Ampel-Streit um Hamburger Hafen Scholz besteht auf abgespecktem China-Deal
25.10.2022, 17:48 Uhr
Bundeskanzler Scholz setzt sich über massive Bedenken der Fachministerien hinweg.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nach dem Einspruch von sechs Ministerien gegen eine chinesische Beteiligung im Hamburger Hafen liegt ein Kompromiss auf dem Tisch: Die Firma Cosco soll nur eine Minderheitsbeteiligung bekommen. Das Kanzleramt bestimmt die Agenda und kann die Kritiker zwingen, dieser "Notlösung" zuzustimmen.
Der geplante Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen sorgt weiter für Streit innerhalb der Bundesregierung. Laut Informationen aus Regierungskreisen sehen die an der Prüfung des Geschäfts beteiligten sechs Fachministerien auch einen Kompromiss über eine reduzierte Beteiligung von 24,9 Prozent nur als "Notlösung" an. Eine "Volluntersagung" werde weiterhin für den richtigen Weg gehalten.
Ein Kabinettsbeschluss für ein Komplettverbot lässt sich von den Ministerien gegen den Willen des Bundeskanzleramts jedoch nicht erreichen. Dem Vernehmen nach lehnt das Kanzleramt es ab, diesen auf die Tagesordnung zu setzen und hat stattdessen lediglich die "Teiluntersagung" auf die Agenda gesetzt.
Derweil drängt die Zeit: Die Regierung müsste bis kommenden Montag Einspruch gegen das Geschäft einlegen, dann läuft die Prüffrist ab. Tut sie es nicht, gilt es in der ursprünglichen Form als genehmigt - Cosco würde dann 35 Prozent übernehmen. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich ab, dass die Fachministerien dem Kompromiss notgedrungen zustimmen. Durch eine Begrenzung einer Cosco-Beteiligung auf 24,9 Prozent werde wenigstens eine strategische Beteiligung verhindert und auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert, hieß es.
Scholz weist Bedenken zurück
Das geplante Geschäft zwischen dem Hamburger Hafenlogistikunternehmen HHLA und der chinesischen Staatsreederei Cosco sorgt schon seit Tagen für Wirbel. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Freitag beim EU-Gipfel Kritik daran zurückgewiesen. Cosco möchte 35 Prozent der Anteile an dem Containerterminal Tollerort erwerben, das von einer HHLA-Tochterfirma betrieben wird. Die Regierung untersucht im Rahmen eines Investitionsprüfverfahrens, ob das Geschäft mögliche Sicherheitsrisiken birgt.
Im Hamburger Hafen gibt es vier Containerterminals, drei davon betreibt die HHLA. Das Terminal Tollerort ist das flächenmäßig kleinste, gilt aber als leistungsfähig und ist für die Abfertigung von Großcontainerschiffen der neuesten Generationen ausgelegt. Es hat auch einen eigenen Bahnanschluss. Das Terminal wird laut HHLA schon seit längerem von Cosco-Schiffen genutzt und ist eine der wichtigsten Drehscheiben für den Seehandel zwischen Asien und Europa. China ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner des Hamburger Hafens. Nahezu ein Drittel des Containerumschlags entfiel 2021 auf den Chinahandel.
Kritik von FDP, Grünen und Union
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs wird der Cosco-Einstieg kritisch gesehen. Viele warnen vor neuen strategischen Abhängigkeiten von autoritären Staaten. Die Oppositionsparteien CDU, CSU und die Linke, aber auch Politiker der Ampel-Koalitionsparteien Grüne und FDP sehen deshalb jegliche Cosco-Beteiligung skeptisch. "Der angekündigte Kompromiss ist eine politische Notlösung. Auch eine geringere Beteiligung vertieft die einseitige Abhängigkeit von China", sagte Unions-Bundestagsfraktionsvize Jens Spahn der "Rheinischen Post".
"Etwas weniger falsch zu machen heißt nicht, das Richtige zu tun", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter der Funke-Mediengruppe. "Der Verkauf von 24,9 Prozent ist besser als von 35 Prozent, aber die prinzipiellen Probleme bleiben." Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Stephan Thomae, sagte dem Portal t-online, der Hamburger Hafen gehöre zur kritischen Infrastruktur. "Einem autoritären Regime wie China hier Einfluss zu geben, ist ein Fehler."
Zustimmung zum Kompromiss kam dagegen aus der SPD-Bundestagsfraktion. Eine Minderheitenbeteiligung von Cosco schließe "vertragliche Sonderrechte" aus, erklärte deren Vizevorsitzende Verena Hubertz in Berlin. Damit sei gesichert, dass das Unternehmen keinen strategischen Einfluss ausübe. Die HHLA selbst betonte, der geplante Deal beziehe sich nur auf die Tochter, die das Terminal betreibe. Ein "Zugriff" auf die HHLA, den Hafen und dessen Infrastruktur oder strategisches Knowhow seien damit nicht verbunden.
Quelle: ntv.de, mau/AFP/rts