Der Kriegstag im Überblick Russischer Kommandostand zerstört - Kreml droht mit "Säuberungen"
17.03.2022, 21:44 Uhr
Russischer Checkpoint nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew: Ein Drohnenvideo zeigt die Zerstörung eins russischen Militärlagers in der Region.
(Foto: picture alliance/dpa/Russian Defence Ministry)
Das ukrainische Militär will einen russischen Kommandostand zerstört haben. In Mariupol sind bereits 80 Prozent aller Wohnungen ausgebombt. Während Präsident Selenskyj der deutschen Regierung den Spiegel vorhält, spricht der Kreml von "Säuberungen". Der 22. Kriegstag im Überblick.
Kiew: "Womöglich einige Generäle tot"
Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben einen Kommandostand der russischen Armee zerstört. "Das bedeutet womöglich den Tod von einigen Generälen", sagte Präsidentenberater Olexij Arestowytsch in einer Videobotschaft. Bislang sollen bereits vier von 20 russischen Generälen in der Ukraine gefallen sein. Der Berater des ukrainischen Präsidenten hoffte nach dem Schlag auf eine Kriegspause und eine weitere Desorganisation des Gegners.
Es soll sich um das Kommando der aus dem Fernen Osten Russlands stammenden 35. Armee handeln, teilte das ukrainische Militär mit. Der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte teilte auf Facebook ein Drohnenvideo, auf dem die Zerstörung eines russischen Militärlagers zu sehen sein soll. Dazu schrieb Walerij Saluschnij, die ukrainische Artillerie habe in der Umgebung von Kiew einen "Highway to Hell" für die 35. Armee organisiert. Das Video ist mit dem dazu passenden AC/DC-Song unterlegt. Insgesamt gab es dem Präsidentenberater Arestowytsch zufolge sonst kaum Lageveränderungen an den Frontlinien im Norden und Osten des Landes.
Russische Angriffe auf die vom Krieg stark betroffene südukrainische Hafenstadt Mariupol legten nach örtlichen Angaben bereits 80 Prozent der Wohnungen in Schutt und Asche. "Täglich werden durchschnittlich 50 bis 100 Bomben auf die Stadt geworfen. Die Verwüstung ist enorm", teilte der Rat der Stadt bei Telegram mit. Mariupol sei seit 16 Tagen von russischen Truppen eingekesselt. Nach Angaben des Stadtrates harren noch immer mehr als 350.000 Menschen in der Stadt aus.
Selenskyj liest Deutschland die Leviten
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hob in einer Videoansprache vor dem deutschen Bundestag hervor: "In Europa wird ein Volk vernichtet." Deutschland müsse eine Führungsrolle zum Schutz der Ukraine vor Russland einnehmen. Die Sanktionen seien zu spät gekommen, die Pipeline Nord Stream 2 habe den Krieg mit vorbereitet und der Ukraine sei der Beitritt zur NATO verweigert worden, monierte er. Deutschland machte er für eine Mauer mitverantwortlich, die sich durch Europa ziehe. "Es ist eine Mauer inmitten Europas zwischen Freiheit und Unfreiheit. Und diese Mauer wird größer mit jeder Bombe, die auf die Ukraine fällt, mit jeder nicht getroffenen Entscheidung."
Bundeskanzler Olaf Scholz antwortete nicht auf Selenskyjs direkte Ansprache: "Herr Scholz, reißen Sie diese Mauer nieder", sagte Selenskyj. Der schmucklose Übergang zur Tagesordnung nach dem Ende der Rede löste bei der Opposition im Bundestag Empörung aus. Erst später lehnte Scholz ein militärisches Eingreifen der NATO in den Krieg in der Ukraine erneut kategorisch ab. Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, es sei "die Verantwortung" der Militärallianz, "zu verhindern, dass dieser Konflikt weiter eskaliert". Denn dies werde nur "mehr Leid, Tod und Zerstörung" bedeuten.
Biden erhöht den Druck auf China
Nachdem China sich auch drei Wochen nach Kriegsbeginn nicht von dem russischen Überfall auf die Ukraine distanziert hat, kündigte das Weiße Haus in Washington für Freitag ein Telefonat von Präsident Joe Biden mit dessen chinesischem Amtskollegen Xi Jinping an. Es werde dabei auch um die russische Invasion in der Ukraine gehen. Während Peking es bislang vermeidet, auch nur das Wort "Krieg" zu verwenden, nannte Biden den russischen Präsidenten am Dienstagabend öffentlich einen "Kriegsverbrecher".
Die von Moskau am Mittwoch verbreiteten Hoffnungen auf einen fast unterschriftsreifen Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine stießen in Paris auf Skepsis. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian warf Russland vor, nur zum Schein mit der Ukraine zu verhandeln. Russland verfolge dieselbe Strategie wie bereits in Grosny in Tschetschenien und im syrischen Aleppo. "Erst bombardieren, dann sogenannte humanitäre Korridore einrichten, um dem Gegner vorzuwerfen, sie nicht zu respektieren, und schließlich verhandeln, nur um den Eindruck zu erwecken, dass verhandelt wird", sagt Le Drian der Zeitung "Le Parisien".
Kreml spricht von "Säuberungen" in Russland
Nach der Drohrede des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen den Westen und die wachsende Zahl von Zweiflern im eigenen Land legte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau noch einmal nach. Der Einsatz in der Ukraine ermögliche auch die "Säuberung" Russlands von "Verrätern". "In solchen Situationen erweisen sich viele Menschen als Verräter und gehen von selbst aus unserem Leben", sagte Peskow mit Bezug auf Russen, die ihre Jobs aufgäben und das Land verließen.
In einer Ansprache direkt an die russischen Soldaten griff der ehemalige kalifornische Gouverneur und Schauspieler Arnold Schwarzenegger die Kreml-Führung an. Mit seiner Propaganda-Maschinerie habe Putin nicht nur das eigene Volk belogen, sondern auch die eigenen Soldaten. Zu Tausenden seien die russischen Soldaten bereits auf dem Schlachtfeld gestorben. Ihre Leben wurden einem sinnlosen Krieg geopfert, der lediglich den Ehrgeiz der politischen Führung befriedigen solle. Die ganze Welt habe Russland für diesen Angriff verurteilt, sagte Schwarzenegger in dem neun-minütigen Twitter-Clip.
Nach Angaben eines hochrangigen Mitarbeiters im Pentagon verfügen die USA über Hinweise auf eine nachlassende Kampfmoral in einigen Einheiten der russischen Truppen. Gründe seien mangelhafte Führung, kaum Informationen über Sinn und Zweck des Einsatzes und der unerwartet heftige Widerstand, sagte er, ohne weitere Details zu nennen.
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Quelle: ntv.de, mau/AFP/rts