Politik

Bedingt Wehrfähige an die Front? Russland senkt erneut Anforderungen für Militärdienst

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Die geschwächten russischen Streitkräfte brauchen immer wieder Verstärkung.

Die geschwächten russischen Streitkräfte brauchen immer wieder Verstärkung.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Viele Menschen hat der Kreml bereits für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine in den Tod geschickt. Seit längerer Zeit schon bemüht sich Moskau, neue Soldaten zu rekrutieren. Ein neues Gesetz soll es jetzt sogar Russen möglich machen, zum Militär zu gehen, die dafür eigentlich nur bedingt tauglich sind.

Wie hoch die russischen Verluste in der seit über einem Jahr andauernden großangelegten Invasion in der Ukraine sind, ist nicht bekannt. Kiew gibt die Zahl der Toten mittlerweile mit über 220.000 an - allein am Dienstag sollen rund 1000 hinzugekommen sein. Im Westen hält man diese Angaben für übertrieben, doch auch die meisten Beobachter dort sehen die Verluste auf der russischen Seite um ein Vielfaches höher als auf der ukrainischen. Klar dürfte sein: Beide Seiten brauchen wehrfähige Soldaten. Laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur TASS, auf den sich das Institut für Kriegsstudien (ISW) bezieht, wurde kürzlich in Moskau ein Gesetz beschlossen, welches die Anforderungen für den Militärdienst noch weiter senkt, um die Rekrutierungsbasis zu vergrößern.

Demnach hat die russische Staatsduma in dritter und letzter Lesung ein Gesetz verabschiedet, das es Bürgern mit einem Eintrag im Strafregister und Bürgern, die als "bedingt tauglich" für den Militärdienst eingestuft werden, erlaubt, in Zeiten des Krieges, der Mobilisierung oder des Kriegsrechts Verträge mit dem russischen Militär zu schließen.

Es ist nicht das erste Mal, dass seit der Invasion Maßnahmen beschlossen werden, um mehr Menschen für das Militär zu rekrutieren. So wurde zum Beispiel erst im Frühjahr ein Gesetz verabschiedet, wonach Einberufungsbescheide nicht mehr persönlich überreicht werden müssen, sondern digital zugestellt werden können. Viele Russen können so nicht mehr ihrer Einberufung entgehen, indem sie einfach nicht an ihrer Meldeadresse wohnen.

Verteidigungsministerium soll 15.000 Häftlinge rekrutiert haben

Anfang dieses Monats hatte das bekannte russische Portal "The Insider" über einen Text berichtet, den das Militär versehentlich kurz veröffentlicht haben soll. Darin wurden Probleme bei der Mobilmachung für den Krieg gegen die Ukraine beschrieben. Ex-Präsident Dmitri Medwedew behauptete noch im Mai, in den ersten drei Monaten des Jahres hätten sich rund 120.000 Menschen freiwillig für den Kriegsdienst verpflichten lassen. Zuletzt hatte Moskau versucht, unter anderem mit einem martialischen Werbespot Freiwillige anzuwerben. Auch in Einkaufszentren sollen Menschen gezielt angesprochen worden sein.

Ein wesentliches Merkmal der russischen Rekrutierungs-Bemühungen stellt zudem das Anwerben von Häftlingen dar. Zunächst wurden diese wohl zu Tausenden von der Söldner-Gruppe Wagner mobilisiert. Dann soll das Verteidigungsministerium deren Chef Jewgeni Prigoschin diese Möglichkeit jedoch entzogen haben - um selbst Kämpfer für die reguläre russische Armee in den Gefängnissen zu gewinnen. Laut ISW gab die Leiterin der unabhängigen russischen Menschenrechtsorganisation "Russland hinter Gittern", Olga Romanowa, die Zahl der Gefangenen, die das russische Verteidigungsministerium seit dem 1. Februar dieses Jahres rekrutiert haben soll, mit 15.000 an.

In der russischen Bevölkerung herrscht eine große Sorge vor größeren Mobilmachungen für den Militärdienst und damit möglicherweise Einsätze in der Ukraine. Auch im Kreml soll eine gewisse Angst vor negativen Reaktionen in der Bevölkerung herrschen. Als Präsident Wladimir Putin im September 2022 die Mobilmachung von 300.000 Reservisten anordnete, löste das eine regelrechte Panik aus, Hunderttausende Russen flohen ins Ausland. Für Unruhe sorgte zudem ein Dekret im Mai dieses Jahres, wonach alle zwei Millionen Reservisten zur alljährlichen Übung einberufen werden können.

Quelle: ntv.de, rog

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen