
Wann Schluss ist, bleibt offen: Seehofer macht erst mal weiter.
(Foto: dpa)
Von Markus Söder ist keine Rede, als Horst Seehofer erklärt, warum er seine Ämter nun doch nicht abgibt. Dafür viel von den Wünschen und Erwartungen der Bevölkerung. Die Botschaft lautet: Ohne mich geht es nicht.
Normalerweise versuchen Politiker, den Eindruck zu vermeiden, sie würden sich für unverzichtbar halten. So war es im November, als Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre erneute Kanzlerkandidatur verkündete. Grundsätzlich ist es auch heute so. Wenn auch ein bisschen anders.
Seine Mitteilung, 2018 erneut als Ministerpräsident und auch als CSU-Chef anzutreten, habe der CSU-Vorstand "einhellig" begrüßt, teilt Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz in München mit. Drei Dinge seien für seine Entscheidung maßgeblich gewesen: "Dass man solche Ämter will, dass man sie ausüben kann und dass man auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Erfolg bei einer Wahl gewährleisten kann." All dies, macht Seehofer deutlich, treffe bei ihm zu. Auch körperlich sei er "nach eingehender medizinischer Beratung und Untersuchung" in der Lage, seine Ämter fortzuführen.
Über Seehofers Gesundheitszustand hatte es immer wieder Spekulationen gegeben. Vor allem aber hatte der Ministerpräsident vor der Landtagswahl 2013 und später immer wieder angekündigt, dies werde definitiv seine letzte Legislaturperiode sein. Die Ankündigung "gehört nicht zu den klügsten Aussagen meiner politischen Karriere", sagt Seehofer nun. Mit dieser Aussage habe er "unnötig Unruhe" geschaffen, er würde und werde sie daher nicht wiederholen. Ganz nebenbei entledigt Seehofer sich damit der lästigen Pflicht, sich – wie üblich – zu einer ganzen Legislaturperiode bekennen zu müssen. Wann Schluss sein soll, bleibt völlig offen.
Berichte, nach denen die Entscheidung schon vor Wochen gefallen sei, nennt Seehofer "alles Krampf". Wirklich entschieden habe er sich "am Sonntagabend, und da saßen nur meine Frau und ich". Kurz darauf korrigiert er, dies sei "am Samstagabend" gewesen, "Spätnachmittag, nachdem ich den Schock der Niederlage vom FC Ingolstadt verarbeitet hatte", fügt er hinzu und kichert das typische Seehofer-Kichern, das ein bisschen nach unterdrückter Schnappatmung klingt. Dann sagt er aber, wieder ernst: "Das ist nicht so einfach." Die Entscheidung sei "nicht 100 zu Null, sondern 51 zu 49" getroffen worden. Dies ist wohl einer der Sätze, mit denen Seehofer wenigstens signalisieren will, dass er sich keineswegs für unersetzlich hält.
Die Sache mit Söder
Spekuliert wird über Seehofers Pläne schon seit Monaten. Immer wieder wurde auch der Verdacht geäußert, der wahre Grund dafür – wie auch für seine ungewöhnlich scharfen und kompromisslosen Attacken gegen die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel – sei sein latenter Machtkampf mit dem bayerischen Finanzminister Markus Söder.

Joachim Herrmann sei nicht nur loyal, sondern habe jede Herausforderung gemeistert, lobt Horst Seehofer seinen Innenminister.
(Foto: dpa)
Söder versicherte schon vor der Vorstandssitzung, sollte Seehofer weitermachen, "dann hat er meine ehrliche Unterstützung". Dabei ist es kein Geheimnis, dass Söder selbst Ministerpräsident werden will. Ebenso wenig, dass Seehofer dies um nahezu jeden Preis zu verhindern sucht. Von Seehofer sind über Söder zahlreiche Gemeinheiten überliefert. Dieser habe "charakterliche Schwächen", darunter "pathologischen", also krankhaften Ehrgeiz, und leiste sich zu viele "Schmutzeleien", sagte der Ministerpräsident einmal vor laufenden Kameras. Das ist fünf Jahre her, wirklich geändert haben dürfte sich an dieser Einschätzung nichts. Erst im Januar sagte Seehofer bei einem Empfang zu Söders 50. Geburtstag, er kenne "den Markus" und wisse daher, dass seine Frau "Riesiges" auszuhalten habe.
