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Neuer Untersuchungsausschuss Scholz wird den Cum-Ex-Skandal einfach nicht los

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Im August 2022 trat Scholz vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft auf.

Im August 2022 trat Scholz vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft auf.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bisher sah es so aus, als habe der Kanzler die Affäre um Steuernachlässe für die Hamburger Warburg-Bank überstanden. Die Union macht dem einen Strich durch die Rechnung, sie will die Vorgänge parlamentarisch durchleuchten. Die Frage ist: Was soll herauskommen, was nicht schon bekannt ist?

Olaf Scholz ist bekannt für seine Seelenruhe. Vergangenen Sommer erlebte die Nation eine andere Seite des Kanzlers. In einer Pressekonferenz blieb er, als es um den Cum-Ex-Skandal ging, zunächst sachlich. Präzisen Fragen wich der Sozialdemokrat aus. Er verweigerte selbst dann eine konkrete Antwort, wenn ein Ja oder Nein genügt hätte. Als dann aber ein niederländischer Journalist Zweifel am Wahrheitsgehalt diverser Aussagen des Kanzlers äußerte, verlor der SPD-Politiker die Contenance.

Der Reporter, der Fakten und Unbewiesenes in seiner Frage vermengte, behauptete, der Inhaber der privaten Hamburger Warburg-Bank, Christian Olearius, habe "dem deutschen Staat 47 Millionen Euro geklaut", zu einer Zeit, als Scholz in der Hansestadt Erster Bürgermeister war. Dass das Geldinstitut von Olearius, der seit Monaten auf seinen Prozess wartet, "das geklaute Geld behalten durfte", sei auf eine "Anweisung" von Scholz zurückzuführen. "Tatsache" sei, dass die Finanzbehörde auf die Summe verzichtet habe, weil es der Erste Bürgermeister so gewollt habe.

"Alles, was ich berichten kann, habe ich bereits berichtet", erklärte Scholz in dieser Pressekonferenz auch. Er habe "freundlich" darauf hingewiesen, dass das Thema "seit zweieinhalb Jahren" beleuchtet werde und "ganz klar" feststehe, dass es keine Beeinflussung der Politik gegeben habe. Er gehöre nicht zu den Leuten, "die so etwas machen". Sollte der Reporter dennoch von einer Tatsache sprechen, könne er das "nicht erhärten", erklärte Scholz und warnte bissig davor, die Behauptung zu wiederholen: "Sie würden sie nicht erhärten können, wenn Sie es müssten. Bedenken Sie das, wenn Sie sowas sagen."

Keine Einmischung, keine Erinnerung

Von einer "Tatsache" kann mitnichten gesprochen werden. Aber der Verdacht steht nach wie vor im Raum - und Scholz wird ihn einfach nicht los, obwohl es für die Anschuldigung nach wie vor keinen Beweis gibt, lediglich Indizien, die sehr unterschiedlich ausgelegt werden (können), allen voran das lange als geheim eingestufte Protokoll vom Juli 2020. Das Dokument gibt Aussagen von Scholz in indirekter Rede aus einer Sitzung des Finanzausschusses im Bundestag wieder. Der Sozialdemokrat erklärte damals, sich Jahre zuvor bei einem Treffen mit Olearius, lediglich dessen Sicht angehört zu haben. "Man habe über viele Dinge gesprochen." Im Anschluss habe er "keine Veranlassung gesehen", sich in das Verfahren einzumischen, was auch nicht passiert sei.

In späteren Aussagen vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft machte Scholz umfassende Gedächtnislücken geltend, auch in Bezug auf das Gespräch mit Olearius, das unmittelbar vor der Entscheidung stattfand, ob der Stadtstaat auf viele Millionen Euro besteht oder nicht. Was der Kanzler allerdings fest im Gehirn verankert haben will, ist, dass er sich nicht für das Unternehmen stark gemacht habe. Matthias Hauer, CDU-Obmann im Finanzausschuss des Bundestages, fragte süffisant: "Wenn Scholz alles vergessen hat, warum kann er sich dann so genau daran erinnern, dass er keinen Einfluss auf das Verfahren ausgeübt hat?"

Scholz schafft es nicht, die Affäre hinter sich zu lassen

Noch immer wird über das Motiv gestritten, warum Hamburg 2016 und 2017 auf 90 Millionen Euro aus zwielichtigen Cum-Ex-Deals verzichten wollte - die Bank hat die Steuerschuld längst beglichen -, obwohl Olearius schon im Fokus von Ermittlern stand. War es ein Gefallen für das Kreditinstitut? Wenn ja, was war das Motiv? Oder war es "nur" Versagen der Finanzbehörde? Fest steht: Hamburg korrigierte sich, nachdem das damals CDU-geführte Bundesfinanzministerium intervenierte.

