Politik

Gender Gap im Tod Russland sterben die Männer weg

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Gestorben wird viel seit dem großangelegten Überfall auf die Ukraine 2022. Und es sind in Russland vor allem Männer betroffen.

Gestorben wird viel seit dem großangelegten Überfall auf die Ukraine 2022. Und es sind in Russland vor allem Männer betroffen.

(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

Seit Langem zeigen sich russische Frauen deutlich langlebiger als ihre Männer. Denn ob Morde, Suizide, Unfälle oder Alkoholmissbrauch: Für die Männer in Russland gibt es viele Gründe, früher zu sterben. Und dann kommt noch der Krieg hinzu.

Bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine lebte es sich als russischer Mann nicht besonders gut. Und mit diesem ganz offensichtlich noch schlechter. So war Russland im Jahr 2022 das Land mit dem größten Unterschied in der Lebenserwartung von Männern und Frauen, wie das russische Portal Cherta in einem Artikel mit der Überschrift "Das Land der Frauen" schreibt. Und das Gender Gap beim Sterben dürfte seit Kriegsbeginn noch einmal gestiegen sein.

Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass Frauen länger leben als Männer. Doch während beispielsweise in Deutschland zuletzt der Unterschied bei weniger als fünf Jahren lag, lebten russische Männer 2022 im Durchschnitt gut zehn Jahre kürzer als Frauen und starben bereits mit 67,6 Jahren. Das Ergebnis war eine Bevölkerungslücke von etwa 10 Millionen: 68,4 Millionen Männer gegenüber 78,8 Millionen Frauen.

Die Gründe für den deutlich früheren Tod von Männern in Russland sind laut Cherta vielfältig: Morde, Suizide, Unfälle, Alkohol. "Ein wichtiger Faktor ist hier die toxische Männlichkeit - eine Art männliches Verhalten, das in bestimmten Ländern, darunter auch Russland, weitverbreitet ist", sagt die Soziologin Irina Tartakowskaja dem Portal. "Männer in diesen Ländern achten oft weniger auf ihre Gesundheit, weil sie nicht zu ihrer Vorstellung von einem 'echten Mann' passt, nämlich der Vorstellung, dass man stark sein und alle Beschwerden ignorieren sollte. Dieses Modell führt zu riskantem Verhalten bei Männern: Beteiligung an kriminellen Aktivitäten, aggressives Fahrverhalten und in der Folge Autounfälle - all das erhöht die männliche Sterblichkeit."

Eine große Rolle spielt dabei der Missbrauch von Alkohol. "Jedes Jahr sterben in Russland mindestens 150.000 bis 200.000 Menschen an den Folgen von Alkohol, und etwa 80 Prozent von ihnen sind Männer", zitiert Cherta den Demografen Alexej Raksha. Dabei führe Alkohol nicht nur zu einer Reihe tödlicher Krankheiten wie Leberzirrhose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vielmehr werde beispielsweise auch ein Großteil der Morde unter Alkoholeinfluss begangen.

Eine untergeordnete Rolle bei der größeren Sterblichkeit russischer Männer spielten dagegen bis 2022 die Kriege. So forderten der Afghanistankrieg und die Tschetschenienkriege vergleichsweise wenige russische Opfer. In dem fast zehnjährigen Krieg am Hindukusch starben gerade mal 13.300 sowjetische Soldaten.

Zehntausende Russen bereits gefallen

Ganz anders sind die Opferzahlen seit dem Überfall auf die gesamte Ukraine 2022, der wohl nicht zuletzt auch mit toxischer Männlichkeit zusammenhängt. Zwar sind die genauen Todeszahlen an der Front unklar. Die unabhängigen russischen Medienportale "Meduza" und "Mediazona" schätzten im Februar dieses Jahres, dass mindestens 83.000 russische Soldaten bereits getötet worden seien. Die britische Regierung nannte im Mai noch deutlich höhere Zahlen: Sie ging von 465.000 getöteten oder verletzten Soldaten aus.

Aber auch bei den Soldaten, die den Fronteinsatz äußerlich einigermaßen heil überleben, dürfte der Krieg Auswirkungen auf die Lebenserwartung haben. "Der Alkoholkonsum und die alkoholbedingte Sterblichkeit könnten bei Soldaten, die von der Front zurückkehren, sehr wohl zunehmen", sagt der Demograf Alexej Raksha. Die Soziologin Tartakowskaja verweist darauf, dass die Alkoholverkäufe in Russland in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen sind. Das lässt darauf schließen, dass auch der Konsum zugenommen hat - mit allen damit zusammenhängenden Problemen.

Quelle: ntv.de, ghö

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