Scharfe Kritik an Pistorius Rüstungskonzern: Berlin können wir nicht mehr verteidigen
15.06.2024, 07:47 Uhr Artikel anhören
Deutschland verfügt über einige Hundert einsatzbereite Kampfpanzer.
(Foto: picture alliance/dpa)
Sorgen vor einem Krieg auf deutschem Boden muss man sich eigentlich nicht machen - auch wenn es schon Drohungen aus Russland gegeben hat. Der Rüstungskonzern KNDS sieht die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik ohnehin stark eingeschränkt - und kritisiert Verteidigungsminister Pistorius.
Der Chef des Rüstungskonzerns KNDS kann nicht erkennen, dass die amtierende Bundesregierung Deutschlands Verteidigungsfähigkeit stärkt. Bei den Aufträgen sieht er bislang keine Trendwende. "Der weit überwiegende Teil unseres Auftragseingangs 2023 kam nicht aus Deutschland, sondern aus anderen NATO-Staaten", sagte Frank Haun, dessen Unternehmen unter anderem den Leopard-2-Kampfpanzer herstellt, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Zugleich betonte Haun: "Wir haben in Deutschland nur noch einen Bestand von rund 300 einsatzbereiten Kampfpanzern. Daher sage ich oft: Augsburg können wir damit noch verteidigen, München und Berlin dagegen nicht mehr."
Die Wahrscheinlichkeit, Augsburg, München oder Berlin am Boden verteidigen zu müssen, dürfte niedrig sein - erst recht, wenn die Ukraine mit allem ausgestattet wird, um die russische Invasion abzuwehren. Drohungen aus Russland hat es in der Vergangenheit jedoch auch in Richtung Deutschland gegeben. Militärexperten wie Carlo Masala halten es bei einem militärischen Erfolg Russlands in der Ukraine indes für wahrscheinlicher, dass Putins nächstes Ziel ein oder mehrere baltische Staaten sein könnten, wie er Ende letzten Jahres den Funke-Zeitungen sagte. Dies würde wahrscheinlich die NATO auf den Plan rufen, und damit auch Deutschland. Die Bundeswehr ist in Litauen stationiert.
"Ich hoffe, da kommt noch einiges"
Wenn man die Bundeswehr besser ausstatten wolle, dann sei mehr Geld nötig, so der KNDS-Chef weiter. Die Politik müsse Prioritäten setzen. "Was hat er bisher getan, um die Bundeswehr zu stärken?", sagte Haun über Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius . "Er ersetzt alte Tornados durch F-35-Flugzeuge, damit die nukleare Teilhabe gesichert ist. Er kauft Hubschrauber, weil die alten CH-53 wegmüssen. Er schließt mit uns einen Rahmenvertrag über 123 Leopard-Panzer und bestellt mit bisher 18 gerade einmal so viele, wie Deutschland der Ukraine geliefert hat", sagte der KNDS-Chef. Er stellte klar: "Ich hoffe, da kommt noch einiges aus Berlin."
Auch mit Blick auf bestehende Lieferschwierigkeiten zeigte sich der KNDS-Chef unzufrieden mit der Bundesregierung. Ein Bemühen in der Politik, etwas zu tun, was man als Rohstoffstrategie bezeichnen könnte, sieht er "nicht wirklich". "Geredet wird viel, aber die Rohstoffstrategie findet bei uns in Deutschland unternehmensintern im Einkauf statt", sagte Haun. "Da kennt keiner eine Nummer in Berlin, unter der er Hilfe bekäme."
Beim Thema Panzerstahl, wo KNDS derzeit nur einen schwedischen Lieferanten hat, habe er persönlich in Berlin auf die Engpässe hingewiesen. "Das wurde zur Kenntnis genommen, aber geschehen ist nichts", berichtet der KNDS-Chef.
Rüstungskonzerne wie KNDS oder auch Rivale Rheinmetall verzeichnen seit Beginn der russischen Invasion ein großes Auftragsplus und verdienen Milliarden. Einerseits geht viel Material in die Ukraine, andererseits versuchen viele Partner des Landes, ihre eigenen Bestände wieder aufzufüllen und Truppen zu modernisieren.
Quelle: ntv.de, rog