Bei Corona "keine roten Linien" Scholz hofft auf Einsicht bei Impfpflicht
12.12.2021, 03:01 Uhr
"Mein Ziel als Kanzler ist es, dass am Ende des Jahrzehnts alle antworten: 'Ja, es ist gut gelaufen für mich'", sagt Olaf Scholz.
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"Wir sind ein Land, in dem sich die allermeisten an Gesetze halten": Deshalb möchte Kanzler Scholz bei der Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht nicht gleich mit der Polizei drohen. Zudem lehnt er im Kampf gegen die Pandemie ab, Maßnahmen bereits im Vorfeld auszuschließen.
Bundeskanzler Olaf Scholz will bei der Durchsetzung der geplanten allgemeinen Corona-Impfpflicht stärker auf die Einsicht der Bürgerinnen und Bürger als auf die Polizei setzen. "Wir sind ein Land, in dem sich die allermeisten an Gesetze halten", sagte Scholz der "Bild am Sonntag". "Wir halten vor roten Ampeln an. Wir achten die Verkehrsregeln. Nicht weil uns überall gleich die Polizei kontrolliert. Sondern weil es zu unserer Natur gehört, dass wir uns an solche Regeln halten."
Über die genaue Ausgestaltung einer Impfpflicht für alle werde der Bundestag beraten, fügte Scholz hinzu. "Ich selbst werde jedenfalls als Abgeordneter für eine Impfpflicht stimmen, weil sie rechtlich zulässig und moralisch richtig ist." Der SPD-Politiker hatte kürzlich angekündigt, ein Gesetzgebungsverfahren zur allgemeinen Corona-Impfpflicht "zeitnah" auf den Weg zu bringen. Dabei solle jeder Abgeordnete des Bundestags ohne Fraktionszwang "nach seinem Gewissen abstimmen" können.
Zudem zieht Scholz bei der Pandemiebekämpfung nach eigenen Angaben alle Maßnahmen in Betracht. "Es darf keine roten Linien geben, das hat uns diese Pandemie nun wirklich gezeigt. Wir müssen immer bereit sein, umzudenken, wenn die Umstände es erfordern", sagte er der Zeitung. Dann müsse man schnell und entschlossen handeln. "Damit die Krankenhäuser trotz der vielen Corona-Patienten genügend Intensivbetten anbieten können, haben wir gerade viel Geld bereitgestellt", erklärte er.
"Bin auch Kanzler der Ungeimpften"
"Auch das Böllerverbot an Silvester zielt darauf ab, dass nicht weitere Verletzte zusätzlich die Notaufnahmen belasten." Einen Weihnachts-Lockdown schloss Scholz nicht kategorisch aus. Auf eine entsprechende Frage sagte er: "Gerade haben der Bund und die Länder sehr rigide Maßnahmen ergriffen. Wir werden täglich prüfen, wie sie umgesetzt werden und ob sie ausreichen."
Nach Scholz' Ansicht ist Deutschland nicht in geimpfte und ungeimpfte Menschen gespalten. "Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger haben sich impfen lassen. Viele weitere wollen es bald tun, weil sie ihre Bedenken überwunden haben", meinte er. "Und von denen, die sich nicht impfen lassen, sind es ja nur sehr wenige, die glauben, sie müssten ihren Widerstand gegen die Impfungen mit martialischen Fackelmärschen demonstrieren und Politikerinnen oder Politiker bedrohen, die sich rund um die Uhr für die Bürgerinnen und Bürger ins Zeug legen."
Scholz beteuerte: "Ich will das Land zusammenhalten. Und bin also auch der Kanzler der Ungeimpften." Verschiedene Meinungen zu haben, bedeute nicht gleich Spaltung. "Wir dürfen auch streiten. Ich bin überzeugt, dass die allermeisten Ungeimpften diese Fackelkundgebungen als genauso widerwärtig empfinden wie ich." Vor einigen Tagen waren Gegner der Corona-Politik mit Fackeln vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping aufmarschiert.
Dabei, das Land zusammenzuhalten, sollen regelmäßige Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern helfen. In dem Interview sagte der SPD-Politiker: "Wir planen regelmäßige Begegnungen, persönlich oder in digitalen Formaten. Von dem Gespräch mit den Bürgern profitiere übrigens auch ich, denn es erdet mich, und ich gewinne viele Einsichten hinzu." Seine trockene Art werde er aber beibehalten. "Mein nüchternes Naturell werde ich nicht mehr ändern", meinte er.
Den Menschen in Deutschland will Scholz nach eigenen Worten Optimismus zurückgeben. "Mein Ziel als Kanzler ist es, dass am Ende des Jahrzehnts alle antworten: 'Ja, es ist gut gelaufen für mich'." Viele Bürgerinnen und Bürger seien leider schon länger nicht mehr ganz sicher, ob ihre Zukunft besser werde. "Das ist nicht gut, das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Wir brauchen wieder mehr Zuversicht."
Quelle: ntv.de, ses/dpa/AFP