
Die USA sollten sich so weit wie möglich aus dem Ukraine-Krieg heraushalten: keine seltene Meinung unter Republikanern.
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Als Donald Trump noch im Weißen Haus saß, war Wladimir Putin für ihn und manche andere ein wichtiger Partner. Nun ringen die Parteiflügel darum, wie sie mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine umgehen sollen. Die Meinung ihrer Wähler ist eindeutig.
Mit welchen Mitteln sollte Russlands Präsident Wladimir Putin bekämpft werden? Russlands Invasion der Ukraine hat diese Frage auch bei den US-Republikanern auf der Agenda nach oben schießen lassen. Die sind zwar nicht an der Macht, aber da sie wieder dorthin zurückwollen, müssen sie sich mit einer möglichen Antwort auseinandersetzen. Schließlich sind im November Kongresswahlen, es geht um wichtige Mehrheiten, die den Weg zur Präsidentschaft ab 2024 bereiten sollen.
Sogar für den bei den Republikanern enorm einflussreichen Donald Trump ist die Sache nicht mehr klar. Als Putin die Unabhängigkeit der ukrainischen Separatistengebiete anerkannte, nannte der Ex-US-Präsident dies noch "genial". Doch es folgte die Invasion. Trump sagte danach, er sei überrascht, Putin habe sich offenbar "sehr verändert". Der Krieg wäre mit ihm im Amt allerdings nie geschehen, behauptete er. Und versuchte damit, die Schuld auf Präsident Joe Biden zu schieben.
Trump hat sich damit zwar etwas distanziert, ist aber noch immer wesentlich näher an Putin als andere Teile der Republikaner. Für Mitglieder seines Parteiflügels könnte diese Nähe zu Putin zum Problem werden. Denn der Krieg tobt. Bilder aus Butscha und sonstwo fluten soziale Netzwerke und spülen den Isolationisten den Boden unter den Füßen weg. In Videobotschaften, die auch von US-Fernsehsendern gezeigt werden, appelliert Selenskyj mitunter an US-Amerikaner und ihre Verbündeten, die Ukraine so weit es geht zu unterstützen.

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte auch bei den Grammys in Las Vegas seinen virtuellen Auftritt.
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Seit Invasionsbeginn hat sich die Stimmung an der Basis in eine eindeutige, gemeinsame Richtung entwickelt. So viele wie nie unter Wählern der Demokraten als auch der Republikaner vertrauen Putin wenig bis gar nicht: 92 Prozent. Vor allem unter Republikanern hat das Vertrauen seit Trumps Amtsende und durch den Invasionsbeginn abgenommen. Der prozentuale Unterschied zu den Demokraten ist statistische Unschärfe. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird als Held wahrgenommen und gilt mit Abstand als vertrauenswürdigster Staatschef.
Problematisches "America First"
Dadurch verliert auch Trumps isolationistisches Motto "America First" an Zugkraft. Dies bedeutete bislang, dass die USA sich aus den Konflikten der Welt heraushalten sollten. Keine "dummen Kriege" mehr war die Losung, gemeint waren Afghanistan und Irak. Aber lässt sich das auch bei der Ukraine durchhalten? Salopp formuliert fragen die Isolationisten unter den Republikanern: Was geht uns das Sterben in Europa an?
Diese Haltung herrschte etwa bei einer Konferenz in Washington in der vergangenen Woche vor, von der US-Medien berichteten. Rund 150 Republikaner und andere Teilnehmer sprachen über ihre Sorge, dass "Jahre außenpolitischer Fortschritte wieder verschwinden werden", wie einer der Organisatoren dem Magazin "The Atlantic" sagte. Fortschritt, der bedeutete dabei, sich international herauszuhalten. "Putin ist schlimm, aber ...", prägte demnach viele Aussagen auf der Veranstaltung: Aber wir wollen keinen Atomkrieg. Aber warum sollten wir dem amerikanischen außenpolitischen Establishment trauen? Aber die Medien gehorchen den Geheimdiensten. Die häufigste Frage jedoch war: Warum ist das überhaupt unser Problem?
Der Krieg in der Ukraine lässt deutliche parteiinterne Differenzen der Republikaner zutage treten. Die ausgemachten Feinde auf der Veranstaltung waren nicht etwa Präsident Joe Biden und die Demokraten - sondern die sogenannten Falken sowie Neokonservativen in der eigenen Partei. Die hätten schließlich schon den Irakkrieg unterstützt und würden nun, so manche Teilnehmer, mit ihren Positionen eine weitere Eskalation und damit einen Dritten Weltkrieg riskieren.
Ein bedeutender Teil der Republikaner sieht Trump als Friedensstifter. Als denjenigen, der die Partei mit "America First" von den zuvor bestimmenden Außenpolitikern emanzipiert habe. Dazu gehörte auch, dass er die NATO infrage stellte, einen Handelskrieg mit China vom Zaun brach und den bis dahin skeptisch beäugten Putin hofierte. Für die Republikaner sind das historische Umwälzungen. Nicht alle stimmten diesen Kursänderungen zu, mussten sie aber tolerieren.
Die Falken und Neokonservativen dagegen stehen für eine aggressive Außenpolitik, die Demokratie auch durch Militärinterventionen und regime change installieren würde. Nach dem Debakel im Irakkrieg hatten sie in der Partei kaum noch eine Stimme. Das hat sich mittlerweile wieder geändert. Auch, weil sie traditionell für eine harte Haltung gegenüber Russland einstehen.
Je länger der Krieg, desto mehr Einfluss
Der Konflikt dürfte sich auch auf die kommenden Kongresswahlen, den midterms im Herbst auswirken. Im November wird das Repräsentantenhaus komplett und der Senat zu einem Drittel neu gewählt. Eigentlich sieht es für die Demokraten wegen ungewohnt hoher Inflation, Lieferengpässen und der geringen Beliebtheit von Präsident Biden düster aus. Aber auch die außenpolitischen Positionen der Parteien und Politiker könnten eine Rolle spielen. Die Nachrichten und Bilder aus dem fernen Europa beeinflussen die Erfolgschancen der Kandidaten.
"Die Neokonservativen sind machtbesoffen, blutrünstig, man kann ihnen nicht trauen", kritisierte bei der Konferenz in Washington etwa der Kongresskandidat Joe Kent, teilte aber auch gegen die Demokraten aus: "Biden schlafwandelt in einen Krieg." Der 41-Jährige ehemalige Elitesoldat wird im November gegen einen der wenigen Republikaner antreten, die für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen Präsidenten Trump gestimmt hatten. Dieser unterstützt Kent offiziell, regelmäßig wird Kent auch bei Fox News und in den Podcast des rechten Strippenziehers Steve Bannon eingeladen. Waffenlieferungen an die Ukraine seien zu gefährlich, meint er. Putins Forderungen über Gebietsabtretungen der Ukraine seien "sehr angemessen".
Die Gräuel in der Ukraine, die Popularität ihres Präsidenten Selenskyj, das Misstrauen gegenüber Putin unter Republikanern - für Trumps Flügel bedeutet dies politische Gefahr, weil es ihn Zustimmung kosten könnte. Die Kandidaten, die sich Trumps Flügel zurechnen, müssen sich deshalb genau überlegen, wie sie sich zum Krieg und vor allem zu Putin positionieren. Es geht auch um ihre berufliche Zukunft. Schließlich ist Trump unter Republikanern die mit Abstand favorisierte Option für die Präsidentschaftskandidatur 2024.
Quelle: ntv.de