
In der Corona-Krise nutzt Trumps America-First-Politik China - Graffitto von Eme Freethinker im Berliner Mauerpark.
(Foto: imago images/Bildgehege)
Mit seinen Tiraden gegen die Weltgesundheitsorganisation will US-Präsident Trump eigentlich China treffen. Tatsächlich erreicht er das Gegenteil. Er schickt die USA ins Abseits und überlässt Präsident Xi die große Bühne - die dieser genüsslich nutzt.
In der Corona-Krise läuft es einfach nicht für US-Präsident Donald Trump. In keinem Land der Welt gibt es mehr Infektionen, die Börsenkurse sind eingebrochen und er kassiert nahezu täglich Prügel für sein Krisenmanagement. Seit Monaten macht Trump das, was er immer macht, wenn er in Not gerät: die Schuld anderen, in diesem Falle China, in die Schuhe schieben. Dass er damit Peking den roten Teppich zum Rest der Welt ausrollt, merkt er vermutlich gar nicht.
Trumps Kalkül ist offenkundig: Er spricht von einem "chinesischen Virus", um die Verantwortung für die Pandemie China zuzuschieben. Er distanziert sich nicht von der unbewiesenen Theorie, dass der Covid-19-Erreger aus einem Labor in Wuhan entwichen sein soll. Und er droht, die Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einzustellen, weil er behauptet, sie sei chinesisch unterwandert. Das kommt bei dem Teil der Amerikaner gut an, denen solche internationale Organisationen sowieso suspekt sind. Schließlich hat Trump mit dem Schlachtruf "America First" die Wahl gewonnen.
Doch die Posse um die Weltgesundheitsorganisation wird gerade zum Eigentor. Nicht nur weil es ein bisschen kleinlaut wirkt, dass Trump am Wochenende ankündigte, doch Beiträge an die WHO zu zahlen. Sondern weil das Land, das der US-Präsdient eigentlich anprangern will, die Chance nutzt, zu glänzen. Denn nun hat China angekündigt, zwei Milliarden Dollar extra an die WHO zu zahlen und damit die Finanzierungslücke, die Trump riss, zu schließen.
China würde Impfstoff teilen
International wirkt Präsident Xi Jinping damit als verlässlicher Partner, allemal vertrauenswürdiger als der erratische Trump. Zumal auch die weltweit überaus respektierte deutsche Kanzlerin gerade erst wieder der WHO den Rücken gestärkt hat. Die WHO sei die "legitimierte globale Institution, bei der die Fäden zusammenlaufen", sagte Angela Merkel in einer Videobotschaft an die Weltgesundheitskonferenz der WHO, die in diesem Jahr erstmals virtuell stattfindet. Wenig überraschend rief Merkel die internationale Gemeinschaft dazu auf, gemeinsam gegen die Pandemie vorzugehen. Damit stehen Deutschland und China auf der gleichen Seite, die USA auf der anderen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Suche nach einem Impfstoff. Auch hier gilt kompromisslos "America First". Trump lässt keinen Zweifel daran, dass sein Land zuerst dran ist, wenn in den USA ein Vakzin entwickelt wird. Grundsätzlich ist es zwar ganz normal, dass Regierungen zuerst an ihre eigenen Bürger denken. Aber die Aggressivität, die Trump dabei an den Tag legt, das leere Unverständnis für gemeinsame, weltweite Anstrengungen, irritiert dann doch.
Die Entfremdung zwischen den USA und Europa geht so nur weiter. Denn nicht nur Deutschland ist betroffen, das womöglich auch allein in der Lage wäre, einen Impfstoff zu entwickeln, sondern auch andere Länder. Wie kommt es wohl in Italien oder Spanien an, immerhin wichtige Nato-Verbündete, wenn die USA selbst während einer Pandemie nur noch an sich selbst denken? Oder in Polen oder Rumänien, die der Pandemie nur wenig entgegenzusetzen haben? Diese Länder sind auf internationale Bestrebungen angewiesen. Mal davon abgesehen, dass es den USA nicht schaden würde, wenn "ihr" Impfstoff auch in anderen Teilen hergestellt würde. Zumal auch hier China die Chance nutzt, erneut zu glänzen. Bei der Weltgesundheitskonferenz kündigte Präsident Xi an, dass sein Land einen Impfstoff mit der Welt teilen werde, sofern es ihn als erstes entwickeln werde. Dieser solle auch für Entwicklungsländer verfügbar und bezahlbar gemacht werden.
Auch Pekings Motto ist "China first"
Seine Verbündete zu verprellen, kann sich selbst die letzte Supermacht nicht leisten. Nicht erst seit Trumps Handelskrieg befindet sich Washington in einer globalen Auseinandersetzung mit Peking. Es geht nicht bloß darum, wer wem mehr verkauft, sondern um die Regeln des Handels insgesamt, um Macht und Einfluss im Pazifik, aber auch in Asien und Europa, wie Chinas Langzeit-Projekt "Neue Seidenstraße" zeigt. Über Kredite und Infrastrukturprojekte versucht China Länder überall auf der Welt, von Südamerika, Afrika bis hin nach Europa an sich zu binden. Haben die USA auch eine Strategie? Trump hat sie noch nicht vermittelt.
In den vergangenen Wochen ist es einer kommunistischen Diktatur gelungen, als freundlicher, verlässlicher Partner zu erstrahlen und die USA, die älteste und mächtigste Demokratie, in den Schatten zu stellen. Wer sich davon blenden lässt, ist allerdings selbst schuld. Auch Pekings wahres Motto lautet "China first". Wie weit es damit kommen wird, ist die Frage. So wie Trump derzeit agiert, sieht es gut aus für das Reich der Mitte. Der Präsident, der Amerika wieder groß machen will, macht es in der Welt immer kleiner.
Quelle: ntv.de