US-Wahl 2024

Demokrat in Schweigen gehüllt Warum sich Obama (noch) nicht hinter Harris stellt

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In seinem Statement nach dem Rückzug von Biden erwähnte Obama Vizepräsidentin Harris mit keinem Wort.

In seinem Statement nach dem Rückzug von Biden erwähnte Obama Vizepräsidentin Harris mit keinem Wort.

(Foto: picture alliance / abaca)

Nach dem überraschenden Rückzug von Joe Biden als Präsidentschaftskandidat sichert sich Kamala Harris in Windeseile die Unterstützung etlicher Top-Demokraten. Doch ein prominenter Name fehlt auf ihrer Liste: Barack Obama. Was steckt hinter der Zurückhaltung des Ex-Präsidenten?

Die Zeit rinnt den Demokraten durch die Finger. Bis zur US-Präsidentschaftswahl im November sind es nur noch rund 100 Tage - und die Partei steht offiziell ohne eine Kandidatin oder einen Kandidaten da. Angesichts der drängenden Zeit überrascht es kaum, dass Joe Biden prompt nach seiner überraschenden Verzichtserklärung auf Kamala Harris als Ersatzkandidatin pochte. In Windeseile sprach eine Riege an Top-Demokraten der aktuellen Vizepräsidentin ihre Unterstützung aus, darunter auch Hillary und Bill Clinton. Nach nur wenigen Stunden hatte Harris offenbar alle 50 Parteivorsitzenden der Demokraten hinter sich versammelt. Kurzum: Die Liste an Unterstützern für Harris als Präsidentschaftskandidatin ist lang - und hat dennoch eine prominente Lücke.

So hat sich Ex-Präsident Barack Obama bisher nicht zu einer möglichen Präsidentschaftskandidatur von Harris geäußert. Vielmehr noch: In seinem Statement, das er kurz nach Bidens Verzichtserklärung, veröffentlichte, fiel nicht einmal ihr Name. Vielmehr handelte es sich um eine Hommage an Biden, den Obama in seinem Schreiben "einen der bedeutendsten Präsidenten Amerikas" und "einen guten Freund und Partner für mich" nannte. Zu der Frage, wer nun statt Biden in den längst gestarteten Wahlkampf zieht, äußerte sich der Ex-Präsident nicht - auf die naheliegendste Option, nun auf Vizepräsidentin Harris zu setzen, ging Obama nicht mit einem Wort ein.

Dass der Demokrat die wichtige Frage der Kandidatur in seinem Lobschreiben auf Biden lediglich vergaß, ist kaum realistisch. Damit drängt sich die Frage nach dem Grund für Obamas Zurückhaltung in Bezug auf Harris auf. So hätte sich seine Unterstützung für die derzeitige Vizepräsidentin durchaus als Revanche werten lassen können. Denn als sich der Demokrat 2007 um die Präsidentschaftskandidatur bewarb, war es Harris, die ihn als erste gewählte Vertreterin Kaliforniens unterstützte. Zum damaligen Zeitpunkt keine risikolose Entscheidung, da Hillary Clinton als Favoritin galt.

Größtmögliche Zurückhaltung

In Obamas Erklärung vom Sonntagabend heißt es nun lediglich, er habe "außerordentliches Vertrauen, dass die Führer unserer Partei in der Lage sein werden, einen Prozess zu schaffen, aus dem ein hervorragender Kandidat hervorgeht". Während einige persönliche Gründe hinter dem Nicht-Erwähnen von Harris vermuten, spekulieren andere bereits über eine mögliche Kandidatur von Michelle Obama. Für beides gibt es jedoch keine Hinweise.

Stattdessen dürfte in Obamas Worten zunächst einmal weniger Interpretationsspielraum stecken, als viele vermuten. Das zumindest legt ein Bericht der "New York Times" nahe. So habe Obama keinen alternativen Kandidaten im Sinn gehabt, als er sein Schreiben verfasste, ohne Harris zu erwähnen, erklärten dem Ex-Präsidenten nahestehende Menschen der Zeitung. Vielmehr sei es ihm in seinem Statement um größtmögliche Zurückhaltung gegangen. Obama sehe sich nicht als jemand, der vorschnell Kandidaten ausruft, sondern als jemand, der die Partei der Demokraten einen wolle, sagte ein Vertrauter der Zeitung.

