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"Gebiete an Feind abgegeben" Prigoschin wirft Moskau "Irreführung" vor

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Dass das russische Verteidigungsministerium und Wagner-Chef Prigoschin nicht als geschlossene Einheit agieren, ist hinlänglich bekannt. Jetzt wirft der Geschäftsmann Moskau vor, das russische Volk in die Irre zu führen. Denn seiner Meinung nach ist die ukrainische Gegenoffensive durchaus erfolgreich.

Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner hat Moskau vorgeworfen, die Menschen in Russland über den Verlauf der ukrainischen Offensive zu belügen. "Sie führen das russische Volk in die Irre", sagte Jewgeni Prigoschin in einer von seinen Sprechern veröffentlichten Sprachnachricht. "Große Gebiete sind an den Feind abgegeben worden", fügte er hinzu.

Kiew hatte Anfang Juni eine Gegenoffensive im Süden und Osten der Ukraine gestartet, um im vergangenen Jahr von Russland besetzte Gebiete zu befreien. Russlands Präsident Wladimir Putin hat wiederholt behauptet, dass die ukrainische Offensive fehlschlage. Zuletzt bezeichnete er den Fortgang der ukrainischen Gegenoffensive als schleppend. Zudem erleide die ukrainische Seite schwere Verluste, sagte Putin im staatlichen Fernsehen.

Doch Wagner-Chef Prigoschin, dessen Söldner seit Monaten Angriffe auf Städte in der Ostukraine angeführt haben, beschuldigte das Verteidigungsministerium, nicht die Wahrheit zu erzählen. Der Dissens zwischen Prigoschin und dem von Minister Sergej Schoigu geführten Haus trat in jüngster Vergangenheit immer häufiger zutage. Dabei geht es unter anderem um die Strategie des russischen Militärs in der Ukraine, aber auch um das Bestreben Schoigus, private Armeen vertraglich an sein Ministerium zu binden. Das lehnt Prigoschin vehement ab.

Eine Reihe von Dörfern, darunter Pjatychatky, seien verloren gegangen, sagte Prigoschin und verwies auf fehlende Waffen und Munition. Seinen Angaben zufolge haben ukrainische Truppen auch schon versucht, den Fluss Dnipro zu überqueren, eine natürliche Barriere an der Front. "All dies wird vor allen total versteckt", sagte der 62-Jährige. "Eines Tages wird Russland aufwachen, nur um zu entdecken, dass auch die Krim an die Ukraine übergeben wurde", mahnte er.

Kiew: Osten bleibt der Schwerpunkt der russischen Angriffe

Kiew hat bisher kleine Gebietsgewinne gemeldet und seit Beginn der Offensive nach eigenen Angaben acht Siedlungen zurückerobert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte indes in einem Interview mit der BBC Schwierigkeiten ein. Die Fortschritte auf dem Schlachtfeld seien "langsamer als gewünscht", sagte er. "Einige Leute meinen, dies sei ein Hollywood-Film und erwarten jetzt Ergebnisse. Das ist es aber nicht." Der militärische Vorstoß sei nicht einfach, da 200.000 Quadratkilometer ukrainisches Territorium von den russischen Streitkräften vermint worden seien.

Die Ukraine werde sich bei ihrer Gegenoffensive nicht unter Druck setzen lassen, sagte der Staatschef. "Bei allem Respekt, wir werden auf dem Schlachtfeld so vorrücken, wie wir es für richtig halten." Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar erklärte via Telegram, die ukrainischen Streitkräfte setzten ihre Offensiveinsätze in Richtung der Stadt Melitopol tief im besetzten Gebiet im Süden und in Richtung Berdjansk am Asowschen Meer fort. Sie sprach von schweren Kämpfen im Osten, insbesondere in der Nähe der Stadt Lyman, die ukrainische Truppen im Oktober von den russischen Streitkräften befreit hatten.

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"Im Osten halten die Verteidiger weiterhin einen großangelegten Angriff der russischen Streitkräfte in Richtung Lyman und Bachmut zurück", so Maljar. Der Osten bleibe der Schwerpunkt der russischen Angriffe. Russland versuche dort weiterhin, die Regionen Donezk und Luhansk vollständig zu erobern. Donezk und Luhansk bilden die Industrieregion Donbass. Die Ukraine hatte nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Wochen acht Dörfer im Süden zurückerobert. Die Vorstöße in die stark befestigten und verminten Gebiete unter russischer Kontrolle sind zwar klein, aber die größten seit November.

Die Führung in Kiew hat seit Monaten eine Gegenoffensive vorbereitet, von der sie sich einen Wendepunkt in dem Krieg erhofft. Sie hat allerdings eine Nachrichtensperre verhängt, und unabhängige Berichte sind rar. Experten zufolge steht der Einsatz des Großteils der ukrainischen Streitkräfte noch aus, von denen ein Teil vom Westen ausgebildet und ausgerüstet wurde. Daher sei es zu früh, um Schlüsse über den Erfolg der Offensive zu ziehen. Auf beiden Seiten soll es aber schwere Verluste geben.

Quelle: ntv.de, fzö/AFP/rts

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