Richard Seelmaecker, CDU-Sprecher im Hamburger U-Ausschuss, glaubt, das Motiv zu kennen. Er sagte ntv.de vergangenen August, wenn die Finanzbehörde das Geld von der Warburg-Bank zurückverlangt hätte, hätte sie es auch von dem - inzwischen privatisierten - Landesunternehmen HSH Nordbank einfordern müssen. "Das hätte bedeutet, dass die Politik offen hätte zugeben müssen, Millionen mit dubiosen Geschäften verdient zu haben." Das wäre Scholz angekreidet worden, meinte der Christdemokrat, der den Kanzler offen der Lüge bezichtigt.

Nachdem die Staatsanwaltschaften in Hamburg und Köln keine Ermittlungsverfahren wegen Falschaussagen einleiteten, sah es so aus, als würde Scholz den Skandal unbeschadet als Kanzler überstehen. Da er aber Forderungen der Opposition nicht nachkommt, weiter extrem dünnhäutig auf unbequeme Fragen zu der Affäre reagiert, das Kanzleramt teils mit fadenscheinigen Begründungen journalistische Anfragen abwehrt und sein direktes Umfeld jede Menge PR-Fehler begeht, schaffte er es nicht, die Affäre hinter sich zu lassen. Von Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt ist bekannt, dass er sich in Redaktionen beschwert, wenn ihm Berichterstattung über den Cum-Ex-Skandal nicht gefällt - in der offensiven Weise ein NoGo in der Berliner Republik. Der Investigativjournalist Oliver Schröm - Co-Autor des Buches "Die Akte Scholz" - fühlt sich von Schmidt regelrecht verfolgt und diskreditiert.

"Kratergroße Erinnerungslücken"

Nicht zuletzt deshalb ließ die Union auch im Bund in der Sache nie locker. Sie stritt sich wochenlang mit dem FDP-geführten Bundesfinanzministerium über die Entsperrung des ehemals geheimen Protokolls und zeigte sich empört, als die Ampelkoalition erklärte, sie sei schon immer für die Veröffentlichung gewesen. Dem Wunsch von CDU und CSU, Scholz erneut vor dem Finanzausschuss zu dem entsperrten Geheimprotokoll zu befragen, gab das Regierungsbündnis nicht nach.

Auch deshalb schlug CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz jetzt einen weiteren Untersuchungsausschuss vor, mit dem die Union schon seit Monaten liebäugelt. "Der Sachverhalt" weise "bundespolitische Bezüge in erheblichem Umfang" auf, heißt es in einem Brief von Merz an die Abgeordneten von CDU und CSU, der ntv.de vorliegt. Die Begründung wirkt dünn, misst man sie an den Fragestellungen, die Merz in seinem Schreiben aufwirft, das auch von Alexander Dobrindt, dem Vorsitzenden der CSU-Abgeordneten im Bundestag, unterzeichnet worden ist. Die Sachverhalte, die die Union klären lassen will, sind exakt die, die der Hamburger Untersuchungsausschuss seit etlichen Monaten beleuchtet. Die "umfassende Gedächtnislücke des Bundeskanzlers" zu dem Treffen mit Olearius "wirft eine Vielzahl von zu klärenden Fragen auf". Unklar ist, wie die Union Antworten finden will, wenn Scholz wie in seinen zwei Hamburger Aussagen erklärt, sich nicht zu erinnern.

Der Zeitpunkt des Vorstoßes ist sicher kein Zufall. Denn der Union dürfte es nicht allein um Scholz und die SPD gehen, sondern auch um Grüne und FDP. Der SPD-Politiker "hatte plötzlich kratergroße Erinnerungslücken. Doch die sind bei einem Kontroll-Freak wie Scholz, der sonst über jedes Detail informiert ist, nicht glaubwürdig", hatte beispielsweise die Finanzexpertin der Grünen, Lisa Paus, wenige Tage vor der Bundestagswahl 2021 gesagt. Die ist inzwischen Bundesfamilienministerin, äußert sich nicht mehr zu dem Skandal und hat sicher kein Interesse, den Kanzler weiterhin als Schwindler darzustellen.

Quelle: ntv.de

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