Politik

"Haben Syrien im Stich gelassen" Russland schürt Wut

Die Kritik an Russland und China ist nach dem Nein zur UN-Resolution groß. US-Außenministerin Clinton fragt: "Was müssen wir denn noch wissen, um im UN-Sicherheitsrat entschlossen zu handeln?" Deutschlands UN-Botschafter Wittig spricht von einer "schreienden Schande". Seine US-Kollegin Rice wirft den beiden Blockierern vor, nur an ihre eigenen Interessen zu denken.

US-Außenministerin Hillary Clinton hat das Veto Russlands und Chinas gegen die Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat scharf kritisiert. "Es ist Zeit, dass wir uns erklären", sagte sie in München am Rande der Sicherheitskonferenz. "Sind wir für Frieden und Sicherheit oder werden wir Komplizen bei fortgesetzter Gewalt und Blutvergießen sein?"

"Es ist schwer vorstellbar, dass es nach dem bisher blutigsten Tag in Syrien immer noch jene gibt, die die internationale Gemeinschaft daran hindern wollen, diese Gewalt zu verurteilen", sagte die Ministerin. "Ich möchte sie fragen: Was müssen wir denn noch wissen, um im UN-Sicherheitsrat entschlossen zu handeln?"

Clinton sagte, sie habe in München ihren russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zu überzeugen versucht, "dass wir eine Resolution verabschieden müssen, die einen klaren Weg zum Ende der Gewalt, zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Menschenrechte und zu einem politischen und demokratischen Übergang weist".

"Ich hatte gehofft, dass wir noch in letzter Minute einen Weg finden könnten, einige der russischen Bedenken auszuräumen. Ich habe angeboten, daran in einer konstruktiven Weise zu arbeiten. Das war nicht möglich", sagte Clinton.

Es droht ein Bürgerkrieg

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Syrische Demonstranten halten eine Karikatur hoch, auf der der russische Präsident Putin den Sicherheitsrat von Präsident Assad fernhält.

(Foto: dpa)

Sie fürchte eine Eskalation der Gewalt in Syrien, wenn Präsident Baschar al-Assad weiter an der Macht bleibt und der demokratische Übergang nicht beginne. "Ich weiß, was passieren wird: mehr Blutvergießen, zunehmender Widerstand jener, deren Familien getötet werden, deren Häuser zerbombt wurden und eine größere Wahrscheinlichkeit, dass Syrien in einem Bürgerkrieg versinkt." Sie mahnte: "Das ist das Ergebnis, das jeder von uns vermeiden muss. Wenn wir nicht gemeinsam handeln, dann droht ein Bürgerkrieg."

Die syrische Opposition nannte das Veto Russlands und Chinas enttäuschend. "Dieses Veto geht auf Kosten des syrischen Volkes und seines Blutes", sagte Nadschi Taijara vom Syrischen Nationalrat. Er gehe davon aus, dass die Regierung sich des Vetos sicher war. "Deshalb hat das Regime das Massaker in Homs verübt", sagte Taijara.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle von der FDP hofft auf einen neuen Anlauf im Rat. Die Bemühungen um eine Verurteilung der Gewalt müssten gemeinsam mit den Partnern im höchsten UN-Gremium und der Arabischen Liga fortgesetzt werden. "Es ist ganz entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft jetzt nicht aufgibt."

"Das ist eine schreiende Schande"

Wir haben die Menschen in Syrien schon wieder im Stich gelassen", sagte der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig. "Das ist eine schreiende Schande." Das Veto sei nach den Hunderten Toten in Homs und am Jahrestag des Massakers von Hama 1982 mit Zehntausenden Toten eingelegt worden. "Das ist der eigentliche Skandal."

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Der Fototermin verlief noch friedlich: Sergej Lawrow und Hillary Clinton

(Foto: AP)

Sein französischer Amtskollege Gerard Araud sagte: "Das ist ein trauriger Tag für diesen Rat. Das ist ein trauriger Tag für Syrien und es ist ein trauriger Tag für die Anhänger der Demokratie." Londons Botschafter Mark Lyall Grant warf Russland und China falsches Spiel vor: "Sie sagen, Sie wollten ein militärisches Eingreifen verhindern. Das hat aber nie jemand gefordert und stand auch nie in irgendeinem Entwurf."

Die deutlichsten Worte kamen von US-Botschafterin Susan Rice: "Wir sind angewidert, dass einige Mitglieder uns davon abhalten, unsere Pflicht zu tun." Der Rat werde seit Monaten "in Geiselhaft gehalten von zwei Ländern, die nur an ihre eigenen Interessen denken." Im Text seien Sanktionen nicht einmal erwähnt worden. "Und besonders schändlich ist es, dann auch noch Waffen zu liefern."

Russland bedauert Ausgang

"Wir bedauern diesen Ausgang", sagte Russlands Botschafter Witali Tschurkin. "Aber dieser Entwurf war unausgewogen." Russland habe einen Kompromiss finden wollen. "Aber diese Versuche wurden von Ländern unterlaufen, die zu viel wollten, sogar einen Regimewechsel." Chinas Botschafter Li Baodong forderte ein Ende der Gewalt, sagte aber auch: "Die Ordnung in Syrien muss so schnell wie möglich wieder hergestellt werden." Syriens Souveränität müsse unangetastet bleiben.

Russland hatte seine Drohung wahr gemacht und auch die jüngste Syrien-Resolution mit seinem Veto blockiert. Moskaus UN-Botschafter Witali Tschurkin stimmte auf einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates zusammen mit China in New York trotz einer großen Mehrheit gegen einen von Arabern und Europäern unterstützten Entwurf. Als Vetomächte können Russland und China jede noch so starke Mehrheit überstimmen.

Der Entwurf war von Marokko eingebracht worden und enthielt keine Sanktionen. Auf russischen Druck war er bereits deutlich gemildert worden. Moskau hatte am Vortag dennoch angekündigt, ihn nicht mittragen zu wollen. Russland hat bisher jede Kritik des Sicherheitsrats an seinem Verbündeten und Waffenkunden Syrien unterdrückt. Die Sondersitzung hatte mit gut eineinhalb Stunden Verspätung begonnen. Bis zuletzt hatten die Diplomaten um Formulierungen gefeilscht.

In Syrien sollen inzwischen etwa 6000 Menschen getötet worden sein. Erst in der Nacht vor der Abstimmung waren nach Angaben von Aktivisten in der Stadt Homs 300 Menschen getötet worden. Das Regime geht mit militärischer Gewalt gegen alle Kritiker vor - sowohl gegen bewaffnete Aufständische als auch gegen friedliche Demonstranten und Dissidenten. Etwa 400 der Todesopfer sollen Kinder sein.

Quelle: ntv.de, sla/rts/AFP/dpa

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