Vor diesem Hintergrund kann man Seehofers Plan als Strategie lesen, Söder zu verhindern. Er blockiert sowohl das Amt des Ministerpräsidenten als auch den CSU-Vorsitz und macht zugleich den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann zum mächtigsten CSU-Politiker in Berlin, zum natürlichen Thronfolger also. Denn dies ist die zweite Nachricht des Tages aus München: Joachim Herrmann wird Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl.
Wenn möglich, soll Herrmann nach der Wahl Bundesinnenminister werden. Zur Bedingung will Seehofer diese Personalie nicht erklären, das wäre eine neuerliche Kampfansage an die CDU, so etwas kann man im Wahlkampf nicht brauchen. Und außerdem schickt sich das nicht. "Nichts ist für die Bevölkerung schlimmer, als wenn Posten verteilt werden, bevor das Volk gesprochen hat", sagt Seehofer, in dessen politischem Denken die realen oder unterstellten Wünsche der Bevölkerung zentral sind. Herrmann sei "ein Angebot für die Bevölkerung", so Seehofer. "Dann werden wir schauen, wie die Bevölkerung entscheidet, und nach dieser Entscheidung werden wir dann wiederum überlegen, was für Schlussfolgerungen für Berlin zu ziehen sind."
Mission 2018
Seehofers offizielle Strategie ist weniger verschwörungstheoretisch als die Annahme eines Anti-Söder-Planes. "Wenn wir 2017 nicht gewinnen, holen wir auch 2018 nichts", hatte er im November auf dem CSU-Parteitag gesagt. Soll heißen: Ist die CSU bei der Bundestagswahl in diesem Herbst nicht erfolgreich, ist auch die absolute Mehrheit in Bayern in Gefahr. Dort wird im Herbst 2018 gewählt. Welche Wahl aus Sicht der CSU wichtiger ist, daran gibt es keinen Zweifel: Ohne absolute Mehrheit in Bayern ist das CSU-Modell auf Dauer nicht lebensfähig.
Kurzum: Seehofer bleibt Parteichef und Ministerpräsident, um die CSU zu retten, denn es gibt niemanden, dem er dies zutraut. Aber das sagt er natürlich nicht. Er sagt erstens: "Ich sehe heute eine andere weltpolitische Landschaft als 2013." Und zweitens: "Ich sehe eine völlig veränderte parteipolitische Landschaft, die 2013 so auch niemand vorhergesehen hat". Zusätzlich gebe es Herausforderungen, die in den letzten ein bis zwei Jahren entstanden seien, "in der internationalen Kriminalität, im Terrorismus, in der Zuwanderung". Und viertens sehe er "noch eine ganze Menge, was ich für Bayern und für Deutschland bewirken kann".
Um herauszufinden, was genau das sein wird, will Seehofer "gemeinsam mit der Bevölkerung in allen Regierungsbezirken einen Dialog führen, der dauert ein, zwei, drei Jahre", um eine Konzeption für Bayern im nächsten Jahrzehnt zu entwickeln. Dabei solle es um die "Geborgenheit der Menschen, die Lebensfreude der Menschen" ebenso gehen wie um die Sicherheit von Arbeitsplätzen.
Im Frühjahr 2009 fragte der "Focus" Seehofer, ob der "Entzug" des Polit-Junkies gescheitert sei. Seehofer war damals gerade vom Bundesminister zum Parteichef und Ministerpräsidenten aufgestiegen. "Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn meine Mission beendet ist", gab Seehofer zur Antwort. Bislang ist das ganz offensichtlich nicht der Fall.
Quelle: ntv.de