Ausweitung der Antragszone USA wollen Migration aus Mexiko bremsen
25.08.2024, 12:22 Uhr Artikel anhören
Asylbewerber kommen in El Chaparral zu ihrem CBP One-Termin an der Grenze zwischen den USA und Mexiko in Tijuana.
(Foto: picture alliance / Sipa USA)
Migration aus Mexiko ist eines der zentralen Themen im US-Präsidentschaftswahlkampf. Die Asylbehörden wollen mit einer Änderung im Registrierungsverfahren nun den Zustrom verlangsamen. Hilfsorganisationen sehen darin jedoch einen Verstoß gegen internationales Recht.
Es ist ein Versuch, die Migration aus Mexiko in Richtung USA zu verlangsamen: Asylsuchende können jetzt schon weiter südlich einen Termin bei den US-Behörden buchen. Bisher mussten sie sich dafür in Zentral- oder Nordmexiko aufhalten. Nun können Termine über die App "CBP One" der US-Regierung schon von den südlichsten mexikanischen Staaten an der Grenze zu Guatemala aus reserviert werden.
Yuri Carolina Meléndez aus Venezuela lud sich die App herunter, sobald sie mexikanisches Territorium betrat. "Ich muss abwarten, ob es wirklich funktioniert", sagt Meléndez, die sich mit ihren beiden 16 und 18 Jahren alten Töchtern unter einem Baum an einer Grenzstraße ausruht, die in die Stadt Tapachula führt.
Die Ausweitung des App-Zugangs auf den Süden geht auf eine Bitte Mexikos zurück. So soll der Druck auf Migrantinnen und Migranten gesenkt werden, möglichst weit nach Norden bis mindestens Mexiko-Stadt zu kommen. In den vergangenen Jahren hatte die mexikanische Regierung versucht, die Menschen im weiter von der US-Grenze entfernten Süden zu halten. Da es aber in südlichen Städten wie Tapachula an Jobs und Wohnungen mangelt, zogen die meisten weiter Richtung Norden.
Wenn die Asylsuchenden nun im Süden auf ihre Termine warten können - so die Hoffnung Mexikos - riskieren sie es nicht, auf dem Weg nordwärts ohne Papiere von den Behörden aufgegriffen zu werden oder dem organisierten Verbrechen zum Opfer zu fallen. Mit Termin könnten sie sich theoretisch ungestört bewegen.
Migranten fühlen sich unter Druck gesetzt
Germin Alemán aus Honduras, der mit seiner Frau und drei Kindern unterwegs ist, will seine Familie registrieren, sobald sie Tapachula erreichen. "Wir werden hier einen Antrag stellen, wir werden auf den Termin warten", sagt der 31-Jährige an der Grenze auf dem Weg nach Tapachula.
Andere jedoch fühlen sich immer noch unter Druck, weiter in den Norden zu kommen. Viele Migrantinnen und Migranten sind hoch verschuldet und müssen so schnell wie möglich mit der Rückzahlung beginnen. Meléndez zum Beispiel will nach eigenen Worten weiterziehen, um rasch eine Arbeit zu finden.
Im Bemühen der USA um geordnete Asylverfahren an der Südwestgrenze hat sich die App "CBP One" als eine der bisher wirksamsten Maßnahmen erwiesen. Im Haushaltsjahr 2023 hatten nach US-Angaben mehr als 2,4 Millionen Menschen die Grenze überquert. Seit dem Start der App im Januar 2023 vereinbarten mehr als 765.000 Menschen Termine für die Einreichung ihrer Asylanträge. Migration ist eines der zentralen Themen im US-Präsidentschaftswahlkampf.
Täglich 1500 Termine vergeben
Als die Regierung von Präsident Joe Biden im Juni das Asylverfahren für illegal eingereiste Menschen aussetzte, war die App die einzige Möglichkeit, um Asyl zu beantragen. Die US-Behörden vergeben täglich 1500 Termine.
Seit einem Hoch im Dezember 2023 ist die Zahl illegaler Grenzübertritte deutlich gesunken. Washington führt dies vor allem auf Maßnahmen Mexikos zurück, darunter das Aufgreifen von Migranten im Norden, die dann wieder in den Süden geschickt werden.
Die Ausweitung von "CBP One" stößt nun auf viel Zustimmung bei der mexikanischen Regierung. "Das wird uns sehr helfen", sagte Außenministerin Alicia Bárcena kürzlich bei der Ankündigung.
Verstoß gegen internationales Recht?
Hilfsorganisationen sehen indes wenig Grund zum Feiern. In einem offenen Brief an die mexikanische Regierung bezeichneten sie "CBP One" als Verstoß gegen internationales Recht, da die App es den USA ermögliche, die Einreise Schutzbedürftiger zu begrenzen. Viele Migrantinnen und Migranten säßen in Mexiko monatelang bei unhygienischen Zuständen in überfüllten Unterkünften oder Zelten fest. Während der Wartezeit drohten ihnen Entführungen, sexuelle Übergriffe, Folter und Erpressung durch Kriminelle und Behörden, erklärten die Gruppen.
Die Vereinten Nationen reagieren zurückhaltend auf die Neuerung. Zwar könnten dadurch womöglich die Risiken für Migranten auf dem Weg nach Norden gesenkt werden, sagt Giovanni Lepri, der Mexiko-Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. In der Migrationspolitik seien jedoch weitere Maßnahmen notwendig, wie etwa die Stabilisierung der Herkunftsländer und Schutz für die Menschen in den Transitstaaten.
Theoretisch erlaubt die mexikanische Einwanderungsbehörde Migranten mit "CBP-One"-Termin ein freies Reisen an die US-Grenze. Nach Angaben der Hilfswerke werden aber dennoch manchmal Migranten festgenommen und in den Süden zurückgeschickt, um sie von der Grenze fernzuhalten.
Drogenkartelle übernehmen die Kontrolle
In Südmexiko sind Migranten schon immer Ziel von Schleusern und Kriminellen, für den Rest der Bewohner war die Region jedoch recht friedlich. Doch inzwischen hat sich die Situation verändert. Das südliche Grenzgebiet ist Schauplatz eines Konflikts zwischen den mächtigsten Drogenkartellen des Landes, die um Kontrollrouten für den Schmuggel von Rauschgift, Waffen und Migranten kämpfen. In vielen Grenzstädten ist Gewalt an der Tagesordnung.
Wartende Migrantinnen und Migranten in Ciudad Hidalgo nahe dem Grenzfluss Suchiate zwischen Mexiko und Guatemala diskutieren über die Frage, ob sie bleiben oder nach Norden weiterziehen sollen. Der wichtigste Faktor dabei ist das Geld. Die Menschen hoffen auf bessere Jobchancen in Zentral- und Nordmexiko - denn sie brauchen Geld für die womöglich monatelange Wartezeit auf einen Termin.
Quelle: ntv.de, Edgar H. Clemente und María Verza, AP