Gemeinsame Schulden für Ukraine? "Russische Geheimarmee" in Europa beunruhigt Macron
01.10.2025, 16:44 Uhr Artikel anhören
Kommt aus dem Schwärmen über das deutsch-französische Verhältnis nicht heraus: Emmanuel Macron.
(Foto: picture alliance / Ritzau Scanpix)
Lange habe Europa die russische Bedrohung unterschätzt, sagt Frankreichs Präsident Macron. In einem Interview spricht er über eine "Geheimarmee" des Kreml, das Verhältnis zu Deutschland - und eine gemeinsame Schuldenaufnahme für die Ukraine.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vor der Ausbreitung "der russischen Geheimarmee in unseren Demokratien" gewarnt. "Sie besteht aus diesen kleinen, gesichtslosen Kriegern, die man digitale Bots nennt", sagte Macron in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Neben dem Terrorismus sei Russland "die größte strukturelle Bedrohung für die Europäer".
Die russische Bedrohung, der Ukraine-Krieg sowie die Drohnenüberflüge sind derzeit auch Thema der EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem informellen Gipfel in Kopenhagen. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen forderte eine "starke Antwort" auf Russlands "hybriden Krieg". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warf Russland vor "Spaltung und Angst" in Europa säen zu wollen. "Das werden wir nicht zulassen", erklärte sie.
Auf dem Treffen geht es auch um die Verteidigungsfähigkeit der EU. Eine zentrale Frage ist, wie die verschiedenen Fähigkeiten besser gebündelt werden können, bevor die EU-Kommission beim regulären Gipfeltreffen Ende Oktober in Brüssel eine Art Aktionsplan präsentieren wird.
Die Mär von den Bettwanzen
Macron sagte in der FAZ, dass Moskau lange bagatellisiert worden sei. "Russland ist zwar wirtschaftlich viel schwächer als Europa, seine Bevölkerung schrumpft, und die Industrie ist nicht innovativ. Aber sie produziert viel mehr Waffen, und das auch noch schneller. Wir haben die Bedrohung unterschätzt", sagte er.
Man befinde sich dauerhaft in der Konfrontation, erklärte Macron. Russland gefährde die europäische "kollektive Sicherheit durch Eingriffe in unseren Wahlkampf, Cyberattacken, die Ermordung von Oppositionellen und durch Migrationsströme, die als Druckmittel eingesetzt werden".
Es werde unterschätzt, wie sehr der Kreml die öffentliche Meinung durch die Verbreitung von Unwahrheiten beeinflusse. Als Beispiel nennt die Macron die angebliche Bettwanzenplage in Frankreich. Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Paris im vergangenen Jahr war davor gewarnt worden, dass sich in dem deutschen Nachbarland eine Ungezieferplage breitmache. Später stellte sich das nach Ansicht der französischen Regierung als eine russische Desinformationskampagne heraus.
Gemeinsame Schulden für Ukraine?
Macron ist am Freitag als Ehrengast bei den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit eingeladen. In dem FAZ-Interview betonte er mehrfach die Wichtigkeit der deutsch-französischen Freundschaft. Die Partnerschaft sei eine "schöne Geschichte, weil sie nichts Selbstverständliches ist", sagte er. "Es sind keine tiefgreifenden Kräfte, die uns verbinden. Diese Partnerschaft muss ständig neu erfunden werden."
Eine Möglichkeit, wie diese Partnerschaft neu erfunden werden könnte, sind gemeinsame Schulden. Bundeskanzler Friedrich Merz folgte zuletzt dem EU-Vorschlag, eingefrorene russische Milliarden als Unterstützung für die Ukraine zu verwenden - dabei handelt es sich um fast 140 Milliarden Euro. "Die eingefrorenen russischen Vermögenswerte können nicht einfach beschlagnahmt werden, da dies gegen das Völkerrecht verstoßen würde", sagte Macron.
Die Lösung sei deshalb: Die Milliarden könnten als Sicherheit dienen, "um unsere langfristige Unterstützung für die Ukraine mit einer Garantie des europäischen Haushalts und nationalen Garantien sichtbar zu machen. Im Grunde bedeutet dies, dass Deutschland bereit ist, sich gemeinsam für die Ukraine zu verschulden", erklärte Macron. "Das ist eine echte Veränderung. Sie ist das Ergebnis der deutsch-französischen Zusammenarbeit."
Quelle: ntv.de, ses/AFP