Wirre Reden, besorgte Ärzte Holt das Alter Donald Trump doch noch ein?


Zu alt, um Präsident zu werden? Donald Trump will mit 78 Jahren ins Weiße Haus.
(Foto: REUTERS)
Bald steht fest, wer der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten wird. Donald Trump hat gute Chancen, Joe Biden im Weißen Haus abzulösen. Aber ist er dafür geistig fit genug? Daran bestehen erhebliche Zweifel.
Für Donald Trump ist seine Gegnerin Kamala Harris "geistig behindert". Doch inzwischen sind viele Beobachterinnen und Beobachter besorgt, dass vielmehr mit seiner eigenen geistigen Gesundheit etwas nicht stimmt: Falls Trump am 5. November zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird, ist er sogar noch ein paar Tage älter als Joe Biden zu seinem Amtsantritt. Der älteste Präsident der USA würde vom zukünftig ältesten Präsidenten der USA abgelöst werden. Aus europäischer Perspektive ein besorgniserregender Umstand. Spitzenämter werden auf diesem Kontinent in der Regel nicht von Menschen Ende 70 oder Anfang 80 besetzt. Konrad Adenauer ist eine der wenigen Ausnahmen.
Geht es nach Trump, ist er der fitteste und beste Präsident, den die USA jemals hatten. Doch stimmt das? Medizinische Unterlagen veröffentlichte der 78-Jährige in diesem Wahlkampf nicht. Über die 60-jährige Kamala Harris, die demokratische Präsidentschaftskandidatin, heißt es dagegen in einem zweiseitigen medizinischen Brief ihres Arztes, der Anfang des Monats veröffentlicht wurde, ihre körperliche Gesundheit sei "ausgezeichnet". Trump verweist laut "Washington Post" oft auf seinen Erfolg bei der Absolvierung eines einfachen, kognitiven Tests und nimmt dies als Indikator für seine Scharfsinnigkeit. Es sei jedoch nicht klar, wann er zuletzt einen solchen Test gemacht hat, schreibt die Zeitung.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat kann anderthalb Wochen vor der Wahl nur anhand seiner öffentlichen Termine begutachtet und beurteilt werden. Sein Wahlkampf-Sprecher Steven Cheung bezeichnete ihn als "den stärksten und fähigsten Kandidaten" und weist Behauptungen zurück, er habe mit zunehmendem Alter nachgelassen. "Präsident Trump hat mehr Energie und mehr Ausdauer als jeder andere in der Politik und ist der klügste Anführer, den dieses Land je gesehen hat."
Einzigartiger Stil oder geistiger Verfall?
Doch daran bestehen erhebliche Zweifel. Anfang Oktober veröffentlichte die "New York Times" eine Analyse der Wahlkampfauftritte des Präsidentschaftskandidaten. Demnach wirkte Trump zuletzt "verwirrt, vergesslich, unzusammenhängend oder realitätsfremd". Doch das allein errege nicht viel Aufmerksamkeit, weil es schlicht so oft geschehe. "Er war schon immer wortreich und oft losgelöst von der Wahrheit, aber im Laufe der Zeit sind seine Reden düsterer, härter, länger, wütender, weniger fokussiert, profaner und zunehmend auf die Vergangenheit fixiert geworden", heißt es. Ehemalige Weggefährten Trumps bestätigen der US-Zeitung den Eindruck, dass die rhetorischen Fähigkeiten des Republikaners im Vergleich zum Beginn seiner Karriere abgenommen hätten.
Trumps Verbündete entgegnen, dass der Unternehmer und ehemalige Reality-TV-Star einfach einen einzigartigen Stil habe und jegliche Aufmerksamkeit für sein unkonventionelles Verhalten politisch motiviert sei. Laut "USA Today" war Trump noch nie ein geschliffener Redner. Von Anfang an seien seine Auftritte lange, ausschweifende Angelegenheiten mit regelmäßigen Abschweifungen gewesen, um Rivalen zu verhöhnen oder abgegriffene Anekdoten zum Besten zu geben. Sie seien allerdings immer länger und unkonzentrierter geworden. Etwa wenn er Ortsnamen durcheinander bringt oder Personen verwechselt - und zum Beispiel Nikki Haley sagt, aber Nancy Pelosi meint. Oder von einem Leon Musk spricht.
