"Racial Profiling" Seehofer plante wohl nie eine Polizei-Studie
11.07.2020, 21:49 Uhr
Bundesinnenminister Seehofer steht seit der Absage der Studie in der Kritik.
(Foto: imago images/photothek)
Die Absage einer Studie zum "Racial Profiling" bei der Polizei erhitzt die Gemüter. Selbst Kanzlerin Merkel schaltet sich ein. Innenminister Seehofer aber hatte eine solche Untersuchung laut einem Bericht nie in Betracht gezogen. Er wüsste aber gern, wie es zu der Ankündigung kam.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat laut einem Zeitungsbericht offenbar nie eine Studie zum sogenannten "Racial Profiling" bei der Polizei geplant. Seehofer habe den Innenausschuss des Bundestags informiert, dass er eine solche Studie nie habe veranlassen wollen, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" unter Berufung auf mehrere Innenpolitiker der Großen Koalition. Er versuche gerade herauszubekommen, wie es in seinem Ministerium zu einer solchen Ankündigung habe kommen können.
Der Begriff "Racial Profiling" beschreibt Fälle, bei denen Beamte Menschen allein aufgrund von äußeren Merkmalen wie der Hautfarbe kontrollieren. "Schon der Titel einer solchen angeblichen Studie wäre doch tendenziös und gleicht einer Vorverurteilung der Polizei", sagte der CDU-Innenexperte Armin Schuster der "FAS". "Dass von unseren Polizisten systematisches Racial Profiling betrieben würde, ist eine groteske polittheoretische Wahrnehmung auf der linken Seite."
Schuster regte in der "FAS" an, eine Studie aufzulegen, die "aus Sicht der Bürger repräsentativ untersuchen würde, wie sie die Qualität der Polizeiarbeit einschätzen und wie zufrieden sie mit der deutschen Polizei sind". Würden dabei strukturelle Missstände, offengelegt, "böte das dann Gelegenheit, zielgerichtet vorzugehen".
Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz von der CSU, sagte der Zeitung, erst einmal solle abgewartet werden, was der Verfassungsschutz mit seiner neuen Zentralstelle zur Aufklärung rechtsextremistischer Umtriebe im öffentlichen Dienst herausfinde: "Wenn wir das auf dem Tisch haben, kann es durchaus sinnvoll sein, so eine Studie in Auftrag zu geben. Aber bestimmt nicht jetzt in dieser aufgeheizten Atmosphäre."
Empfehlung des Europarats
Der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci sagte der Zeitung, er könne Seehofer zwar "verstehen, dass er sich in einer aufgeheizten Lage vor die Polizisten stellt, aber ich verstehe auch meinen Fraktionskollegen Karmaba Diaby mit seinen Alltagserfahrungen sehr gut". Castellucci fügte mit Blick auf die diskutierte Studie hinzu: "So etwas hätten wir schon längst mal machen müssen. Wir erweisen doch auch den Polizisten einen Bärendienst, wenn wir da keine Klarheit haben."
"Racial Profiling" ist in Deutschland durch das Grundgesetz verboten. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd, der in den USA Opfer von Polizeigewalt wurde, wird aber auch hierzulande über Rassismus bei Sicherheitskräften debattiert. Vor einem Monat sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der "Welt", sein Ressort sowie das Bundesjustizministeriums arbeiteten derzeit an der "konzeptionellen Entwicklung für eine Studie zu 'Racial Profiling' in der Polizei".
Kurz darauf stellte das Innenministerium klar, das Vorhaben gehe auf eine Empfehlung des Gremiums des Europarats gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) zurück. Seehofer stellte sich allerdings dagegen, was scharfe Kritik aus der Opposition, aber auch aus der SPD nach sich zog. Am Donnerstag rief auch die ECRI-Vorsitzende Maria Marouda den Minister auf, seine Absage an die Studie zu überdenken.
Quelle: ntv.de, mli/AFP