Rede im Bundestag Selenskyj: "Die Zeit für Kompromisse ist vorbei"
11.06.2024, 14:29 Uhr Artikel anhören
Zum zweiten Mal seit dem russischen Überfall vor mehr als zwei Jahren hält das ukrainische Staatsoberhaupt eine Rede im Bundestag. Doch diesmal ist Selenskyj persönlich vor Ort.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankt Deutschland für die Unterstützung seines Landes nach dem russischen Überfall. Die Ukraine führe diesen Krieg auch im Interesse von ganz Europa, sagt er in einer Rede im Bundestag. Er fordert, dass Russland die volle Verantwortung für seinen Krieg gegen sein Land übernehmen muss. "Die Zeit für Kompromisse ist vorbei".
"Russland muss für den ganzen Schaden bezahlen", fügt er hinzu. Der russische Präsident Wladimir Putin müsse diesen Krieg verlieren. Der Krieg sei ein Verbrechen gegen das Leben. Er ist sich sicher: "Wir werden diesen Krieg nicht vererben. Wir werden den Krieg im Interesse der Ukraine und ganz Europas beenden." Er forderte Deutschland und die westlichen Verbündeten zudem auf, die Ukraine weiterhin in ihrer Verteidigung gegen Russlands zu unterstützen und ihr beim Wiederaufbau zu helfen.
Europa müsse ein Raum für starken Frieden sein. "Das geteilte Europa war niemals friedlich, das geteilte Deutschland war niemals glücklich. Deswegen kann Deutschland so gut verstehen, warum wir alles tun, damit es Russland nicht gelingt, unser Land zu teilen", sagt Selenskyj.
Russland müsse verantwortlich gemacht werden für den Angriffskrieg und das Töten der vielen Menschen und die Zerstörungen in der Ukraine. Russlands Präsident Wladimir Putin habe auf Mord statt Verträge gesetzt. Es müsse das gemeinsame Interesse sein, dass Putin den Krieg verliert.
Zuvor hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas der Ukraine die Solidarität des deutschen Parlaments versichert. "Ich bin sicher, die russischen Kriegsverbrechen werden geahndet", sagt die SPD-Politikerin vor der Rede Selenskyjs. Die Zukunft der Ukraine liege in der EU und der NATO.
Deutschland ist zweitwichtigste Unterstützer der Ukraine
Der AfD-Fraktionsvorstand empfahl den AfD-Abgeordneten im Vorfeld, der Rede Selenskyjs fernzubleiben. Eine Teilnahme ist aber jedem freigestellt. "Wir lehnen es ab, einen Redner im Tarnanzug anzuhören", erklären die beiden AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. "Selenskyjs Amtszeit ist abgelaufen. Er ist nur noch als Kriegs- und Bettelpräsident im Amt." Die Ukraine brauche jetzt "keinen Kriegspräsidenten", sie brauche "einen verhandlungsbereiten Friedenspräsidenten". Dem sei die Fraktionsversammlung gefolgt. Dennoch saßen vier Abgeordnete der AfD bei der Rede des ukrainischen Präsidenten im Plenum. Auch die Vertreter des Bündnis Sahra Wagenknecht waren der Rede im Bundestag ferngeblieben.
Zu der Wiederaufbaukonferenz werden etwa 2000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und von internationalen Organisationen erwartet. Es ist keine Geberkonferenz, bei der Geld für den Wiederaufbau gesammelt werden soll, sondern es geht vielmehr um die Vernetzung der relevanten Akteure.
Im Bundestag hatte Selenskyj bereits am 17. März 2022, drei Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, zu den Abgeordneten gesprochen. Damals wurde er per Video live in den Plenarsaal zugeschaltet und flehte den Bundeskanzler geradezu um mehr militärische Unterstützung an: "Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, reißen Sie diese Mauer nieder. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient."
Inzwischen ist Deutschland der zweitwichtigste Unterstützer der Ukraine nach den USA, was die militärische und finanzielle Hilfe angeht. Kanzler Scholz lässt dennoch weiter Wünsche der Ukraine offen. So will er keine Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern liefern und ist anders als der französische Präsident Emmanuel Macron strikt dagegen, NATO-Soldaten in die Ukraine zu schicken. Macron hatte in der vergangenen Woche angekündigt, zusammen mit anderen Ländern Militärausbilder in das Kriegsgebiet entsenden zu wollen.
Quelle: ntv.de, jki/mli/dpa/rts