hatten die anderen Gipfelteilnehmer mit einem solchen Schritt schon gerechnet. Wichtig sei nur, dass die Polen am Freitag bei den Beratungen über die Zukunft der EU dabei bleiben, hieß es, bevor die Blockade bekannt wurde.

Am Freitag stehen beim Gipfel in Brüssel Beratungen über die künftige Ausrichtung der EU nach dem Brexit auf dem Programm. Die Staats- und Regierungschefs bereiten dabei ohne Großbritannien eine Erklärung für ihren Sondergipfel am 25. März zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge vor. Die Römischen Verträge gelten als Geburtsstunde der europäischen Integration, die später in die Gründung der Europäischen Union mündete.

"Eine EU unter dem Diktat aus Berlin"

Nach der Wahl des Ratspräsidenten machte die polnische Regierung, wie so oft, Deutschland verantwortlich. "Die Art und Weise, wie es ablief, sagt viel über die EU aus und in welche Richtung sie geht", sagte Polens Außenminister Witold Waszczykowski der rechtsgerichteten polnischen Website wpolityce.pl. "Wir wissen nun, was das ist, eine EU unter dem Diktat aus Berlin".

Ähnlich äußerte sich Jaroslaw Kaczynski, der Chef der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS). Als Unsinn bezeichnete er aber Spekulationen, sein Land werde deshalb die EU verlassen. Kaczynski hat kein Regierungsamt, gilt aber als der starke Mann in Polen.

Bei der Wahl zum Ratspräsidenten hatten 27 der 28 EU-Staaten für Tusk gestimmt – also auch Ungarn, das wie Polen von euroskeptischen Rechtskonservativen regiert wird. Das Zerwürfnis zwischen der polnische Regierung und Tusk, der selbst Pole ist und zwischen 2007 und 2014 polnischer Ministerpräsident war, hat eine längere Vorgeschichte. Tusk kommt als Liberalkonservativer aus einem anderen politischen Lager als die polnische Regierung. Zudem ist er ein Intimfeind von Kaczynski. Der PiS-Chef wirft Tusk eine Art moralische Mitschuld am Tod seines Zwillingsbruders Jaroslaw bei einem Flugzeugabsturz 2010 vor.

Tusk warnt, Merkel kritisiert

Ministerpräsidentin Szydlo hatte zum Auftakt des Gipfels die anderen Staaten davor gewarnt, an Tusk festzuhalten. "Es gibt kein Einverständnis dafür, dass der EU-Ratspräsident, wer auch immer es wird, ohne die Einwilligung seines Herkunftslandes ernannt wird", sagte sie. "Die Länder, die das nicht verstehen, führen zur Destabilisierung."

Tusk warnte sein Heimatland nach seiner Wiederwahl davor, das Verhältnis zur EU nachhaltig zu beschädigen. "Seid vorsichtig, welche Brücken ihr hinter euch abbrecht", sagte Tusk. Denn danach "kann man sie nie mehr überqueren".

Eine halbe Stunde vor Beginn des Gipfels hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Szydlo getroffen. Die Atmosphäre des Gesprächs sei "sehr ordentlich" gewesen, meldete die Deutsche Presse-Agentur später. Aber weder Merkel noch Szydlo änderten dabei ihre Meinung.

Merkel selbst kritisierte das polnische Verhalten nach der Wahl Tusks. "Konsenssuche darf nicht zur Blockade genutzt werden", sagte sie in Brüssel. Gleichzeitig äußerte sie die Hoffnung, dass die Differenzen mit Polen nur vorübergehend seien. Ihr und anderen EU-Vertretern liege "sehr" an einer "guten Kooperation mit Polen", sagte die Kanzlerin. "Ich hoffe, dass wir zu einer vernünftigen Zusammenarbeit zurückkehren können."

Szydlos Kampf war von Anfang an aussichtslos: Polen allein konnte Tusks Wiederwahl nicht verhindern. Anders als Beschlüsse des Gipfels in Sachfragen, die einstimmig beschlossen werden müssen, kann die Entscheidung über den Ratspräsidenten von den Staats- und Regierungschefs per Mehrheitsbeschluss getroffen werden.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP/rts

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