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Kanonenfutter für den Krieg Wie Russland Tausende Nepalesen an die Front lockt

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Angehörige trauern um verstorbene Nepalesen, die als Söldner für die russische Armee angeworben wurden.

Angehörige trauern um verstorbene Nepalesen, die als Söldner für die russische Armee angeworben wurden.

(Foto: picture alliance / NurPhoto)

Russland setzt bei seinem Krieg gegen die Ukraine auch auf Tausende Nepalesen. Überwiegend junge Männer aus dem südasiatischen Land werden mit viel Geld gelockt und dann als Kanonenfutter an der Front verheizt.

Die Ukraine-Front ist 4000 Kilometer entfernt. Es gibt keine gemeinsame Grenze mit Russland. Nepal hat mit dem Krieg im Osten Europas auf den ersten Blick nichts zu tun. Wären da nicht die Tausenden jungen nepalesischen Männer, die Russland in dem südasiatischen Land zwischen Tibet und Indien rekrutiert hat. Im April hat CNN berichtet, dass sich schon 15.000 Nepalesen dem russischen Militär angeschlossen haben.

Der Kreml lockt die größtenteils jungen Männer aus ärmlichen Verhältnissen mit vergleichsweise viel Geld: 2000 Dollar bekommen sie monatlich, plus die Chance auf eine schnelle Einbürgerung in Russland. Zum Vergleich: Nepal kam bei der letzten Weltbank-Erhebung auf ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von rund 1400 Dollar - im Jahr wohlgemerkt.

Viele Nepalesen sehen in ihrer Heimat keine Zukunft mehr. Es gibt kaum Arbeitsplätze, immer mehr Leute wandern aus und suchen ihr Glück woanders. Jeden Tag reisen 3000 junge Leute ins Ausland, um dort zu arbeiten oder zu studieren. Die meisten gehen in die Golfstaaten wie Saudi-Arabien, Katar, Bahrain, den Oman oder die Vereinigten Arabischen Emirate, analysiert das IPG-Journal, eine Fachzeitschrift der Friedrich-Ebert-Stiftung. Manche gehen auch nach Europa oder in die USA.

"Geheime Absprachen zwischen Arbeitsagenturen"

Doch nicht alle suchen ihr Glück als Arbeitsmigranten am Golf oder anderswo. Auch der finanziell lukrative Einsatz als Söldner im Krieg lockt manche Nepalesen. Deshalb sind sie empfänglich für Rekrutierungs-Agenten der russischen Armee. "Die Art und Weise, wie die Rekrutierungen vor sich gehen, lässt auf geheime Absprachen zwischen den Arbeitsagenturen schließen - mit verdeckter Unterstützung seitens russischer Stellen und nepalesischer Regierungsbehörden", schreibt das IPG-Journal.

Die angeworbenen Söldner reisen dann - in der Regel mit Zwischenstopps in Indien oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten - nach Moskau. Hier werden sie in einem Rekrutierungszentrum körperlich untersucht. Dann unterschreiben die Rekruten einen Einjahresvertrag beim Militär und bekommen ein russisches Bankkonto, auf das monatlich ihr Sold eingezahlt wird. In Nepal könnten die Männer nie so viel Geld verdienen. Deshalb lassen sich viele zum gefährlichen Kriegseinsatz verleiten.

Nepals Söldner sind Kanonenfutter

CNN hat den Weg von Nepalesen an die Front anhand der Social-Media-Profile von zehn Rekruten nachverfolgt. Demnach bekommen die Ausländer in einer Militärakademie in der Nähe von Moskau eine Art Grundausbildung im Eiltempo, berichtet CNN unter Berufung auf in ihre Heimatländer zurückgekehrte Söldner. Hier lernen sie, wie man umgeht mit Raketenwerfern, Maschinengewehren, Bomben, Drohnen und Panzern. Ein nepalesischer Rekrut erzählt, dass in der Akademie vor allem Menschen aus Afrika und Asien trainiert werden - er habe Kameraden aus Indien, Afghanistan, Ägypten und dem Kongo kennengelernt.

Nach der Grundausbildung geht es für die ausländischen Söldner anscheinend in eine andere Militärbasis in der Nähe, wo sie eine speziellere Ausbildung bekommen. Im Anschluss werden die Söldner an die Front geschickt. Dort sind sie meist nur Kanonenfutter. "Die Nepalesen und andere Ausländer kämpfen an vorderster Front, die Russen ein paar hundert Meter weiter hinten als Unterstützung", zitiert CNN einen nepalesischen Söldner. Einige seiner Freunde seien von ihrem Kommandeur "misshandelt" worden, als sie "Bedenken äußerten".

Hinzu kommt die Sprachbarriere zwischen den russischen Kommandeuren und den nepalesischen Söldnern. "Manchmal konnten wir nicht einmal verstehen, wohin wir gehen sollten und in welche Richtung die Waffen zeigen sollten."

Druck auf Nepals Regierung

Wie viele Nepalesen insgesamt in der Ukraine für Russland kämpfen, ist offiziell nicht bekannt. Die nepalesische Regierung sagt, es wären gerade mal etwa 200 junge Männer für die Kreml-Truppen im Einsatz. Von ihnen seien etwas mehr als ein Dutzend getötet worden. Vier Nepalesen sind momentan in ukrainischer Gefangenschaft.

Opposition und Menschenrechtler sind sich aber sicher, dass die Regierungszahlen viel zu niedrig sind. Sie berichten von Tausenden Nepalesen, die in der Ukraine im Krieg sind. Mittlerweile haben sich Angehörige der Rekruten zusammengeschlossen, um Druck auf die Regierung zu machen. Bei der Gruppe hätten sich bereits 2000 Familien gemeldet, aus denen Männer für Russland in den Krieg gezogen sind.

Der Druck auf die Regierung hat immerhin dazu geführt, dass Nepalesen inzwischen nicht mehr zum Arbeiten nach Russland reisen dürfen. Außerdem gibt es strengere Visa-Regeln für Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate. So will Nepal verhindern, dass die Menschen über Drittländer nach Russland gehen. Das scheint auch zu helfen: Inzwischen sind die Ausreisen weniger geworden.

Nepal will aber, dass Russland proaktiv nepalesische Staatsbürger von der Front abzieht und zurückschickt. Moskau stellt sich jedoch quer und sagt, die Söldner wollen gar nicht nach Nepal zurück.

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Quelle: ntv.de

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