"Probleme im Dialog lösen" SPD-Sprecher fordert diplomatische Beziehungen mit Taliban
29.06.2024, 16:04 Uhr Artikel anhören
Vor drei Jahren reißen die Taliban in Afghanistan die Macht an sich.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Seit ihrer Machtübernahme 2021 hat kein Land die Herrschaft der Taliban in Afghanistan offiziell anerkannt. Kurz vor dem UN-Treffen in Doha fordert der außenpolitische Sprecher der SPD die Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in Kabul. Damit sollen die Islamisten jedoch nicht aufgewertet werden.
Zum Auftakt der Afghanistan-Konferenz der UN an diesem Sonntag fordert Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dass Deutschland seine Afghanistan-Politik überdenken müsse. "Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir mit diesem Land künftig umgehen wollen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Taliban in absehbarer Zeit ihre Macht wieder abgeben werden", schreibt Schmid in einem exklusiven Gastbeitrag für den "Tagesspiegel".
Angesichts der problematischen Politik des Taliban-Regimes liege es "nicht in unserem Interesse, das Taliban-Regime aufzuwerten oder zu stärken". Indem Deutschland jedoch aus nachvollziehbaren Gründen die diplomatische Anerkennung und Entwicklungshilfe verweigere, "tragen wir ungewollt dazu bei, das Elend im Land zu verschlimmern".
Anders als 2001 nach den Terroranschlägen von 9/11 sei Afghanistan heute kein sicherer Hafen mehr für international operierende Terroristen. Auch seien die Taliban längst keine homogene Einheit mehr. Neben "ideologisch verbohrten Hardlinern" gebe es inzwischen auch "Kräfte, die erkannt haben, dass die Probleme des Landes nur im Dialog und in Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft gelöst werden können".
Als mögliche Gebiete einer deutsch-afghanischen Kooperation nennt Schmid die Wasserwirtschaft in Zentralasien sowie den Schutz des afghanischen Kulturguts. Weiterhin solle die Bundesregierung darüber nachdenken, "wieder Diplomaten nach Afghanistan zu entsenden".
"Nur so können wir uns ein eigenes, genaues Bild von der Lage im Land machen. Es ist die Grundlage für ein sinnvolles und zielgerichtetes Engagement Deutschlands vor Ort", betont Schmid. Ein jahrelanger Boykott helfe niemandem und werde auch die Herrschaft der Taliban nicht beenden.
Taliban schicken Delegation zu UN-Treffen
Die Taliban-Regierung will mit einer Delegation an dem UN-Treffen in Katar zur Lage in Afghanistan teilnehmen. Ziel der Zusammenkunft am 30. Juni und 1. Juli in Doha wird es sein, das internationale Engagement für das von Krisen heimgesuchte Land zu verstärken. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid sagte dem TV-Sender TOLO News Mitte Juni, eine Präsenz bei den Gesprächen werde für Afghanistan in Bezug auf humanitäre Hilfe und Investitionen von Vorteil sein. Im Februar hatten die Islamisten es noch abgelehnt, an einem ähnlichen UN-Treffen in Doha teilzunehmen.
Seit ihrer Rückkehr an die Macht im August 2021 haben die Taliban trotz zunächst anderslautender Ankündigungen Forderungen zur Bildung einer inklusiven Regierung sowie für den Respekt von Frauen- und Menschenrechten zurückgewiesen. Bisher hat kein einziges Land weltweit die Taliban-Herrschaft offiziell anerkannt. Westliche Botschaften haben das Land verlassen. In einigen Staaten wie China, Russland, Pakistan oder Iran haben jedoch Botschafter der Taliban ihre Arbeit aufgenommen.
Die humanitäre Lage in Afghanistan ist sehr prekär. Die Europäische Union hatte im Juni humanitäre Unterstützung in Höhe von 150 Millionen Euro für Hilfsorganisationen angekündigt, die in Afghanistan tätig sind oder in den Nachbarstaaten afghanische Flüchtlinge betreuen. Bei der Hilfe für Afghanistan gehe es unter anderem darum, eine Hungersnot zu verhindern, erklärte die EU.
Quelle: ntv.de, gut/dpa