Politik

Brusttrommeln eines RatlosenSalvini stichelt und piesackt Meloni

05.12.2025, 18:22 Uhr A. Affaticati 1Von Andrea Affaticati, Mailand
October-22-2025-Rome-Italy-Italian-Prime-Minister-Giorgia-Meloni-addresses-the-Italian-Senate-ahead-of-the-next-European-Council-at-Palazzo-Madama-in-Rome
Salvini stichelt gerne gegen Meloni - mehr aber auch nicht. (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Immer Ärger mit Matteo: Die sonst so unaufgeregte Regierungsführung von Giorgia Meloni wird immer wieder von ihrem Vize-Premier Salvini gestört. Der begehrt gerade wieder auf, doch Meloni kann das wohl gelassen hinnehmen.

Nach längerer Zeit anhaltend schwacher Umfragewerte verspürt Italiens stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini wieder Rückenwind. Vor zwei Wochen hat seine Partei, die nationalpopulistische Lega, die Fratelli d'Italia von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni haushoch geschlagen. Endergebnis der Abstimmung in der Nordprovinz Venezien: 36,3 Prozent für die Lega, Fratelli d'Italia dagegen nur 18,7 Prozent. Dass es sich nur um Regionalwahlen handelte, noch dazu in einer Hochburg der Lega, ist Salvini egal. Für ihn war es ein Freibrief, wann immer sich die Gelegenheit bietet, Meloni eins auszuwischen.

Nicht weil er sich mit ihr schwertut, zumindest ist das nicht der eigentliche Grund. Was er wirklich will, ist, die Schlagzeilen zu dominieren, gleich mit welchem Thema. Salvini ist so etwas wie der Zappelphilipp der amtierenden Rechts-Mitte-Regierung. Wobei er aber mehr nervt, als dass er eine Gefahr darstellt. Meloni sitzt nach drei Jahren noch immer fest im Sattel und wird auch international dafür gelobt - unlängst von der britischen Wochenzeitung "The Economist".

Der Lega-Chef hat es der Premierministerin nie verziehen, dass sie ihm nicht das Innenministerium gegeben hat. Auch deswegen stellt er sich quer, wann immer sich die Möglichkeit bietet. Zu Salvinis Tagespensum gehört es, sich immer wieder ein Thema aus dem politischen Alltag herauszufischen, um damit herumzupoltern. Im Moment legt er sich für seine Pro-Russland-Kampagne ins Zeug.

Meloni reagiert schon fast nicht mehr

Vergangenen Montag bot sich Salvini eine perfekte Gelegenheit: Meloni weilte auf Staatsbesuch im Bahrain und er nutzte das, um aus der Tagesordnung des Ministerrats das Thema Waffenlieferungen an die Ukraine zu streichen. Normalerweise reagiert Meloni gar nicht mehr auf Salvinis Sticheleien. Aber diesmal doch. Immerhin hat sie sich auch mit ihrer Unterstützung der Ukraine internationales Ansehen verschafft. Noch aus Bahrain belehrte sie ihren Koalitionspartner Salvini, dass die Befugnis zur Waffenlieferung von Italien an die Ukraine wie jedes Jahr erst am 31. Dezember auslaufe "und bis dahin werden weitere Ministerräte stattfinden".

Außerdem bewillige man mit diesem Dekret nicht eine schon geplante Waffenlieferung, sondern nur die Möglichkeit einer solchen, so Meloni. Und wenngleich die Regierung in Rom für den Frieden arbeite, werde man "solange der Krieg anhält, alles tun, damit sich die Ukraine verteidigen kann".

Dass am Ende auch die Parlamentarier der Lega wie in den vergangenen Jahren zustimmen werden, gilt als ziemlich sicher. Bis jetzt hat Italien der Ukraine zwölfmal Waffen geliefert. Zu diesen zählten FH70-Haubitzen, Flugabwehrsyteme (Samp/T, Aspide), Späh- und Truppenpanzer (M113, Lince) sowie Munition.