Trump redet nicht wie ein typischer Politiker. Und dafür schätzen ihn seine Anhängerinnen und Anhänger. Doch auffällig ist, dass er im Vergleich zu 2016 und 2020 deutlich weniger Wahlkampfauftritte absolviert und Interviews gibt. Letzteres mag daran liegen, dass er mit den "fake news", wie er es nennt, nicht sprechen möchte. Doch gerade in Bezug auf die Zahl seiner Kundgebungen wird in der US-Presse über eine Erschöpfung des Kandidaten berichtet.
"Sein Team sagt, dass er erschöpft ist, das ist die Ausrede", sagte Gegenkandidatin Harris dazu. "Präsident der Vereinigten Staaten zu sein, ist wahrscheinlich einer der härtesten Jobs der Welt", wird sie von "USA Today" zitiert. "Und deshalb müssen wir uns wirklich fragen: Wenn er von der Wahlkampfkampagne erschöpft ist, ist er dann fit genug für den Job?"
"Opas Persönlichkeit ist starrer geworden"
Vor wenigen Tagen interviewte der "Spiegel" den früheren Leibarzt von US-Präsident Barack Obama. Jeffrey Kuhlmann fällt ein vernichtendes Urteil über Trumps kognitive Fähigkeiten: "Man hört Trump in den Debatten gar nicht richtig argumentieren." Vielmehr antworte er stets mit Wahlkampfslogans und Dingen, die er bereits hundertmal gesagt habe. "Es kommt kein neuer Gedanke. Im Alltag würde man sagen: Das ist ein starrköpfiger Opa, oder: Opas Persönlichkeit ist starrer geworden." Im Vergleich mit Trumps Auftritten zu Beginn seiner politischen Laufbahn im Jahr 2015 erkennt der Mediziner "Anzeichen von kognitivem Verfall".
Trump zeige deutliche Zeichen der frontotemporalen Demenz, wird der Hamburger Verhaltensneurologe Wido Nager im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) konkreter. "Demenz wird sowohl in den USA wie auch hierzulande allzu oft mit bereits anfangs dominierenden Gedächtnisstörungen in Verbindung gebracht." Die frontotemporale Demenz dagegen äußere sich im früheren Stadium zunächst anders, besonders durch ein zunehmend enthemmtes Verhalten abseits sozialer Normen. Mangels eigener Untersuchungen könne zwar niemand offiziell eine Diagnose aussprechen. Die Zeichen, die Trump in dieser Hinsicht zeige, seien aber mittlerweile lehrbuchhaft, so Nager.
Doch es gibt Widerspruch. Trump habe schon immer eine ungewöhnliche Art zu sprechen gehabt, sagte etwa Jamie Reilly, ein kognitiver Psychologe an der Temple University in Philadelphia, "USA Today". "Kann man das irgendwie erklären? Ich glaube nicht." Laut Reilly sieht Trump "von einem Tag auf den anderen völlig anders aus". Das sei nicht mit der Diagnose von Krankheiten vereinbar, die oft mit dem Alter in Verbindung gebracht würden, wie Parkinson oder Demenz.
Seine politischen Gegner werfen Trump schon seit Längerem vor, nicht Herr seiner Sinne zu sein. Das liegt aber vordergründig an seinen ausschweifenden, menschenverachtenden, erratischen Reden. Die Demokraten ließen jüngst verlauten, der Republikaner wirke verwirrt und verloren. Anlass war ein denkwürdiger Wahlkampfauftritt Mitte Oktober, bei dem Trump die Veranstaltung aufgrund der offenbar großen Hitze im Saal und einzelnen medizinischen Notfällen im Publikum vorzeitig beendete. Er verließ jedoch nicht die Bühne, sondern tanzte knapp 40 Minuten lang zu verschiedenen Liedern. "Lasst uns ein Musikfest daraus machen", sagte Trump. "Was stimmt mit dem Typen nicht?", fragte Präsident Joe Biden daraufhin. "Hoffentlich geht es ihm gut", kommentierte Kamala Harris süffisant.
