Politik

Sogar mehr Soldaten an Grenze USA und NATO bestreiten russischen Abzug

Drohkulisse für die Ukraine: Kampftraining russischer und belarussischer Soldaten auf dem Schießplatz von Brestsky.

Drohkulisse für die Ukraine: Kampftraining russischer und belarussischer Soldaten auf dem Schießplatz von Brestsky.

(Foto: picture alliance/dpa/Russian Defense Ministry Press Service/AP)

Die Ankündigung des Kreml, Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen, sorgt für ein internationales Aufatmen. Doch die USA und die NATO stellen fest, dass die Zahl der Soldaten nicht abnimmt. Im Gegenteil, sagt NATO-Generalsekretär Stoltenberg in Brüssel.

Die US-Regierung sieht bislang keine Anzeichen für ein Ende des russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine. Bisher sei kein Rückzug russischer Streitkräfte zu beobachten, sagte US-Außenminister Antony Blinken dem Fernsehsender MSNBC. "Sie bleiben in einer sehr bedrohlichen Weise entlang der ukrainischen Grenze versammelt." Mit Blick auf die Ankündigung Moskaus, Truppen abzuziehen, sagte Blinken: "Was Russland sagt, ist das eine. Was Russland tut, ist das andere." Es wäre gut, "wenn sie ihren Worten Taten folgen lassen würden, aber bis jetzt haben wir das nicht gesehen".

Russland hatte am Dienstag überraschend mitgeteilt, dass nach Manövern damit begonnen worden sei, Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Nach Erkenntnissen der NATO setzt Moskau seinen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet entgegen der Ankündigung aber fort. "Bislang haben wir vor Ort keine Deeskalation gesehen. Im Gegenteil: Russland scheint den Militäraufmarsch fortzusetzen", sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten. Das russische Verteidigungsministerium hingegen betonte, es würden weitere Teile der Truppen abgezogen.

Auch US-Präsident Joe Biden hatte zuvor erneut vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine gewarnt. Er begründete dies in einer Fernsehansprache aus dem Weißen Haus mit den inzwischen "mehr als 150.000" russischen Soldaten an den Grenzen zur Ukraine. Stoltenberg wiederholte dagegen die Zahl von "weit mehr als 100.000" russischen Truppen. Es gebe aber einen Trend nach oben, sagte er auf Nachfrage zu Bidens Angaben.

Prüfauftrag für internationale Battlegroups

Die Haltung der NATO zu Russland steht im Zentrum des zweitägigen Treffens der Verteidigungsminister der 30 NATO-Mitgliedstaaten. Ein weiteres Thema sind Pläne für eine dauerhafte Stärkung der NATO-Präsenz an ihrer Ostflanke. Erwartet wird bei dem NATO-Rat ein Prüfauftrag an die Militärführung unter US-General Tod Wolters. Im Gespräch ist die Einrichtung einer neuen multinationalen Gefechtseinheit in Rumänien. Sie könnte die bestehenden vier NATO-Battlegroups in den drei Baltenstaaten und in Polen ergänzen. Dies könnte allerdings für zusätzliche Konflikte mit Russland sorgen: Moskau hat das Bündnis vor der Stationierung zusätzlicher Truppen in Osteuropa gewarnt.

Deutschland leitet seit gut fünf Jahren das multinationale NATO-Bataillon in Litauen und hat mit der Entsendung von 350 zusätzlichen Soldaten begonnen. Die USA wollen darüber hinaus 1000 Soldaten von Bayern nach Rumänien verlegen. Frankreich bietet an, das Kommando einer künftigen Battlegroup in Rumänien zu stellen. Die NATO hatte den Aufbau der multinationalen Bataillone in den östlichen Mitgliedstaaten Polen, Litauen, Lettland und Estland 2016 beschlossen, als Reaktion auf die russische Annexion der Krim 2014. Sie sollen Russland von einem Angriff auf die früheren Sowjetstaaten abhalten.

Kiews NATO-Mitgliedschaft: Stoltenberg widerspricht Scholz

Bei dem Treffen in Brüssel relativierte Stoltenberg Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz, ein Beitritt der Ukraine zur NATO stehe derzeit nicht zur Debatte. Nicht Russland habe über den Aufnahmewunsch der Ukraine zu entscheiden, sondern die 30 NATO-Staaten in Abstimmung mit Kiew. Es sei "das Recht jeder Nation in Europa, über ihren eigenen Weg zu entscheiden", bekräftigte Stoltenberg. Dies sei ein ehernes Prinzip der NATO und auch in der Schlussakte von Helsinki 1975 festgehalten. Zuvor hatte der Norweger immer wieder betont, Russland habe "kein Vetorecht" in der Frage. Die NATO stehe zu ihrem Beschluss von 2008, die Ukraine wie Georgien auf ihrem Weg in das Militärbündnis zu unterstützen.

Scholz hatte am Dienstag anlässlich seines Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau gesagt, ein Beitritt der Ukraine zur NATO stehe "nicht auf der Tagesordnung". Er unterstrich, eine NATO-Aufnahme Kiews werde vermutlich weder in Putins noch seiner eigenen Amtszeit beschlossen. Der russische Präsident verlangt von der Allianz Garantien, dass sie sich nicht weiter nach Osten ausdehnt. Die kanadische Verteidigungsministerin Anita Anand sagte in Brüssel, die NATO dürfe auch im Konflikt mit Russland "nicht von ihren Grundprinzipien abweichen". Die Tür der NATO müsse weiter offen bleiben. Dies gelte ungeachtet der "beispiellosen russischen Aggression an der ukrainischen Grenze".

Quelle: ntv.de, mau/dpa/AFP

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