Leere Panzer-Lager? Moskau sagt Gedenkveranstaltungen am 9. Mai ab
20.04.2023, 09:07 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Menschen in Russland beim Gedenkmarsch "Unsterbliches Regiment".
(Foto: imago/ITAR-TASS)
Bereits vor einigen Tagen wird bekannt, dass in russischen Grenzregionen nicht wie sonst üblich am 9. Mai der Sieg über Nazi-Deutschland gefeiert wird. Nun wird auch noch ein wichtiger Gedenkmarsch in russischen Städten abgesagt. Über die wahren Gründe gibt es mehrere Vermutungen.
In Russland soll es in diesem Jahr nicht den traditionellen Gedenkmarsch "Unsterbliches Regiment" am "Tag des Sieges" am 9. Mai zur Erinnerung an sowjetische Soldaten im Zweiten Weltkrieg geben. Anstelle des sonst in Moskau und vielen anderen Städten organisierten Umzugs mit Hunderttausenden Teilnehmern sollten sich die Menschen die Fotos ihrer toten Angehörigen in diesem Jahr lieber ans Autofenster kleben oder an die Kleidung heften. Das meldete die russische Staatsagentur TASS unter Berufung auf die Veranstalter sowie Parlamentsabgeordnete.
An dem Marsch hatte in der Vergangenheit auch Kremlchef Wladimir Putin teilgenommen. Sein Sprecher Dmitri Peskow sagte, er könne noch nicht sagen, ob der Präsident unter Umständen an alternativen Formaten teilnehme. Offiziell lautete die Begründung für die Absage des Marsches, das Gedenken an die Veteranen, die zwischen 1941 und 1945 gegen Nazi-Diktator Adolf Hitler kämpften, solle "erweitert" werden. In der neuen Form dauere es den ganzen Tag und nicht mehr nur wenige Stunden, hieß es.
Ausrüstungsengpässe könnten ein Grund sein
Beobachter vermuteten allerdings, dass Russlands Behörden mehr als ein Jahr nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine in Wirklichkeit Sicherheitsbedenken hätten. In grenznahen Regionen sowie auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim waren die Feierlichkeiten zum 9. Mai bereits vor einiger Zeit weitgehend abgesagt worden.
Der US-Thinktank "Atlantic Council" weist im Zusammenhang damit auf Vermutungen hin, laut denen Moskau immer weniger Panzer zur Verfügung stehen und der Kreml es vermeiden möchte, die eigenen Verluste deutlich zu machen. Unabhängig davon, ob der wahre Grund Sicherheitsbedenken oder Ausrüstungsengpässe sind, sieht die Denkfabrik die Absagen als "schmerzhaften Schlag" für Wladimir Putin. Die Entscheidung weise auf die düstere Realität hinter seiner sonst so optimistischen Propagandadarstellung über die Invasion in der Ukraine hin.
Auch der britische Geheimdienst teilte kürzlich in einem Lagebericht mit, dass die Ehrung der Gefallenen früherer Generationen am 9. Mai in Russland leicht dazu führen könnte, dass das Ausmaß der jüngsten Verluste in der Ukraine offenkundig werde. Diese Botschaft könnte bei den vielen Russen, die unmittelbare Einblicke in die scheiternde Operation in der Ukraine haben, zunehmend auf Unbehagen stoßen.
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 18. April 2023 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, rog/dpa