Bürger zunehmend besorgter
Derartige Kommentare dürften Trump und seine Republikaner wenig beeindrucken. Allerdings glauben jüngsten Umfragen zufolge auch immer mehr Wählerinnen und Wähler, dass mit Trumps Fitness etwas nicht stimmen könnte. Im Laufe des diesjährigen Wahlkampfs äußern sich immer mehr Menschen besorgt darüber, wie sich Trumps Alter auf seine Fähigkeit auswirken könnte, als Präsident zu dienen. Das ergibt das sogenannte Stanford-Arizona State-Yale Election Panel (SAY24), das von dem Meinungsforschungsinstitut YouGov durchgeführt wird. Darin wird alle vier Wochen dieselbe Gruppe von Teilnehmenden befragt. Das Panel besteht nach Angaben von YouGov aus mehr als 10.000 Erwachsenen in den USA, von denen zwischen 4730 und 6813 pro Umfrage teilgenommen hätten.
Zwischen Februar und Oktober 2024 stieg der Anteil derjenigen im Panel, die sagten, Trump sei zu alt, um Präsident zu sein von 35 auf 44 Prozent. Der Anteil derer, die angaben, er sei nicht zu alt, sank: von 53 auf 46 Prozent. Im Vergleich zu Biden, bei dem zuletzt 70 Prozent angesichts seines Alters besorgt waren, sind die Werte geringer. Doch eine Mehrheit der Befragten (56 Prozent) sagte im Oktober, dass Trumps Gesundheit und Alter seine Fähigkeit, seine Pflichten als Präsident zu erfüllen, zumindest ein wenig beeinträchtigen würden. Darunter sind laut YouGov 36 Prozent, die glauben, dass eine Präsidentschaft Trumps durch seine Gesundheit und sein Alter stark eingeschränkt wäre.
Zwischen den Anhängern der Republikaner und der Demokraten gibt es dabei erhebliche Unterschiede: Demokraten sind am ehesten der Meinung, dass Trump aufgrund seines Gesundheitszustands und seines Alters als Präsident stark eingeschränkt wäre (71 Prozent). Im Gegensatz dazu glauben die Republikaner am ehesten, dass er davon nicht betroffen wäre: Zwei von drei Republikanern vertreten diese Ansicht, während 29 Prozent glauben, dass sein Gesundheitszustand und sein Alter einen gewissen Einfluss auf seine Präsidentschaft haben würden.
Altersgrenze? In den USA nicht gewollt
So offensichtlich es sein mag, so schwierig ist eine Bewertung der geistigen Gesundheit Trumps anhand seines öffentlichen Gehabes, das sicherlich auch politischem Kalkül unterliegt. Die "Washington Post" berichtete im März, Trumps Vater Fred Trump habe an Alzheimer gelitten, "einer Erkrankung, von der man annimmt, dass sie eine genetische Komponente hat". Ob auch Trump davon betroffen ist oder betroffen sein wird, ist unklar.
So oder so würde sich Mediziner Jeffrey Kuhlmann eine Altersgrenze von 70 Jahren für derartige politische Ämter wünschen. "Wir wissen, dass nach dem Alter von 60 Jahren ein kognitiver Niedergang stattfindet, und dass er sich beschleunigt", sagte er dem "Spiegel". "Das logische Denken wird schlechter, das Verarbeiten von Information wird langsamer, das Gedächtnis nimmt ab, vor allem das Kurzzeitgedächtnis." Statistisch gesehen hätte eine überwältigende Mehrheit der 78-Jährigen einen zu starken kognitiven Verfall für so einen anstrengenden Job.
"Meine Meinung ist: Mit 78 Jahren ist man einfach zu alt", sagt Kuhlmann. So habe man auch schon beim jetzigen Präsidenten Biden, der im November 82 Jahre alt wird, eindeutige Anzeichen eines kognitiven Verfalls sehen können. Das Problem an einer Altersgrenze von 70: Sie ist in der amerikanischen Gesellschaft, in der es normal ist, dass Menschen auch in hohem Alter noch einer Arbeit nachgehen, laut Kuhlmann nicht gewollt: "Sie würde auch nie durch den US-Senat kommen", die Hälfte der Mitglieder habe dieses Alter schon erreicht. "Wir leben in einer Gerontokratie."
Quelle: ntv.de