Salvini begründete seine Aktion damit, dass es angesichts der Verhandlungen zwischen Washington und Moskau doch besser sei, abzuwarten - "vielleicht steht ja bis Jahresende ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine". Weiterhin versäumt es Salvini nie, an die Korruptionsaffäre zu erinnern, die vor Kurzem Kiew erschüttert hat. "Was ist", fragt er vor laufenden Kameras, "wenn die knapp 3 Milliarden Euro, mit denen Italien seit Kriegsbeginn die Ukraine jährlich unterstützt, in die falschen Hände gelangen?"

Ablenkungsmanöver von Misserfolgen

Ein wenig Zappelphilipp ist Salvini wahrscheinlich von Natur aus, seine sich häufenden Misserfolge verstärken aber das Syndrom. Die zwei, die ihm wahrscheinlich am meisten zusetzen, sind die Rentenreform und der Bau der Brücke über der Straße von Messina. Seit Jahren verspricht er, mit ihm in der Regierung werde das Rentenalter wieder auf 65 Jahre heruntergesetzt werden. Tatsache ist jedoch, dass man ab 2027 nicht mehr mit 67 Jahren, sondern der Lebenserwartung angepasst mit 67 Jahren und 3 Monaten in Rente gehen wird.

Und auch der Bau der Brücke, die Sizilien mit Kalabrien verbinden soll und mit der er sich als Infrastrukturminister gerne verewigen würde, ist momentan gestoppt. Es fehlen Unterlagen und Gutachten.

Auch um von diesen Fiaskos abzulenken, mischt sich Salvini in die Außenpolitik ein und spielt sich immer wieder als Friedensprediger auf. Mehrmals hat Außenminister und Vizepremier Antonio Tajani versucht, ihn in die Schranken zu weisen, und ihm gesagt: "Außenpolitik gehört in den Kompetenzbereich des Außenministers und der Premierministerin." Salvini erwiderte forsch: "Da ich auch Vizepremier bin, gehört die Materie auch in meinen Bereich."

Nicht gefährlich, aber ein wenig demütigend

Wie bereits erwähnt, hat sich Meloni von Salvinis Attacken nicht beirren lassen. Er stellt für sie keine wirkliche Gefahr dar. Zwar ist ihre Koalition auch auf die Lega angewiesen, der Lega-Chef weiß aber, dass er es sich nicht leisten kann, zu gehen. Das wäre nämlich das sichere Aus seiner Karriere.

Ende November spielte er Meloni aber einen Streich, den sie nicht so schnell vergessen wird. Es ging dabei um die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Das zu verabschiedende Gesetzt besagt, dass Sex ohne Einwilligung als Vergewaltigung gilt. Eine Straftat, auf die sechs bis zu zwölf Jahre Haft stehen. Für dieses Gesetz haben sich sogar Meloni und die Vorsitzende der Demokratischen Partei, Elly Schlein, ausgetauscht und sind zu einer Übereinstimmung gelangt. Nichts sollte also der parlamentarischen Verabschiedung im Wege stehen. Entsprechend lief im Abgeordnetenhaus auch alles problemlos.

Nicht so im Senat, der zweiten Kammer. Da kam es gar nicht zur Abstimmung. Lega-Senatorin und Anwältin von Salvini Giulia Bongiorno erklärte, der Gesetztext weise Lücken auf, die man unbedingt schließen müsse. Salvini, der sich natürlich zu Wort meldete, erklärte, ihm sei der Begriff "Zustimmung" zu vage. Er sehe das Risiko, dass Partner einander einzig und alleine aus Rachsucht anzeigen, auch wenn nichts geschehen war. Für die Premierministerin war das zweifelsohne eine Affront. Ein Affront, der sehr gefährlich wäre, hätte Salvini denn eine Alternative zu seiner Juniorrolle unter Meloni.

Quelle: ntv.de

ItalienWaffenlieferungMatteo SalviniGiorgia Meloni