Der Abgang von Joe Biden als Präsidentschaftskandidat stellt den gesamten US-Wahlkampf auf den Kopf. Donald Trump muss sich wohl auf eine neue Gegnerin einstellen. Und Kamala Harris, die potenzielle Kandidatin der Demokraten, sucht nach einem möglichen Vize, der ihr zum Sieg verhelfen könnte. Über ihre Kandidatur entscheiden 3936 Delegierte auf dem Parteitag der Demokraten vom 19. bis 22. August in Chicago. Doch dafür braucht sie einen Vize-Kandidaten, der ihre Schwächen bestmöglich ausgleicht. Viele vermuten, ein weißer, gemäßigt bis konservativer Mann, könnte Harris die besten Chancen auf einen Wahlsieg geben. Aber auch Frauen aus der Partei der Demokraten stehen auf der Liste möglicher Personen. Wen soll sie zu ihrem Vize-Kandidaten oder ihrer Vize-Kandidatin machen?

Andy Beshear

Andy Beshear ist Gouverneur des Bundesstaats Kentucky - einem republikanisch dominierten Bundesstaat. Traditionell wird in Kentucky bei Wahlen eher für den republikanischen Kandidaten gestimmt. Als Beshear als Demokrat 2019 zum Gouverneur gewählt wurde, betrachteten viele in der eigenen Partei seinen Sieg als Glücksfall. Neben der Politik haben Harris und Beshear dieselbe Berufung, denn Beshear war von 2016 bis 2019 Generalstaatsanwalt des Bundesstaats. Harris bekleidete den Posten in Kalifornien von 2011 von 2017. Der 46-Jährige spricht oft über seinen christlichen Glauben. Laut "New York Times" könnte Beshear als Vize-Kandidat vor allem gemäßigte weiße Wähler in den Vorstädten für Harris gewinnen.

Mark Kelly

Mark Kelly ist Senator aus dem US-Bundesstaat Arizona. Der 60-Jährige erlangte 2011 Bekanntheit, nachdem seine Frau, die Abgeordnete Gabby Giffords, ein Attentat überlebte. Kelly, ein Navy-Veteran und ehemaliger Astronaut, begann sich für eine strengere Waffenkontrolle einzusetzen und gewann schließlich 2020 einen Sitz im Senat. Von den Demokraten wird er besonders dafür geschätzt, den traditionell eher republikanisch geprägten Bundesstaat 2020 für Biden gewonnen zu haben. Über seine oft relativ moderaten Töne hat sich Kelly ein Image als Gemäßigter erarbeitet.

J.B. Pritzker

J.B. Pritzker ist seit 2019 der Gouverneur von Illinois – ein Bundesstaat, der fest in der Hand der Demokraten ist. Pritzker ist Milliardär und könnte sein eigenes Geld in den Wahlkampf stecken. Pritzkers Familie besitzt die Hotelkette Hyatt Hotels. Er selbst ist Jurist und investiert in Tech-Startups. In der Vergangenheit zog der 59-Jährige mit seinen Angriffen auf Trump die Aufmerksamkeit der anderen Demokraten auf sich. "Wollen sie wirklich einen Präsidenten, der ein Verbrecher ist und dem eine Gefängnisstrafe droht?", sagte Pritzker im Juni. Im Falle seiner Vize-Kandidatur wäre er der zweite jüdische Kandidat in der Geschichte. Nach Bidens Rückzugs hatte er sich schnell hinter Harris positioniert und ihr seine Unterstützung zugesprochen.

Josh Shapiro

Josh Shapiro wurde 2022 zum Gouverneur im US-Bundesstaat Pennsylvania gewählt. Zuvor war auch er Generalstaatsanwalt des Bundesstaates. Pennsylvania ist ein bedeutender Swing State, dessen Wählerstimmen in der Vergangenheit besonders entscheidend für die Präsidentschaftswahlen gewesen sind. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel und den darauffolgenden Demonstrationen gegen Israel an US-Universitäten prangerte Shapiro – der ebenfalls Jude ist – den Anstieg des Antisemitismus an. Shapiro wurde für sein Krisenmanagement nach dem Einsturz einer Brücke auf der Interstate 95 im vergangenen Jahr gelobt. Der 51-Jährige ist eher moderat und sehr populär.

Roy Cooper

Seit 2017 ist der 67-jährige Roy Cooper Gouverneur des Bundesstaats North Carolina. Barack Obama war 2008 der letzte demokratische Präsidentschaftskandidat, der North Carolina für sich gewinnen konnte. In ihrer Zeit als Generalstaatsanwälte – Cooper in North Carolina und Harris in Kalifornien – haben die beiden bereits zusammengearbeitet. Seitdem sind Cooper und Harris befreundet.

Tim Walz

Ein neuer Name auf der Kandidatenliste ist Tim Walz. Der 60-Jährige ist seit 2019 Gouverneur von Minnesota. Walz ist ehemaliger Kongressabgeordneter und pensionierter Pädagoge. Als Gouverneur entsandte er die Nationalgarde nach Minneapolis, um bei der Beendigung der Unruhen nach dem Tod von George Floyd durch die Polizei zu helfen. Er ist Mitglied Demokratischen Bauern- und Arbeiterpartei Minnesotas. Als Vize könnte er Harris Stimmen aus der ländlichen Wählerschaft sichern.

Gretchen Whitmer

Gretchen Whitmer ist Gouverneurin des Bundesstaats Michigan -ebenfalls Swing State. Die 52-jährige Juristin kann eine lange Karriere in der Politik vorweisen. Bei der Präsidentenwahl 2020 war sie in der engeren Auswahl Bidens als Vize-Kandidatin. Wegen ihrer verhältnismäßig strikten Corona-Politik ist sie zum Feindbild vieler Republikaner geworden. Das Damen-Duo hätte laut Julian Zelizer, politischer Analyst von CNN und Princeton-Professor, beste Chancen, die Partei durch diese Krise nach Bidens Rücktritt zu führen. Die beiden Frauen arbeiten im Kampf für die Rechte von Frauen auf körperliche Selbstbestimmung eng zusammen. Whitmer gehört zu den aufstrebenden Figuren in der demokratischen Partei. Zudem sieht Zelizer in einer Wahlkampagne der zwei Demokratinnen das Potenzial, die Wähler zu begeistern und ein historisches Ergebnis zu erzielen.

Pete Buttigieg

Pete Buttigieg ist ehemaliger Bürgermeister von South Bend im Bundesstaat Indiana. Er sorgte 2020 als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten für Furore. Er hatte im Vorwahlkampf gegen Biden und Harris eine starke Anhängerschaft unter den Wählern aufbauen können und gewann die Vorwahl in Iowa. Zudem war er der erste offen homosexuelle Kandidat seiner Partei. Der 42-Jährige ist Verkehrsminister in Bidens Kabinett. Falls Harris sich für Buttigieg entscheiden sollte, wäre er der erste offen Homosexuelle, der jemals für das Amt des Vize-Präsidenten nominiert wurde.

Doch es stehen noch mehr Namen auf Harris' Liste: Auch der Gouverneur von Maryland Wes Moore, die Handelsministerin Gina Raimondo, der Senator des konservativen Bundesstaats West Virginia Joe Manchin und der Gouverneur des liberalen US-Bundesstaates Kalifornien könnten Harris zum Sieg über Trump verhelfen.