"Das ärgert mich" Scholz lehnt Aufarbeitung von Russlandpolitik ab
22.04.2022, 12:48 Uhr
Scholz verteidigt erneut seine Linie bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine.
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In der Debatte um eine Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine steht Bundeskanzler Scholz seit Tagen in der Kritik. Auch seine Partei bekommt wegen der früheren Russlandpolitik ihr Fett weg. Scholz wehrt sich nun entschieden gegen Kritik am außenpolitischen Kurs der SPD. Erneut äußert er sich zu Waffenlieferungen.
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht keinen Anlass für seine Partei, ihre Russlandpolitik der vergangenen Jahre selbstkritisch aufzuarbeiten. "Seit Adenauers Zeiten gibt es diese verfälschenden und verleumderischen Darstellungen der Europa- und Russlandpolitik der SPD, das ärgert mich", sagt Scholz in einem Interview mit dem "Spiegel". "Ich befürworte jede Diskussion über die künftige Politik. Aber ich weise zurück, dass die Eintrittskarte für eine Debatte eine Lüge ist."
"Die sozialdemokratische Partei ist eine fest in das transatlantische Bündnis und den Westen eingebundene Partei, die die Vorwürfe, die da erhoben werden, nicht akzeptieren muss", sagte Scholz. Er verwies insbesondere auf die Entspannungspolitik der SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt. Diese habe es "erst möglich gemacht, dass der Eiserne Vorhang verschwindet, dass viele Länder Osteuropas die Demokratie gewinnen konnten, und dass wir heute in der Europäischen Union vereint sind".
"Es war immer eine Politik, die auf eine starke Bundeswehr und die Eingebundenheit in den Westen gesetzt hat", betonte Scholz. "Das ist die Tradition, für die ich stehe." Er selbst habe sich ohnehin in seiner Sicht auf Russland "schon länger von kritischen Stimmen beeindrucken lassen" und viele Bücher dazu gelesen, sagte der Kanzler. "Das hat meine Überzeugung geprägt, dass Russland den Weg zur Autokratie schon lange beschritten hat."
Scholz verteidigt Ringtausch schwerer Waffen
Zudem verteidigt Scholz seinen Kurs, keine schweren Waffen aus westlicher Produktion an die Ukraine zu liefern. "Das militärische Gerät muss ohne langwierige Ausbildung, ohne weitere Logistik, ohne Soldaten aus unseren Ländern eingesetzt werden können", so Scholz. Dies gehe "am schnellsten mit Waffen aus ehemaligen sowjetischen Beständen, mit denen die Ukrainer gut vertraut sind."
Es sei deshalb "kein Zufall, dass mehrere osteuropäische NATO-Partner jetzt solche Waffen liefern und bisher kein Bündnispartner westliche Kampfpanzer", sagte Scholz. "Die Lücken, die durch diese Lieferungen bei den Partnern entstehen, können wir sukzessive mit Ersatz aus Deutschland füllen, wie wir es gerade im Fall Slowenien besprochen haben."
Weitere Waffen sollen an Ukraine geliefert werden
Scholz verwies zugleich auf die bisherigen Waffenlieferungen Deutschlands. "Wir haben aus den Beständen der Bundeswehr Panzerabwehrwaffen, Flugabwehrgeräte, Munition, Fahrzeuge und viel Material geliefert", sagte er. Zusammen mit den Beiträgen Dutzender Verbündeter habe dies der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf unmittelbar geholfen. "Das sehen wir an den militärischen Erfolgen der ukrainischen Armee."
Nun seien "die Möglichkeiten der Bundeswehr, aus ihrem Arsenal weitere Waffen zu liefern, (...) weitgehend erschöpft", betonte Scholz. "Was noch verfügbar gemacht werden kann, liefern wir aber auf jeden Fall noch - Panzerabwehrwaffen, Panzerrichtminen und Artilleriemunition." Die Bundeswehr müsse ihrerseits in der Lage sein, "das Bündnisgebiet jederzeit verteidigen zu können (...) Denn die Bedrohung des NATO-Gebiets durch Russland besteht ja fort."
Im Gespräch mit der deutschen Industrie sei inzwischen eine Liste militärischer Ausrüstungsgüter erstellt worden, die rasch lieferbar seien, sagte der Kanzler. Diese sei mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium besprochen. Es gehe "wie bisher" um "Verteidigungswaffen und Mörser für Artilleriegefechte", sagte Scholz. "Diese Waffenlieferungen bezahlen wir. Insgesamt stellt Deutschland zwei Milliarden Euro zur Verfügung, ein großer Teil davon kommt direkt der Ukraine zugute."
Quelle: ntv.de, vmi/AFP/dpa