Politik

Netanjahu bei Merkel Sie sind stets bemüht

Benjamin Netanjahu und Angela Merkel waren sichtlich bemüht, Spannungen abzubauen.

Benjamin Netanjahu und Angela Merkel waren sichtlich bemüht, Spannungen abzubauen.

(Foto: dpa)

Kanzlerin Merkel empfängt den israelischen Staatschef Netanjahu. Ein schwieriger Gast? Das Verhältnis war zuletzt angespannt. Doch in ein paar Punkten können sich beide aufeinander zubewegen.

Das deutsch-israelische Verhältnis hat in den vergangenen Jahren immer wieder Risse bekommen: Etwa, als Informationen aus geheimen Telefonaten zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu veröffentlicht wurden. Auch die wiederholte Kritik der Bundesregierung am Umgang Israels mit den Palästinensern, insbesondere bei der Siedlungspolitik, sorgte für Verstimmungen. Aktuell reibt man sich in der Frage um den Umgang mit dem Iran.

Netanjahu kam am Nachmittag unter einem Großaufgebot an Sicherheitskräften zu Besuch ins Kanzleramt und es stellte sich die Frage, was beide Seiten von dem Treffen erwarten konnten. Netanjahu wird sich erhofft haben, von Merkel etwas mehr Verständnis für sein hartes Vorgehen gegen den Iran zu bekommen. Sie wiederum wird darüber nachgedacht haben, wie Netanjahu von etwas mehr Mäßigung im Umgang mit den Palästinensern überzeugt werden könne. Und am Ende werden sich beide gedacht haben: Die Gegenseite will und wird sich nicht bewegen. Doch mit ein bisschen Mühe haben das am Ende beide getan – ein wenig zumindest.

Merkel etwa gibt Netanjahu bei der anschließenden Pressekonferenz gleich zu Anfang zu erkennen, dass sie die Machtansprüche des Iran in Syrien und anderen Teilen der arabischen Welt für "besorgniserregend" hält und dass die iranischen Milizen aus dem grenznahen Gebiet zurückgedrängt werden müssten. Selten hat die Kanzlerin so deutlich Übereinstimmung mit den Israelis bei einer ihrer großen sicherheitspolitischen Nachbarschaftssorgen signalisiert. Einzig bei der Frage, auf welche Weise der Iran zurückgedrängt werden solle, gibt sie sich traditionell defensiv: Deutschland werde bei dieser Frage "alle diplomatischen Bemühungen unternehmen".

Netanjahu warnt vor neuen Flüchtlingen

Aber was hätte sie Netanjahu auf der anderen Seite auch anbieten sollen? Die Kanzlerin ist in Israel nach ihrer Rede in der Knesset, dem israelischen Parlament, zwar sehr beliebt. Sie erklärte vor zehn Jahren vor den Abgeordneten, dass die Sicherheit des jüdischen Staates "Staatsräson" der Bundesrepublik sei. Dennoch erwartet niemand in Israel ernsthaft, dass die Bundeswehr Truppen in den Nahen Osten schickt, wenn Israel bedroht ist.

Weniger Übereinstimmung zwischen Merkel und Netanjahu herrscht bekanntermaßen bei der Frage nach dem Iran-Deal. Früher am Tag hatte der geistige Führer des Iran, Ajatollah Khamenei, getwittert, Israel sei ein "Krebsgeschwür", das "ausgelöscht" werden müsse. Netanjahu zitiert diesen Tweet und sagt, dass Teheran versuche, die Zahl iranischer Milizionäre in Syrien von 18.000 auf 80.000 zu erhöhen. Der Iran liefere Waffen, Infrastruktur und heize Konflikte auch in anderen Staaten an, etwa im Jemen. Und der Grund, warum das Land inzwischen in der Lage sei, derart geopolitische Großprojekte zu stemmen und einen Vernichtungskrieg gegen Israel anzukündigen, seien letztlich die Zahlungen, die "vielen Milliarden Dollar" aus dem Iran-Deal. Nur ein Ende dieses Deals und "härteste Sanktionen" könnten diese Entwicklung stoppen, die auch dazu geführt habe, dass der Iran trotz des Deals weiter an einer Atombombe arbeite. Die Destabilisierung der Region werde auch Folgen für Deutschland haben, wieder würden sich Hunderttausende Flüchtlinge auf den Weg machen. "Und Sie wissen ja, wo die hinwollen", sagt Netanjahu.

Dann übernimmt wieder Merkel und gibt sich verständnisvoll: Es stehe außer Frage, dass der Iran keine Atomwaffen entwickeln dürfe. "Wir haben in aller Klarheit gesagt, dass wir für das Recht auf Sicherheit Israels einstehen", sagt Merkel. Die israelischen Geheimdienstinformationen darüber, dass Teheran regelwidrig weiter versucht habe, Kernwaffen zu entwickeln, seien "bedeutsam" und würden von der Atomenergiebehörde überprüft. "Uns eint das Ziel, dass der Iran keine Atomwaffen haben darf. Nur was den Weg dorthin angeht, haben wir unterschiedliche Ansichten", sagt die Kanzlerin. Um die Einigkeit der moderaten Uneinigkeit zu unterstreichen, wiederholt auch Netanjahu dieses Wortbild kurz darauf: "Unsere Meinungsverschiedenheit betrifft die Methode, nicht jedoch das Ziel".

Erst mit den Arabern, dann mit den Palästinensern?

Bei einer anderen Frage gibt es fast schon traditionell unterschiedliche Auffassungen – eine mögliche Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt. Als ein israelischer Jourmalist die Kanzlerin fragt, warum es der internationalen Gemeinschaft so schwerfalle, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen – immerhin habe die Welt 1990 auch Berlin als deutsche Kapitale akzeptiert – entgegnet sie, dass auch die Bundesregierung gerne dazu bereit wäre. Aber erst, wenn international Konsens über diese Frage herrsche. Und der Weg dorthin sei die Zweistaatenlösung.

Diesem Konsens stehen aus der Sicht Netanjahus freilich vor allem die Palästinenser selbst im Weg, die nicht gewillt sein, irgendeinen der bisher vorgelegte Lösungsvorschläge zu akzeptieren. Doch nun, und das ist aus Israels Sicht möglicherweise eine positive Wendung im Konflikt mit dem Iran, baue man Verbindungen in die Nachbarschaft auf, die es zuvor nicht gegeben habe. "Viele arabische Staaten erkennen, dass der Iran eine Gefahr ist." Und mit diesen Staaten mache Israel große "Fortschritte". "Vielleicht finden wir erst eine Einigung mit den arabischen Staaten und erst danach mit den Palästinensern", sagt Netanjahu.

Beide Politiker gaben sich bei dem Treffen sichtlich Mühe, das als angespannt geltende Verhältnis wieder aufzuhübschen. Das akute Thema Iran gab dabei den beiden die Möglichkeit, das kontroverse Thema der israelischen Siedlungspolitik im Westjordanland zu umschiffen. Sie waren Anfang des Jahres auch der Grund, warum Merkel die gemeinsamen Regierungskonsultationen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt hatte. Sie sollen nun am 8. Oktober in Israel fortgesetzt werden. Ein weiteres Indiz dafür, dass Berlin und Tel Aviv - oder auch Jerusalem - wieder näher zusammenrücken.

Quelle: ntv.de

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