Kaum Hoffnung für Ortskräfte Soldat kritisiert Politik: "Bürokratie bis zum Schluss"
17.08.2021, 21:27 Uhr
Politiker und Bürokraten hätten einfach nur die Regeln umgesetzt und nicht geholfen, sagt Marcus Grotian.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Marcus Grotian war für die Bundeswehr einst selbst in Afghanistan stationiert. Nun kämpft er dafür, die dort zurückgebliebenen Ortskräfte vor den Taliban zu retten. Seine Abrechnung mit den Verantwortlichen fällt deutlich aus: Bürokratie zählt in den vergangenen Tagen und Wochen mehr als Menschenleben.
Bundeswehr-Hauptmann Marcus Grotian hat wenig Hoffnungen, dass noch Ortskräfte aus Afghanistan nach Deutschland geholt werden können. "Wenn wir hier noch überhaupt jemanden retten, dann haben wir viel Glück", sagte Grotian vom Patenschafts-Netzwerk Afghanische Ortskräfte. Die Taliban hätten den Flughafen in Kabul umzingelt. "Jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde erreichen uns unzählige Nachrichten", sagte Grotian. Diese Hilferufe werde er nie vergessen.
Grotian, der für die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz war, spricht auch von einer Verantwortung der Politik. Politiker und Bürokraten hätten einfach nur die Regeln umgesetzt und nicht geholfen. "Bürokratie bis zum Schluss. Wenn Sie nicht den richtigen Antrag dreimal ausgefüllt haben, würde man Ihnen keinen Rettungsring zuwerfen", sagte Grotian. Hätte man stattdessen versucht Menschenleben zu retten, dann würde heute nicht von 8000 Menschen gesprochen werden, die zurückgelassen wurden, sondern vielleicht von 30.
Grotian hatte zuvor mit der Berliner Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch über die Lage in Afghanistan gesprochen. "In der nächsten Zeit noch über Abschiebungen nur zu spekulieren, verbietet sich", sagte Jarasch. "Wir werden hier in Berlin überlegen müssen, ob wir für die Menschen, die jetzt schon seit Jahren hier mit uns und unter uns leben, es endlich schaffen, Bleibe-Perspektiven zu eröffnen. Denn wir können niemand abschieben in ein Land, das von Taliban regiert wird."
Quelle: ntv.de, hek/dpa