Ermittlungen eingeleitet Schweden stuft Kabelschäden als Sabotage ein
19.11.2024, 18:15 Uhr Artikel anhören
Das 1172 Kilometer lange Glasfaserkabel Cinia C-Lion1 überträgt seit 2016 Daten zwischen Helsinki und Rostock.
(Foto: picture alliance/dpa/Lehtikuva)
Innerhalb kurzer Zeit weisen zwei unterschiedliche Kommunikationskabel in der Ostsee Schäden auf. Die schwedischen Behörden gehen von Sabotage aus und nehmen Ermittlungen auf. Bestätigt wird damit eine Vermutung von Verteidigungsminister Pistorius und Außenministerin Baerbock.
Nach der Beschädigung von zwei Kommunikationskabeln in der Ostsee ermitteln die schwedischen Behörden wegen möglicher Sabotage. Derzeit werde der Tatbestand als Sabotage eingestuft, teilten die Polizei des skandinavischen NATO-Landes sowie der zuständige Staatsanwalt Henrik Söderman mit. An dieser Einstufung könne sich jedoch noch etwas ändern. Söderman verwies zudem darauf, dass sich die Ermittlungen in einem frühen Stadium befinden. Weitere Informationen könne man derzeit nicht herausgeben.
Ein solcher Vorfall wecke "sofort den Verdacht, dass absichtlich Schaden angerichtet wird", erklärten Außenministerin Annalena Baerbock und ihre finnische Kollegin Elina Valtonen. Die Ministerinnen reagierten damit auf bekannt gewordene Schäden sowohl an einem Telekommunikations-Kabel zwischen Deutschland und Finnland als auch an einem derartigen Kabel zwischen Schweden und Litauen.
Zuvor hatte bereits Verteidigungsminister Boris Pistorius von "Sabotage" gesprochen. "Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind", sagte Pistorius am Rande des EU-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. Es müsse davon ausgegangen werden, "ohne konkret zu wissen, von wem es kommt, dass es sich um eine hybride Aktion handelt", fuhr der Minister fort. "Und wir müssen auch davon ausgehen, ohne es schon zu wissen, versteht sich, dass es sich um Sabotage handelt."
In Finnland und Schweden wurden offizielle Ermittlungen wegen mutmaßlicher Sabotage eingeleitet. Derartige Schäden würden in diesen Gewässern "nicht ohne äußere Einwirkung" geschehen, sagte ein Sprecher des finnischen Technologiekonzerns Cinia. Das Unternehmen hatte zuvor mitgeteilt, dass aus ungeklärten Gründen ein Unterwasserkabel zwischen Deutschland und Finnland durchtrennt sei.
Der Defekt an dem Kabel Cinia C-Lion1 sei am Montag festgestellt worden. Aufgrund der Beschädigung seien die über das Kabel bereitgestellten Dienste unterbrochen. Das 1172 Kilometer lange Glasfaserkabel überträgt seit 2016 Daten zwischen Helsinki und Rostock.
Baerbock warnt vor "hybrider Kriegsführung"
"Das können alles nicht einfach nur Zufälle sein", sagte Baerbock in Warschau bei einem Treffen europäischer Außenminister. Zudem warnte sie vor "hybriden Einschüchterungsversuchen", wobei sie auf Cyberangriffe, das Ausspähen von kritischer Infrastruktur und "plötzlich explodierende Pakete" verwies. Baerbock warf Russlands Präsident Wladimir Putin vor, mit seiner "hybriden Kriegsführung" Europa spalten zu wollen.
Innenministerin Nancy Faeser sagte in Berlin, die "hohe Bedrohungslage" werde "sehr, sehr ernst" genommen. Deutschland sei an den Ermittlungen noch nicht beteiligt. Die Behörden hätten aber "Hilfe angeboten zur Unterstützung, zur Aufklärung dieses Falles", sagte Faeser.
Nach Angaben des schwedischen Zivilschutzministers Carl-Oskar Bohlin wurde überdies ein zweites Unterwasserkabel in der Ostsee beschädigt. Es sei "entscheidend zu klären, warum wir derzeit zwei Kabel in der Ostsee haben, die nicht funktionieren", sagte Bohlin der Nachrichtenagentur AFP. Bei dem zweiten beschädigten Kabel handele es sich um eine Telekommunikationsverbindung zwischen Schweden und Litauen.
Kein Gerätefehler sondern Materialschaden
Ein Sprecher des schwedischen Telekommunikationskonzerns Telia in Litauen bestätigte die Angaben des Ministers. Bei dem beschädigten Kabel handele es sich um das Unterwasserkabel Arelion zwischen der schwedischen Insel Gotland und Litauen, sagte Telia-Sprecher Audrius Stasiulaitis. Die Unterbrechung des Internetverkehrs sei "nicht durch einen Gerätefehler, sondern durch einen Materialschaden am Glasfaserkabel verursacht" worden.
Die Schäden wurden dem Sprecher zufolge bereits am Sonntagmorgen festgestellt. Die Kunden seien jedoch nicht von dem Ausfall betroffen. Der Internetverkehr sei auf andere internationale Verbindungen umgeleitet worden.
Kritische Infrastruktur in Ostsee im NATO-Fokus
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 hatte es in der Ostsee wiederholt Fälle gegeben, die auf mögliche Sabotage schließen ließen. Bei Explosionen, deren Ursache bis heute ungeklärt ist, waren im September 2022 die unter der Ostsee von Russland nach Deutschland verlaufenden Gasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 beschädigt worden.
So steht die kritische Infrastruktur in der Ostsee stärker im Fokus der Öffentlichkeit und insbesondere der NATO. Im Herbst 2023 wurde mit der Ostsee-Pipeline Balticconnector eine wichtige Energieleitung zwischen Finnland und Estland gekappt und dabei auch ein Datenkabel zwischen den beiden EU-Staaten beschädigt. Nach Angaben der finnischen Ermittler wurde die Pipeline höchstwahrscheinlich vom Anker eines chinesischen Containerschiffs namens "Newnew Polar Bear" zerstört. Ob es sich bei dem Vorfall um einen Unfall oder um bewusste Sabotage handelte, ist bis heute unklar.
Die NATO hatte unter anderem als Reaktion darauf das Zentrum für die Sicherheit Kritischer Unterwasser-Infrastruktur (CUI) zum Schutz von Unterwasser-Pipelines sowie Strom- und Datenkabeln auf dem Meeresgrund eingerichtet.
Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP