Mifepriston häufig eingesetzt US-Gericht will Zugang zu Abtreibungspille erschweren
17.08.2023, 03:33 Uhr Artikel anhören
Millionen US-Amerikanerinnen haben seit deren Einführung die Pille Mifepriston eingenommen.
(Foto: REUTERS)
Gesellschaftspolitisch ist in den USA wohl kein Thema so umstritten wie das Recht auf Abtreibung. Nachdem der Supreme Court ein Grundsatzurteil gekippt und mehrere Bundesstaaten Einschränkungen und Verbote ausgesprochen haben, nehmen Gegner ein bestimmtes Medikament ins Visier.
Ein Bundesberufungsgericht in den USA hat für Beschränkungen beim Einsatz der Abtreibungspille gestimmt. Das Gericht im Bundesstaat Louisiana erklärte am Mittwoch zwar, dass die Zulassung der Abtreibungspille Mifepriston durch die US-Arzneimittelbehörde FDA aus dem Jahr 2000 Bestand habe. Die Richter stimmten aber einem Urteil erster Instanz zu, das 2016 von der FDA beschlossene Lockerungen für den Einsatz der Pille für unzulässig erklärt hatte.
Dadurch wäre der Einsatz von Mifepriston nur noch bis zur siebten und nicht mehr bis zur zehnten Schwangerschaftswoche möglich. Außerdem könnte die Pille, die in den USA bei mehr als jedem zweiten Schwangerschaftsabbruch eingesetzt wird, nur noch durch Ärzte und nicht durch anderes Gesundheitspersonal verschrieben und nicht mehr per Post verschickt werden.
Das Urteil vom Mittwoch tritt aber zunächst nicht in Kraft: Der Oberste Gerichtshof der USA hatte im April entschieden, dass die Pille bis zum Abschluss der Rechtsstreitigkeiten unter den bislang geltenden Regeln zugänglich bleibt. Gegen die Entscheidung vom Mittwoch dürften sehr schnell Rechtsmittel eingelegt werden.
Anwälte der Kläger aus dem Anti-Abtreibungslager zeigten sich erfreut: Das Gericht habe die FDA zu ihrer Aufgabe verpflichtet, Frauen und Mädchen zu schützen und "den illegalen Versandhandel mit Abtreibungen zu beenden", erklärte die Juristin Erin Hawley. Abtreibungsgegner argumentieren, die FDA sei bei der Zulassung von Mifepriston im Jahr 2000 unsachgemäß vorgegangen und habe die Sicherheit des Medikaments bei Schwangerschaftsabbrüchen Minderjähriger nicht angemessen berücksichtigt. Die FDA hat erklärt, Mifepriston habe sich während seines jahrzehntelangen Einsatzes als sicher und effektiv erwiesen.
Mehr als die Hälfte der Schwangerschaftsabbrüche medikamentös
Ein von dem republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump ernannter Bundesrichter im Bundesstaat Texas hatte im April die Zulassung für Mifepriston durch die FDA nach einer Klage von Abtreibungsgegnern aufgehoben. Das zuständige Bundesberufungsgericht in New Orleans im Bundesstaat Louisiana kippte diese Entscheidung zwar, ließ aber eine Verschärfung der Auflagen zu, unter denen die Pille verschrieben werden darf. Die US-Regierung zog daraufhin vor den Supreme Court in Washington, der den Zugang zu Mifepriston bis auf Weiteres aufrechterhielt.
Das Abtreibungsrecht ist eines der umstrittensten gesellschaftspolitischen Themen der USA. Der konservativ dominierte Supreme Court hatte im Juni 2022 das landesweite Grundrecht auf Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben und damit für ein politisches Erdbeben gesorgt. Zahlreiche Bundesstaaten schränkten in der Folge den Zugang zu Abtreibungen ein oder verboten Schwangerschaftsabbrüche. Abtreibungsgegnern ist das aber nicht genug. Sie wollen nun erreichen, dass die Abtreibungspille Mifepriston landesweit vom Markt genommen wird - also auch in jenen Bundesstaaten, in denen Abtreibungen noch erlaubt sind.
Mifepriston wird in den USA bei 53 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche in Kombination mit dem Mittel Misoprostol eingesetzt. Nach Angaben der FDA wurde die Pille seit ihrer Zulassung im Jahr 2000 von mehr als 5,6 Millionen Frauen genutzt. In weniger als 1500 Fällen habe es Komplikationen gegeben, ohne dass ein Zusammenhang zu Mifepriston habe hergestellt werden können.
Ärzteverbände haben in Einlassungen vor Gericht kritisiert, dass durch ein Verbot von Mifepriston Patientinnen zu operativen Verfahren gezwungen würden. Die Pharmaindustrie hat gewarnt, gerichtliche Aufhebungen von Medikamentenzulassungen würden die Autorität der FDA untergraben. In Deutschland ist der Wirkstoff Mifepriston unter dem Namen Mifegyne im Handel.
Quelle: ntv.de, fzö/AFP/rts/dpa