"Barack Obama ist nicht Charlie" US-Regierung gesteht Fehler ein
12.01.2015, 21:57 Uhr
War beim Gedenkmarsch in Paris nicht dabei: US-Präsident Barack Obama.
(Foto: dpa)
Beim Trauermarsch stärken sie gemeinsam Frankreichs Rücken: Kanzlerin Merkel, Benjamin Netanjahu, Palästinenserpräsident Abbas und viele weitere. Nur einer fehlt in der Reihe: US-Präsident Obama. Die Presse ätzt und die US-Regierung meldet sich kleinlaut zu Wort.
Über 40 Staats- und Regierungschefs waren beim Trauermarsch für die Terroropfer in Paris - doch US-Präsident Barack Obama fehlte. Auch kein anderes hochrangiges Regierungsmitglied aus Washington zeigte in der französischen Hauptstadt Flagge gegen Terror und mordende Islamisten. US-Medien reagierten mit teils scharfer Kritik - die Regierung gestand nun Fehler ein.
Jemand mit einem "höheren Profil" hätte teilnehmen müssen, gab Obamas Sprecher Josh Earnest zu. Doch angesichts des gewaltigen Sicherheitsapparats, der für einen Besuch Obamas in Gang gesetzt werden muss, sei das bei der kurzfristigen Planung kaum möglich gewesen. Dass die USA felsenfest zu ihren französischen Verbündeten hielten, stehe außer Frage, so Earnest. Und der von einer Pannenserie gebeutelte Secret Service hätte einen durch die Menschenmenge spazierenden Obama wohl nur mit Schweißausbrüchen verkraftet.
"Moralischer Rücktritt des Präsidenten"
"Barack Obama ist nicht Charlie", ätzte das Politmagazin "Politico". Noch härter ging der Obama-kritische TV-Sender "Fox News" mit dem Staatschef ins Gericht: "Präsident Obama ist am Sonntag vom Posten des Führers der freien Welt moralisch zurückgetreten." Und auch der ansonsten eher Obama-freundliche Sender CNN meinte, hier sei dem Weißen Haus wohl ein schwerer Fehler unterlaufen.
Außenminister John Kerry bemühte sich bei seiner Indienreise um Schadensbegrenzung. Er wolle Ende der Woche nach Paris reisen, um Solidarität zu zeigen. Im Übrigen finde er die Fragen nach seiner Abwesenheit "ein bisschen kleinlich", setzte er hinzu. US-Medien fragten sich, warum Obama nicht wenigstens einen Stellvertreter geschickt hatte. Vize-Präsident Joe Biden, ansonsten ein Vielflieger, sei am Sonntag zu Hause geblieben.
Besonders verwirrend: Justizminister Eric Holder war am Sonntag zwar zu einem Polittermin in Paris - aber nicht zum Trauermarsch gekommen. Nur Jane Hartley, die US-Botschafterin in Frankreich, marschierte beim Gedenken an die 17 Toten der Terroranschläge mit.
Erdogan kritisiert Netanjahu scharf
Und noch ein Staatsoberhaupt wurde kritisiert, allerdings für seine Teilnahme am Trauermarsch: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan richtete scharfe Worte gegen den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Er könne "nur schwer verstehen", wie Netanjahu es habe "wagen" können, nach Paris zu fahren, sagte Erdogan nach einem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Netanjahu sei für "Staatsterrorismus" gegen die Palästinenser verantwortlich, sagte Erdogan.
Er frage sich, wie "Individuum, dass Staatsterrorismus verübt, indem es 2400 Menschen in Gaza massakriert", in die Menge winken könne, so als ob "die Menschen sehr begeistert auf ihn warten", sagte Erdogan mit Blick auf den jüngsten Gaza-Krieg zwischen Israel und den Palästinensern im vergangenen Jahr mit fast 2200 getöteten Palästinensern, die meisten von ihnen Zivilisten. Erdogan ist bekannt für heftige verbale Attacken gegen Israel und Netanjahu. Unter dem früheren türkischen Regierungschef und heutigen Präsidenten verschlechterten sich die bilateralen Beziehungen zusehends.
US-Medien: "Ich bin nicht Charlie Hebdo"
Doch nicht nur der amerikanische Präsident fällt durch seine Abwesenheit auf, auch amerikanische Medien behandeln das Thema anders, als viele europäische Medien zurzeit. Die großen US-Zeitungen vermieden es zumeist, Mohammed-Karikaturen der angegriffenen französischen Satirezeitung "Charlie Hebdo" zu drucken. "Ich bin nicht Charlie Hebdo", titelte etwa die "New York Times" auf ihrer Kommentarseite.
Es hieß, wenn jemand versucht hätte, das Satireblatt auf einem amerikanischen Universitätscampus zu verteilen, wäre dies nach 30 Sekunden eingezogen worden - wegen Hasspredigt und Hetze. "Die meisten von uns beteiligen sich nicht an dieser Art von absichtlich verletzendem Humor, auf den sich diese Zeitung spezialisiert", meint die "New York Times". "Die meisten von uns versuchen, ein Minimum an Respekt vor Menschen mit anderen Bekenntnissen und anderem Glauben zu zeigen."
Quelle: ntv.de, Peer Meinert,dpa/AFP