Politik

CDU? AfD? Irgendwie beides! Spahn avanciert zum Gauland-Liebling

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn bekommt Applaus von AfD-Vize Gauland.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn bekommt Applaus von AfD-Vize Gauland.

Äußerlich gibt es nicht viel, was CDU-Mann Jens Spahn und AfD-Vize Alexander Gauland verbindet - doch politisch ticken beide ähnlich. So ähnlich, dass Gauland eine Lobeshymne auf den Christdemokraten veröffentlichte. Spahn macht das angreifbar.

Alexander Gauland und Jens Spahn wirken auf den ersten Blick nicht gerade wie Brüder im Geiste. Der eine ist erzkonservativ mit klarer Tendenz zum Deutschnationalen. Der andere trotz seines CDU-Parteibuches und seiner katholischen Herkunft offen homosexuell. Über das Für und Wider zur "Ehe für alle" könnten diese beiden Herren sicher vortrefflich streiten. Doch das Verbindende überwiegt zumindest nach Ansicht von AfD-Vize Gauland - und das ist wohl auch der Grund, warum der 76-Jährige dem CDU-Präsidiumsmitglied Spahn nun einen offenen Brief geschrieben hat. Ja, man könnte fast von einem Liebesbrief sprechen.

Anlass für den AfD-Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl, an Spahn zu schreiben, sind die jüngsten Krawalle im baden-württembergischen Schorndorf. Der Unionspolitiker hatte in der "Welt" eine ehrlichere Debatte über die Probleme mit der Integration in Deutschland gefordert. Schorndorf sei "nur ein Sinnbild dafür, was jeden Tag an vielen Orten in Deutschland passiert", so Spahn. "Sie haben vollkommen recht", pflichtet Gauland dem 37-Jährigen in seinem Brief bei - und nutzt die Aussage ausgerechnet für eine Generalabrechnung mit Spahns Chefin Angela Merkel. Die Kanzlerin versuche, "diese schlimmen Vorfälle unter den Tisch zu kehren", so Gauland. Eine Schuldzuweisung, die Spahn freilich vermied.

Ohnehin dürfte Spahn die offen zur Schau getragene Solidarität des AfD-Vize wohl kaum gefallen. Immerhin nutzt Gauland den CDU-Mann als Vorwand, um die rechtsnationalen Inhalte der Alternative für Deutschland als salonfähig hinzustellen. "Es ist erfrischend, dass just Sie diese Positionen erwähnen, denn kämen sie von mir, würden sie höchstwahrscheinlich als rechtsradikal abgetan werden", beklagt sich Gauland. Dass Spahn wiederholt ein Islamgesetz forderte, wonach Imame etwa eine Deutschprüfung ablegen sollen, findet Gauland "richtig" und "überfällig" - garniert noch einmal mit Vorwürfen in Richtung Merkel.

"Homosexuelle vom Turm geworfen"

Natürlich argumentiert Jens Spahn aus einer ganz anderen Perspektive gegen den Islam als Gauland. Während der AfD-Politiker die Religion ganz generell als unvereinbar mit dem Grundgesetz ansieht - ohne dies jedoch klar zu begründen, geht Spahn die Religionsdebatte sehr viel persönlicher an. "Sie müssten sich in einer islamischen Gesellschaft einen Bart wachsen lassen", sagt er dem "Welt"-Journalisten. "Aber Homosexuelle wie ich werden vom Turm geworfen." Die Ansicht, es sei legitim, Menschen zu diskriminieren, wenn diese einer Minderheit angehören, der sie ihrerseits Diskriminierung vorwerfen, scheint beide zu einen. Spahn möchte in Dinslaken keine Burka sehen, Gauland in Deutschland keine Minarette.

Die Debatte, wie der Islam in Deutschland ausgelebt werden darf, ist für beide nicht mehr allein eine Frage der Religionsfreiheit. Erinnert sei etwa an die Beschwerde Spahns in der "Welt", dass es in seinem Fitnessstudio mittlerweile erlaubt sei, auch mit Badehose zu duschen. Die Offenheit für andere Kulturen drohe "zum Rückfall in alte verklemmte Spießigkeit zu führen", klagte er. Er wolle kein verklemmtes Deutschland. Wie ein deutsches Deutschland aussehen soll, darüber dürften die Meinungen von Spahn und Gauland zwar auseinandergehen. Dennoch sucht Gauland - und das nicht zum ersten Mal - den Schulterschluss mit dem Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen.

Schon im März liebäugelte Gauland ganz öffentlich mit einer Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU - zumindest dann, sagte er, wenn die Mehrheit der Christdemokraten die Positionen von Spahn verträte. In diesem Fall "würde die AfD sehr gut Kompromisse finden", so Gauland. Doch wenig überraschend sind die Vorstöße von Spahn in der Union eher mit Unmut quittiert worden. Seinen Ruf nach einem Islamgesetz hatte Ex-Generalsekretär Ruprecht Polenz als "populistische Schnapsidee" bezeichnet. Das dürfte auch Gauland nicht entgangen sein. Und womöglich liest sich dessen Prognose, Spahn werde durch "die AfD-Positionen, die Sie vertreten" bald "einsam werden", auch deshalb wie eine Einladung zum Parteiwechsel.

Quelle: ntv.de

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