Wintergefechte in der Ukraine Satelliten enthüllen Kriegsspuren bei Robotyne
31.01.2024, 06:11 Uhr Artikel anhören
Brutalität und Elend des Krieges in der Ukraine: Explodierende Granaten wühlen an den Brennpunkten die Erde auf.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
An der Saporischschja-Front im Süden der Ukraine stehen die Verteidiger massiv unter Druck. Aufnahmen aus dem All deuten auf massiven Beschuss mit Bomben und Artilleriegranaten hin: In der winterlichen Landschaft rund um Robotyne klaffen unzählige dunkle Krater.
Das Wetter bleibt beherrschender Faktor an der Front, ermöglicht zugleich jedoch auch einen seltenen Einblick in die Entwicklungen auf dem Schlachfeld: Im zweiten Kriegswinter in der Ukraine sind die Böden im Süden des Landes zeitweise tief vereist.
Mitte Januar liegt das Gelände im Frontbogen bei Robotyne - Schauplatz schwerer Gefechte - zeitweise unter einer geschlossenen Schneedecke, wie aktuelle Satellitenbilder belegen. In der eisigen Landschaft hinterlassen die Kampfhandlungen deutlich erkennbare Spuren.

Brennpunkt im Süden der Ukraine: Blick auf Robotyne (roter Kreis) in einer Falschfarbenaufnahme aus dem Januar 2024.
(Foto: ntv.de © ESA, Sentinel Hub )
Aus dem All treten die Ausmaße des Beschusses am Boden offen zutage: Frische Einschlagkrater und die Explosionen schwerer Fliegerbomben heben sich in der Kampfzone als dunkle Narben ab. Ältere, schneegefüllte Granattrichter dagegen erscheinen in den Aufnahmen europäischer Erdbeobachtungssatelliten in Weiß.
Offene Ackerflächen mit Schneeauflage sind in den Satellitenbildern als helle Flächen zu erkennen. Vegetation ist in den Falschfarbenaufnahmen an den unterschiedlichen Rottönen zu erkennen. In den Satellitenfotos im Normalspektrum sind Wiesen, Brachflächen Gebäude dagegen braun gefärbt. Klar auszumachen sind aus dem All auch Straßen, Feldwege und die für die Region typischen Waldstreifen, die als angepflanzter Windschutz die Felder begrenzen.

Winterkrieg in der Ukraine: der Frontabschnitt bei Robotyne mit eingezeichneter Frontlinie.
(Foto: ntv.de © ESA, Sentinel Hub )
Das Muster wirft ein Schlaglicht auf das Kriegsgeschehen an der Front: Zwischen Robotyne und Werbowe sind riesige Areale von pockenartigen Flecken übersät. Insbesondere westlich von Robotyne, am südlichen Ortsrand und offenen Gelände Richtung Werbowe tauchen entlang der Waldstreifen von unzähligen Explosionen umgepflügte Flächen auf.
Die Ortschaft Robotyne ist längst überregional bekannt: Wenige Wochen nach Beginn der ukrainischen Sommeroffensive tauchten hier beim Sturm auf das Dorf die ersten Leopard-Kampfpanzer auf. Quer durch die Region sollte der ukrainische Vormarsch Richtung Küste verlaufen. Seitdem wird in dem Gebiet intensiv gekämpft. Seit Herbst verläuft die Hauptkampflinie in einem weit nach Süden ausladenden Bogen rund um Robotyne.
Im Satellitenbild sind die Trümmer von Robotyne als hellerer Bereich etwas links unterhalb der Bildmitte zu sehen. Der Nachbarort im Süden, Nowoprokopiwka, befindet sich weiterhin fest in russischer Hand. Zu beiden Seiten erstrecken sich ausgedehnte Minensperren und die bekannten russischen Stellungsbauten.
Die Ortschaft Werbowe liegt in der Luftlinie rund zehn Kilometer entfernt im Osten. Dazwischen zieht sich der in Rot eingezeichnete Frontverlauf, so wie er sich aus den militärischen Lageberichten, übereinstimmenden Angaben und verifizierbaren Videoaufnahmen ergibt.

Falschfarbenaufnahme für einen verbesserten Kontrast: Im vereisten Gelände erscheinen frische Explosionskrater als schwarze Flecken, schneegefüllte Trichter in Weiß.
(Foto: ntv.de © ESA, Sentinel Hub )
Die Satellitenbilder zeigen nur einen kleinen, knapp 20 Kilometer breiten Ausschnitt der Front - aber immerhin einen der aktuell wichtigsten Brennpunkte. Insgesamt wird in der Ukraine entlang eines mehr als 1000 Kilometer langen und bis zu 30 Kilometern breiten Geländestreifens gekämpft. An verschiedenen Stellen der Front zeichnet sich eine wachsende Artillerieübermacht der russischen Invasionsarmee ab.
Die europäischen Sentinel-2-Satelliten, aus deren Kameras die Aufnahmen stammen, umkreisen die Erde in einer Höhe von rund 800 Kilometern. In der hier veröffentlichten Auflösung sind auf den Bildern weder ukrainische Positionen noch andere militärisch bedeutsame Details, wie Schützengräben oder gar einzelne Fahrzeuge, zu erkennen.
Zudem liegt das Aufnahmedatum bereits etwas weiter zurück: Eine kurze Lücke in der winterlichen Wolkendecke ermöglichte den zivilen Erdbeobachtungssatelliten Mitte Januar einen kurzen Blick auf die Front. Der zu diesem Zeitpunkt noch nicht restlos abgetaute Schnee eröffnet die seltene Möglichkeit, die Entwicklungen am Boden zeitlich grob einzuordnen.
Aus der Distanz ist das menschliche Leid und die Brutalität des Krieges so oder so kaum zu erahnen. Sicher ist: Der andauernde Beschuss, der von Russlands Invasionsarmee aufgezwungene Krieg und die ständige tödliche Bedrohung werden nicht nur in der Landschaft lang anhaltende Spuren hinterlassen.
Quelle: ntv.de