Dieses Verhalten von Obama ist im Grunde weder neu noch überraschend. Nach seiner Amtszeit hatte der Demokrat angekündigt, sich nicht in das Tagesgeschäft einmischen zu wollen - und sich stets darangehalten. So stellte sich Obama auch im vergangenen Wahlkampf vor vier Jahren erst öffentlich hinter Biden als Präsidentschaftskandidat als dessen Konkurrent Bernie Sanders ausgestiegen war.

Kein Königsmacher

Neben schlichter Zurückhaltung könnte auch Obamas politischer Instinkt eine Rolle gespielt haben. So wollte der Ex-Präsident dem Bericht zufolge nicht den Eindruck erwecken, als Königsmacher für Harris zu fungieren. Er habe vermeiden wollen, dass eine mögliche Nominierung von Harris als eine Art Ad-hoc-Krönung von oben statt als bestmöglicher Konsens in der Partei erscheint. Denn: Eine zu frühe Unterstützung, so heißt es, könnte die Kritik am Nominierungsverfahren der Demokraten sowie an Harris selbst weiter nähren. Aus der Luft gegriffen ist diese Befürchtung nicht - seit der Verzichtserklärung von Biden warf die Trump-Kampagne den Demokraten bereits mehrfach vor, antidemokratisch zu handeln.

Auffällig ist vor allem Obamas explizierter Aufruf zu einem offenen Wettbewerb um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Michael Yaki, der ehemalige leitende Berater von Nancy Pelosi, sieht darin die eigentliche Intention des Ex-Präsidenten. Top-Demokraten wie Obama halten sich demnach mit ihrer öffentlichen Unterstützung zurück, um die Basis ins Scheinwerferlicht zu rücken. "Sie wollen die Basis, die Delegationen, (…) für sie [Harris] stimmen lassen, weil es dann viel organischer aussieht. Es sieht nicht so aus, als wäre es von oben herab inszeniert worden". Dies sei wichtig für die "Legitimität" von Harris als mögliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Dies dürfte Harris selbst bewusst sein. So sprach auch sie davon, die Nominierung "verdienen und gewinnen" zu wollen, als sie ihre Bereitschaft zur Kandidatur verkündete.

Schlussendlich könnte es zudem einen persönlichen Grund für Obamas - bisherige - Zurückhaltung in Bezug auf Harris geben. Denn der Ex-Präsident äußerte sich bereits kurz nach Bidens Verzichtserklärung. Im Gespräch mit der "New York Times" sagten anonyme Quellen, dem Ex-Präsidenten sei es schlichtweg darum gegangen, Biden diesen Tag zu widmen. Demnach wollte er zunächst dessen Werk feiern, anstatt prompt auf einen möglichen Nachfolger einzugehen.

Angespanntes Verhältnis zu Biden

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Möglicherweise, so heißt es in dem Bericht, habe diese Entscheidung mit einem ohnehin angespannten Verhältnis zwischen Obama und Biden so tun. So soll Biden dem Ex-Präsidenten zum einen nie ganz verziehen haben, dass dieser bei den US-Wahlen 2016 still Hillary Clinton unterstützte. Zum anderen gehörte Obama zu jenen Demokraten, die Biden nach dem stark kritisierten TV-Duell einen Rückzug nahelegten.

Die prominente Lücke auf der Liste von Harris' Unterstützern dürfte damit gleich mehrere Gründe haben. Sollte es Obama, wie bereits im vergangenen Wahlkampf, um den richtigen Zeitpunkt gehen, dürfte schon bald mit einer Erklärung zugunsten von Harris zu rechnen seien. Ein Indiz dafür könnte das Verhalten einer anderen Top-Demokratin sein: Wie Obama stellte sich auch Nancy Pelosi zunächst nicht öffentlich hinter Harris. Berichten zufolge habe auch sie vermeiden wollen, als Königsmacherin zu gelten. Vor wenigen Stunden verkündete sie jedoch, "volles Vertrauen" in Harris als Präsidentschaftskandidatin zu haben.

Quelle: ntv.de

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