Einigung noch nächste Woche? SPD-Fraktion will Kurzarbeitergeld erhöhen
09.04.2020, 15:52 Uhr
Deutschland steuert in der Corona-Krise auf eine Rekordzahl an Beziehern von Kurzarbeitergeld zu. Geringverdiener kommen damit aber kaum über die Runden. Nur wenige Branchen stocken von sich aus auf. Die SPD will im Bundestag noch nächste Woche eine Aufstockung durchsetzen.
Die SPD-Fraktion im Bundestag will die Bundesregierung noch in der kommenden Woche zu einer Erhöhung des in der Corona-Krise stark nachgefragten Kurzarbeitergeldes bewegen. "Wir sind positiv optimistisch, dass wir zu einer Aufstockung kommen", sagte die arbeitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Tack, im Gespräch mit ntv.de. Das Thema werde noch einmal kommende Woche besprochen, damit eine Erhöhung noch in der Sitzungswoche ab 20. April beschlossen werden könne.

Auch viele Industriebetriebe wie Thyssenkrupp nehmen Kurzarbeit in Anspruch.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass bis zum 6. April 650.000 Betriebe Kurzarbeit angezeigt hätten. Das entspricht einem Zuwachs um noch einmal knapp 40 Prozent seit dem 27. März. Das deutet auf eine deutlich höhere Zahl an Kurzarbeitern als in der Finanzkrise 2009, als in der Spitze 1,4 Millionen Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld bezogen.
Deutschlands führende Wirtschaftsinstitute prognostizierten in ihrem am Mittwoch vorgestellten Bericht rund 2,4 Millionen Kurzarbeiter, wobei sie davon ausgingen, dass die Ausgangssperren Mitte April gelockert werden. Wer von seinem Arbeitgeber auf Kurzarbeit Null gesetzt wird, erhält von der Bundesagentur für Arbeit 60 Prozent seines mittleren Nettoeinkommens. Arbeitnehmer mit Kindern bekommen 67 Prozent.
Von kleinen Einkommen bleibt wenig übrig
Doch Geringverdiener und Bezieher mittlerer Einkommen kommen dauerhaft oft nicht über die Runden, wenn sie nur noch über zwei Drittel ihres normalen Einkommens verfügen. Wer sehr wenig verdient und mit Kurzarbeitergeld unter die Grundsicherung rutscht, kann mit Arbeitslosengeld II aufstocken. Das zu prüfen, bereitet aber den ohnehin schon stark belasteten Arbeitsagenturen in den Kommunen viel zusätzliche Arbeit.
Die Bundesregierung fordert von den Arbeitnehmern, das Kurzarbeitergeld ihrer Beschäftigten aufzustocken. Sie sollen hierfür vom Bund geschaffene finanzielle Spielräume nutzen. Das funktioniert in einigen tarifgebundenen Branchen wie der Automobilproduktion oder in der Papierindustrie gut, wo die Arbeitgeber auf bis zu 90 Prozent aufstocken. Andere Arbeitnehmer, vor allem die Beschäftigten kleiner Unternehmen ohne Finanzpolster, sehen dagegen meist keine weitere Zuzahlung.
Die SPD-Fraktion im Bundestag drängt die Große Koalition deshalb zu einer Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Finanzminister Olaf Scholz lehnten das bislang genauso ab wie die Minister der Unionsparteien. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte wiederholt eine Aufstockung. Nun soll es zu einer Erhöhung im zweistelligen Bereich kommen, damit möglichst vielen Arbeitnehmern der Rückgriff auf die Grundsicherung erspart bleibt. Die SPD setzt dabei auf eine pauschale Erhöhung des Kurzarbeitergelds.
Es soll unkompliziert bleiben
Eine gestaffelte Erhöhung zugunsten von Geringverdienern, wie sie die Grünen fordern, sei nicht praktikabel. "Das ist für die BA administrativ nicht zu leisten", warnte Tack. Es drohe eine Verzögerung der Auszahlungen. Gleiches erklärte am Donnerstag der BA-Vorsitzende Detlef Scheele: "Für uns als Verwaltung ist entscheidend, dass wir den Anstieg der Anzeigen nur bewältigen können, wenn das Verfahren weiter so unbürokratisch bleibt wie es jetzt ist. Es darf nicht komplizierter werden."
Bei einer pauschalen Erhöhung drohen aber auch hohe Kosten, und zwar auch zugunsten von Gutverdienern, die selbst mit 60 Prozent ihres sonstigen Nettogehalts relativ gut dastehen. Aus ihrer Konjunkturrücklage von 26 Milliarden Euro plant die Bundesarbeitsagentur derzeit, bis zu zehn Milliarden Euro zu entnehmen. Die im Bundeshaushalt für Kurzarbeit eingestellten 225 Millionen Euro reichen jedenfalls nicht aus.
Es könnte sogar sein, dass die 26-Milliarden-Euro-Reserve vollständig abschmilzt, wenn die Kurzarbeit über einen längeren Zeitraum stark nachgefragt ist. 2009 wurden rund fünf Milliarden Euro für das Kurzarbeitergeld aufgewendet, womit nach Berechnungen der BA 300.000 Arbeitsplätze gesichert wurden. Im Zuge der Corona-Krise könnte die Vermeidung einer Massenarbeitslosigkeit ein Vielfaches kosten. Ist die Rücklage aufgebraucht, muss Steuergeld nachgeschossen werden. Dies wird umso wahrscheinlicher, je größer die Aufstockung ausfällt.
Quelle: ntv.de