Aktivisten im Bus gestoppt Polens Grenzregime entzweit deutsche Politik
09.11.2021, 21:58 Uhr
Ende einer Rettungsfahrt: In Polens Grenzgebiet gilt der Ausnahmezustand.
(Foto: picture alliance/dpa)
Während deutsche Aktivisten bei einem Trip ins polnische Grenzgebiet aufgehalten werden, verurteilen vor allem die Grünen die strikte Warschauer Linie und pochen aufs Asylrecht. Doch der künftige SPD-Chef Klingbeil setzt andere Akzente. Der CDU-Außenpolitiker Röttgen ebenfalls.
Die polnische Polizei hat einen Bus von deutschen Flüchtlingsaktivisten gestoppt, die auf dem Weg zur Grenze nach Belarus waren. Der Bus der Initiativen Seebrücke Deutschland und LeaveNoOneBehind durfte am Abend wenige Kilometer vor dem Grenzübergang Kuznica nicht weiter Richtung Osten fahren. Polen hat in einer Drei-Kilometer-Zone entlang der Grenze den Ausnahmezustand verhängt. Hilfsorganisationen dürfen nicht hinein. Die Aktivisten hatten zuvor Hilfsgüter wie Winterschuhe und Decken an eine polnische Organisation übergeben.
Ursprünglich hatten sie geplant, auf dem Rückweg Migranten nach Deutschland mitzunehmen. Das Bundesinnenministerium warnte jedoch, dass "eine unautorisierte Beförderung und eine etwaige unerlaubte Einreise" strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Ein Sprecher der Gruppe, Ruben Neugebauer, sagte: "Wir wollen hier ein Zeichen der Solidarität setzen. Es ist der Tag des Mauerfalls, und es wichtig, dass wir uns für Menschenrechte statt für Mauern entscheiden." Europa dürfe sich nicht von einem "Diktator" erpressen lassen.
Auf der belarussischen Seite der Grenze harrt eine große Zahl von Migranten aus Ländern wie Syrien und Afghanistan aus, die in den Westen wollen. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, Menschen aus Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Die EU hatte nach der offensichtlich gefälschten Präsidentenwahl in Belarus im vergangenen Jahr eine Reihe von Sanktionen verhängt.
Klingbeil: "Wir müssen Grenzsicherung schaffen"
Das harte Vorgehen Polens gegen Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze stieß bei der SPD auf Kritik. "Gewalt sowie Pushbacks gegen Geflüchtete und Migranten sind verboten, beides ist nicht vereinbar mit unseren fundamentalen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte" betonte der migrationspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Lars Castellucci, in der "Welt".
Einen anderen Akzent setzte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. "Wir müssen erstmal gucken, dass keine neuen Flüchtlinge nachkommen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Zwar sei es "kein gutes Signal", wenn an den europäischen Grenzen Mauern gebaut würden, doch "klar" sei auch, "dass wir die europäische Grenzsicherung schaffen müssen".
Kritik an der strikten Linie Polens kam vor allem von den Grünen. "Wir müssen dringend dafür sorgen, dass es in Richtung Polen zwei Botschaften gibt. Erstens: Nein zu menschenunwürdigen Pushbacks. Und zweitens: Ja zu Solidarität", forderte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt in der "Welt". "Mauern und Zäune gegen Menschen zu bauen, kann niemals der richtige Weg sein", betonte die Grünen-Europapolitikerin Ska Keller im Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch sie warb für Unterstützung für Polen, aber "nach menschenrechtlichen Maßstäben".
Röttgen droht Putin
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen drohte auch dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Konsequenzen. Lukaschenko müsse "noch viel konsequenter sanktioniert werden, um seinem Regime und den Profiteuren die wirtschaftliche Basis zu entziehen", sagte Röttgen den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Gleichzeitig muss die EU Putin klar zu verstehen geben, dass sich die Beziehungen zu Russland weiter verschlechtern werden, wenn er dieses Verhalten toleriert oder gar unterstützt." Sollten die Flüge nicht umgehend eingestellt werden, "dann muss das für die Staaten, aus denen sie kommen und die teilweise viel Geld von der EU erhalten, Konsequenzen haben", verlangte Röttgen, der als möglicher Kandidat für den CDU-Vorsitz gilt. "Alle Fluglinien, die an diesem staatlich organisierten Menschenhandel beteiligt sind, müssen umgehend ein Landeverbot in der gesamten EU erhalten."
Lob für das harte Vorgehen polnischer Sicherheitskräfte gegen Geflüchtete kam von der AfD. "Wir danken der Regierung und den Sicherheitskräften der Republik Polen, die mit ihrem standhaften und aufopferungsvollen Einsatz nicht nur die Außengrenze der EU, sondern auch die Sicherheit Deutschlands und seiner Bürger verteidigen", erklärte Fraktionschef Tino Chrupalla.
Quelle: ntv.de, mau/dpa