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Räumungen in Frontnähe Russland: 1500 Menschen in Saporischschja umquartiert

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Die russischen Streitkräften besetzten auch das Atomkraftwerk Saporischschja. Mehrmals hatte sich die internationale Gemeinschaft für eine Sicherheitszone um das AKW eingesetzt - jedoch vergeblich.

Die russischen Streitkräften besetzten auch das Atomkraftwerk Saporischschja. Mehrmals hatte sich die internationale Gemeinschaft für eine Sicherheitszone um das AKW eingesetzt - jedoch vergeblich.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

In Erwartung der ukrainischen Gegenoffensive trifft die russische Seite Vorkehrungen in den besetzten Gebieten. So werden zunächst Gebiete in der Region Saporischschja im Süden der Ukraine evakuiert. Die Mitarbeiter des AKW bleiben zwar - dies beruhigt IAEA-Chef Grossi jedoch nicht.

Russische Truppen evakuieren von ihnen besetzte Gebiete im Süden der Ukraine. Mehr als 1500 Menschen seien bereits umquartiert worden, darunter mehr als 600 Minderjährige, erklärte der von Russland eingesetzte Verwaltungschef der Region Saporischschja, Jewgeni Balizki. Die russischen Besatzungsbehörden erklärten, sie würden aufgrund des verstärkten Beschusses Zivilisten aus 18 Städten und Siedlungen in der Nähe der Frontlinie evakuieren.

Der ukrainische Generalstab teilte mit, die von Russland evakuierten Menschen würden in die Städte Berdjansk und Prymorsk transportiert, die beide an der Küste des Asowschen Meeres liegen. Die ersten Bewohnerinnen und Bewohner, die weggebracht würden, seien diejenigen, die zu Beginn der Besatzung die russische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Laut dem Bürgermeister von Melitopol, Ivan Fedorow, verläuft die Evakuierung zu schnell. Am Kontrollposten Schongar an der Straße von Melitopol zur Krim hätten sich sehr lange Warteschlangen gebildet.

Von der Teil-Evakuierung ist auch die Stadt Enerhodar betroffen, in der die meisten Beschäftigten des besetzten Atomkraftwerks Saporischschja leben. Die Besatzer entfernten Computer und medizinische Gerätschaften aus den Krankenhäusern, in der Stadt seien seit Sonntag die Lebensmittelgeschäfte geschlossen, berichtete Bürgermeister Dmytro Orlov der Funke-Mediengruppe. Auch gebe es kein Internet, die Tankstellen hätten keinen Treibstoff und die Geldautomaten seien leer. Orlov führt seine Amtsgeschäfte aus der etwa 70 Kilometer entfernten Regionalhauptstadt Saporischschja aus, die unter ukrainischer Kontrolle steht.

AKW-Mitarbeiter bleiben vor Ort

"Es gibt einen Ansturm auf Medikamente, aber auch auf lebensnotwendige Güter und einige Lebensmittel", so Orlov. In der Stadt gebe es keine militärischen Einheiten mehr. "Sie befinden sich alle im Kernkraftwerk", sagte der Bürgermeister. Die Evakuierung könne zwei Gründe haben: Entweder um "Provokationen" aus den besetzten Gebieten durchzuführen oder weil die Besatzer verstünden, dass sie einer Gegenoffensive nichts entgegensetzen können. "Wir alle hoffen, dass sie als 'Geste des guten Willens' die Stadt verlassen, wie sie die Region Kiew im vergangenen Frühjahr verlassen haben", so Orlov weiter.

Laut dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, bleiben die Mitarbeiter der AKW Saporischschja vor Ort. Dies bestätigte auch der von russischen Behörden ernannte Leiter der Anlage, Juri Tschernitschuk. Für Grossi ist dies allerdings kein Grund zur Entwarnung, denn die Situation am Kernkraftwerk sei "zunehmend angespannt, nervenaufreibend und herausfordernd" für die Mitarbeiter und ihre Familien. Dauerstress kann laut IAEA zu Fehlern und Unfällen im AKW führen kann. Grossi warnte bereits am Samstag, die Lage im Gebiet rund um das AKW werde "immer unberechenbarer und potenziell gefährlich". Er sei "extrem besorgt" um die atomare Sicherheit und Sicherheitsrisiken für die Anlage.

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Deutsche Behörden bestätigten derweil, dass bislang keine Strahlung ausgetreten sei. "Es gibt derzeit keinerlei Hinweise auf erhöhte Strahlungswerte, weder in der Ukraine noch in Deutschland", sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums den Funke-Zeitungen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sammele an rund 1700 Messsonden laufend Daten über die Radioaktivität in der Umwelt.

Das AKW Saporischschja ist das größte Europas. Sein Gelände wurde im Laufe des Krieges mehrfach getroffen, wofür sich ukrainische und russische Truppen gegenseitig verantwortlich machen. Bemühungen, eine Sicherheitszone um das AKW einzurichten, sind gescheitert.

Quelle: ntv.de, spl/AFP/rts/dpa

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