Der Oberschmeichler in BerlinRutte sagt Merz, was ihm sonst niemand sagt
Von Volker Petersen
Schon zum sechsten Mal treffen sich Nato-Generalsekretär Rutte und Bundeskanzler Merz - diesmal in Berlin. Das Treffen kommt zur rechten Zeit, mitten in den Verhandlungen für einen Frieden in der Ukraine. Rutte findet deutliche Worte.
Es ist nicht die Art eines Bundeskanzlers - und erst recht nicht eines Sauerländers -anderen Männern um den Hals zu fallen. Und Friedrich Merz macht auch keine solchen Zuneigungsgesten in Richtung seines Gastes im Kanzleramt. Aber als Nato-Generalsekretär Mark Rutte während der gemeinsamen Pressekonferenz spricht, muss sich das für den Kanzler anfühlen wie Weihnachten und Ostern zusammen. Der Niederländer lobt Deutschland für seine Bemühungen um die Aufrüstung der Bundeswehr so überschwänglich, dass Merz denken könnte: "Endlich sagt es mal einer".
Rutte spricht von einem "wahrhaft beeindruckenden Richtungswechsel", als er die sprunghaft steigenden Verteidigungsausgaben Deutschlands beschreibt. "Genau die Art von Entschlossenheit, die wir für unsere Sicherheit brauchen", sei das. Deutschland führe durch sein Beispiel und sende das wichtige Signal, dass Europa innerhalb der Nato bereit sei, mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Bundeswehr sei das Rückgrat der Nato-Kräfte in Litauen und "essentiell" für die Nato-Ostflanke und spiele eine "unerlässliche Rolle" beim Schutz kritischer Infrastruktur in der Ostsee. Und natürlich sei Deutschland "treibende Kraft" bei der Unterstützung der Ukraine.
Worte, die sich nicht nur an den Kanzler richten, sondern an die deutsche Öffentlichkeit. Worte, die zeigen sollen: der europäische Teil der Nato hofft auf deutsche Führung. Worte, die auch den Deutschen sagen sollen: Jetzt nicht nachlassen. So wird der Besuch von Rutte, der eigentlich wegen eines Termins der Münchener Sicherheitskonferenz nach Berlin gekommen ist, zum Motivationstraining für die deutsche Öffentlichkeit. Merz dürfte das gelegen kommen. Seine Regierung kann nach Rentenstreit und Wirtschaftsfrust aufbauende Worte gebrauchen.
Hauptjob: Trump bei Laune halten
Aber nicht nur das. Denn wie immer, wenn es um die Nato geht, gibt es einen Elefanten im Raum. US-Präsident Donald Trump soll schon mehrfach mit dem Nato-Austritt geliebäugelt haben, seine europäischen Verbündeten werden in der neuen Sicherheitsstrategie als Gegner beschrieben. Ruttes Hauptjob ist daher, neben der Leitung der größten Militärallianz der Welt: Trump bei Laune halten.
Darin ist er wie kaum ein Zweiter bereit, dem Mann im Weißen Haus zu schmeicheln. Bei seinem ersten Treffen gratulierte er Trump und sagte, über den USA leuchte nun "ein neues Licht" - was der Präsident anschließend mitteilte. Immer wieder sagt er, Trump habe es geschafft, dass die Europäer mehr für Verteidigung ausgeben.
In Berlin klingt das ganz anders. Aber vorwerfen sollte man das Rutte nicht. Trump ist nun einmal für Schmeicheleien empfänglich und für den Nato-Generalsekretär dürfte das Motto gelten: Alles, was hilft, wird gemacht. Dabei hat er einen Vorteil: Er muss sich vor keinen Wählern rechtfertigen. Auch Merz versucht, Trump mit Lob zu vereinnahmen, doch darf er es nicht übertreiben - sonst würde es zu vielen Landsleuten unangenehm. So dankte ihm Merz auch für seinen Einsatz: "Du machst es wirklich in unser aller Interesse."
Ukraine-Verhandlungen in heißer Phase
An diesem Donnerstag hat Rutte jedenfalls gutes Timing. Die Verhandlungen für einen Frieden in der Ukraine sind in einer heißen Phase. Merz ist neben Frankreichs Emmanuel Macron und dem Briten Keir Starmer der wichtigste Repräsentant Europas und versucht, eine gemeinsame Position zu vertreten - sowohl gegen als aus mit Trump. Bislang hat der Kanzler damit einigen Erfolg. Den ursprünglichen 28-Punkte-Plan für einen Frieden konnten die Europäer entschärfen. Am Montag soll es ein Treffen in Berlin geben, wie Merz ankündigte. Noch sei offen, ob eine amerikanische Delegation teilnehme, sagte der Kanzler.
Rutte sendet mit seinem Besuch also auch ein Signal der Geschlossenheit der Europäer. Genau das also, was Merz derzeit braucht. Umarmt hat er den Niederländer aber auch am Ende der Pressekonferenz nicht.