Keine Annäherung bei Jamaika Seehofer räumt Schwierigkeiten ein
17.11.2017, 07:19 Uhr
Horst Seehofer sieht noch "schwierige Felder" bei den Jamaika-Sondierungen.
(Foto: dpa)
Der Zeitplan ist nicht zu halten: Die Jamaika-Sondierer vertagen sich. CSU-Chef Seehofer räumt Probleme ein, es gebe "schwierige Felder". Ein FDP-Politiker zeigt sich besonders frustriert: Man sei in vier Wochen bei wesentlichen Punkten nicht weitergekommen.
CSU-Chef Horst Seehofer hat schwerwiegende Probleme bei den Jamaika-Sondierungen eingeräumt, will aber weiter und ohne Zeitlimit für ein Bündnis kämpfen. "Wir werden alles Menschenmögliche tun, um auszuloten, ob eine stabile Regierungsbildung möglich ist", sagte der bayerische Ministerpräsident. Es sei aber von Anfang an klar gewesen, "dass das schwierige Sondierungsgespräche werden".
"Die Fronten haben sich verhärtet", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki der ARD. Es habe sich bisher kein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien aufgebaut. Jetzt gehe es darum, diese Verhärtungen aufzulösen. "Wir sind nicht diejenigen, die aufstehen werden", sagte Kubicki. "Wir sind in den strittigen Fragen Migration, Bekämpfung des Klimawandels, Finanzpolitik, innere Sicherheit noch so weit auseinander, dass mir momentan die Fantasie fehlt, (...) wie wir in der kurzen Zeit zusammenkommen sollen", sagt er. Wahrscheinlich würden die Unterhändler das gesamte Wochenende weiterverhandeln.
Kanzleramtschef Peter Altmaier wollte sich nicht festlegen, wie lange die Parteien noch um Kompromisse ringen werden. "Wir sollten uns nicht unter Druck setzen lassen", sagte er der ARD. Er hob zugleich hervor, dass die Parteien nicht "beliebig viel Zeit" hätten. "Ich halte die Probleme für lösbar", sagte der CDU-Politiker. "Man kann zusammenkommen, wenn man zusammenkommen möchte."
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther zeigte sich enttäuscht. "Ich empfand das auch ein bisschen als Tiefpunkt der Verhandlungen", sagte der CDU-Politiker nach Unterbrechung der Gespräche. "Ab jetzt kann es eigentlich nur noch aufwärts gehen." Er hätte nicht geglaubt, dass es zuletzt so wenig Bewegung gegeben hätte. Vieles habe sich zuletzt auf die Flüchtlingsproblematik fokussiert. Auch in der Finanzpolitik, beim Soli und in der Klimapolitik gebe es noch zu klärende Fragen. Hier sei man sich zum Teil überhaupt nicht nähergekommen.
"Das sind schwierige Felder"
Am frühen Morgen hatten die Unterhändler der Jamaika-Parteien CDU, CSU, FDP und Grüne ihre Sondierungen auf Mittag vertagt. Auch am Samstag solle noch weiter verhandelt werden, hieß es. Konkrete Ergebnisse wurden nicht genannt. Aus Verhandlungskreisen war über extrem schwierige Gespräche berichtet worden. Das betraf besonders die Flüchtlingspolitik, bei der sich die Positionen von Grünen und CSU unvereinbar gegenüberstanden.
In vielen Themen gebe es inhaltlich noch keine ausreichende Annäherung, dies gelte auch für den Abbau des Soli- Steuerzuschlags, sagte Seehofer: "Das sind schwierige Felder, die zu bearbeiten sind." Für die Fortsetzung der Gespräche gebe es kein Zeitlimit. Beim umstrittenen Familiennachzug von Angehörigen von bereits in Deutschland lebenden Asylbewerbern zeigte sich Seehofer hart. Hier gehe es um Hunderttausende Personen. "Deshalb können wir einer Lösung, die eine Ausweitung der Zuwanderung zum Ergebnis hat, nicht zustimmen." Dies fordern aber die Grünen.
Doch auch bei anderen Themen knirscht es. Die FDP will sich etwa beim Abbau des Soli nicht mit einem abgespeckten Kompromissangebot von Union und Grünen zufrieden geben. Aus Parteikreisen war zu hören, der Vorschlag, den Soli in der Wahlperiode bis 2021 um acht bis zwölf Milliarden Euro abzubauen, sei zu wenig. "Das reicht uns nicht", hieß es. Die FDP pocht auf einen vollständigen Wegfall des Zuschlags zur Einkommensteuer von derzeit 5,5 Prozent. Damit müsste der Bund, dem die Abgabe alleine zusteht, auf Steuereinnahmen von gut 20 Milliarden Euro verzichten. Union und Grüne verlangen von der FDP, Vorschläge für eine Gegenfinanzierung zu machen, weil sonst Spielräume für andere Jamaika-Projekte zu klein würden.
"Nichts ist beschlossen"
Kanzlerin Angela Merkel sagte nach Ende der Gespräche nur: "Guten Morgen. Heute geht's weiter." FDP-Chef Christian Lindner betonte, dass ein Bündnis der vier unterschiedlichen Parteien zustande kommen könnte. Es gebe aber noch unterschiedliche Auffassungen besonders in der Migrations- und Finanzpolitik.
Kubicki zeigte sich dagegen frustriert. "Wir sind, was ich wirklich faszinierend finde, nach vier Wochen im Prinzip in den wesentlichen Punkten nicht weiter. Und das ist bedauerlich", sagte er nach dem Ende der Gespräche. Es habe sich "nicht wirklich" Vertrauen zwischen den handelnden Personen aufgebaut. "Wenn das bei dem heutigen Stand bleibt, dann werden wir nicht weiterkommen", so Kubicki. "Es besteht immer der Verdacht, dass man über den Tisch gezogen wird", beschrieb Kubicki in der ARD das Klima der Verhandlungen. Dies sei keine gute Voraussetzung für Kompromisse. Jeder müsse sich nun in die Lage des anderen versetzen.
Seehofer warf einzelnen Grünen-Politikern vor, mit "bewusst in die Öffentlichkeit getragenen Thesen" über angebliche Machtkämpfe in der CSU das Gesprächsklima zu belasten. "Das sind alles Falschbehauptungen. Wir brauchen nicht die Falschbehauptungen aus Moskau zurückdrängen, sondern es müssen sich manche wie die Grünen fragen, warum sie solche Falschbehauptungen in die Welt setzen", sagte Seehofer, der parteiintern stark unter Druck steht.
Bereits am späten Donnerstagabend waren die Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis wegen massiver Differenzen beim Klimaschutz, dem Familiennachzug von Flüchtlingen, beim Abbau des Solidaritätszuschlags und bei den Finanzen ins Stocken geraten. Daraufhin bemühten sich die Verhandlungsführer in Einzelgesprächen, wieder Bewegung in die Gespräche zu bringen.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP